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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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und erbärmh'cher Schwäche. Das ganze Buch fordert, ohne daß der Verfasser
so etwas irgendwie beabsichtigt hat, zu Vergleichen mit unsrer Gegenwart auf.
Grade die aetenmäßige Darstellung, der zuweilen wörtliche Abdruck von Brief¬
steller und damals verzeichneten charakteristischen Aeußerungen sowie von einer
Anzahl Documente macht das Werk vorzugsweise belehrend. Auch für die
Sitten- und Culturgeschichte der damaligen Zeit enthält dasselbe schätzenswerthe
Mittheilungen.

Die Seele Gustav Adolphs wird uns aus dem kleinen Werk verständlicher,
als aus vielem, was bis jetzt über ihn geschrieben ist, am meisten hilft dazu
eine treu aufgezeichnete Unterredung desselben mit einem brandenburgischen
Bevollmächtigten. Dies Memorial ist nicht weniger bedeutend, als die vor
kurzem publicirten Berichte Seymours über den größten, jetzt lebenden Eroberer.
Das Bild selbst, welches wir dadurch von Gustav Adolph bekommen, ist ein
anderes, als Freund und Feind von ihm gezeichnet haben. Die frische, bewußte
Kraft, die markige, kurze Art des Königs, welche für die damalige Zeit aus¬
fallend und imponirend gewesen ist, und vor allem die innere Heiterkeit und
humoristische Freiheit, mit welcher er in die deutschen Verhältnisse sah, das
macht den Staatsklugen Fürsten auch- da, wo der Deutsche seine letzten Zwecke
als bedenklich betrachten muß, durchweg erquicklich. Dagegen ist das Bild,
welches wir von den deutschen Fürsten bekommen, denen damals die Verpflich¬
tung obgelegen hätte, die Freiheit unsres Vaterlandes zu vertreten, ein sehr
trauriges. Wenn der damalige Kurfürst von Brandenburg, Georg Wilhelm,
obgleich schwach, doch den besten Willen hatte, irgendetwas zu thun, zeigt
sich der Kurfürst Johann Georg von Sachsen als ein wahrhaft trostloser
Charakter. Diese Mischung von unpraktischer Gelehrsamkeit und entschiedener
Unfähigkeit, irgendeinen Entschluß zu fassen, diese abgeschmackten Versuche,
die lodernden Gegensätze durch Phrasen unschädlich zu machen, sein Kriechen
vor dem Kaiser, das unermüdliche Abschicken von außerordentlichen Gesandt¬
schaften, welche in der Regel schnöde und mit Verachtung behandelt wurden,
diese Passivität, durch die er in den entscheidenden Augenblicken seine Bundes¬
genossen zur Verzweiflung bringt, Magdeburg und die deutsche Sache in die
Hände der Feinde und Fremder liefert,, diese unerquickliche Frömmigkeit eines
energielosen Schwächlings, das alles zusammengehalten macht einen sehr trüben,
peinlichen Eindruck noch nach zwei Jahrhunderten. Wie muß ein solcher Fürst
erst der Generation erscheinen, deren Schicksal ist, ihn zu ertragen.

Zur Charakteristik Gustav Adolphs folgt hier noch ein Theil der oben
erwähnten Unterhaltung mit dem Bevollmächtigten von Brandenburg, welcher
nach der Landung des Königs aus Insel Usedom infolge der Einnahme von
Stettin abgeschickt war, um den König zu einem Waffenstillstand mit den Kai¬
serlichen zu bringen. Der König lächelte über diesen Antrag, welcher von einem


und erbärmh'cher Schwäche. Das ganze Buch fordert, ohne daß der Verfasser
so etwas irgendwie beabsichtigt hat, zu Vergleichen mit unsrer Gegenwart auf.
Grade die aetenmäßige Darstellung, der zuweilen wörtliche Abdruck von Brief¬
steller und damals verzeichneten charakteristischen Aeußerungen sowie von einer
Anzahl Documente macht das Werk vorzugsweise belehrend. Auch für die
Sitten- und Culturgeschichte der damaligen Zeit enthält dasselbe schätzenswerthe
Mittheilungen.

Die Seele Gustav Adolphs wird uns aus dem kleinen Werk verständlicher,
als aus vielem, was bis jetzt über ihn geschrieben ist, am meisten hilft dazu
eine treu aufgezeichnete Unterredung desselben mit einem brandenburgischen
Bevollmächtigten. Dies Memorial ist nicht weniger bedeutend, als die vor
kurzem publicirten Berichte Seymours über den größten, jetzt lebenden Eroberer.
Das Bild selbst, welches wir dadurch von Gustav Adolph bekommen, ist ein
anderes, als Freund und Feind von ihm gezeichnet haben. Die frische, bewußte
Kraft, die markige, kurze Art des Königs, welche für die damalige Zeit aus¬
fallend und imponirend gewesen ist, und vor allem die innere Heiterkeit und
humoristische Freiheit, mit welcher er in die deutschen Verhältnisse sah, das
macht den Staatsklugen Fürsten auch- da, wo der Deutsche seine letzten Zwecke
als bedenklich betrachten muß, durchweg erquicklich. Dagegen ist das Bild,
welches wir von den deutschen Fürsten bekommen, denen damals die Verpflich¬
tung obgelegen hätte, die Freiheit unsres Vaterlandes zu vertreten, ein sehr
trauriges. Wenn der damalige Kurfürst von Brandenburg, Georg Wilhelm,
obgleich schwach, doch den besten Willen hatte, irgendetwas zu thun, zeigt
sich der Kurfürst Johann Georg von Sachsen als ein wahrhaft trostloser
Charakter. Diese Mischung von unpraktischer Gelehrsamkeit und entschiedener
Unfähigkeit, irgendeinen Entschluß zu fassen, diese abgeschmackten Versuche,
die lodernden Gegensätze durch Phrasen unschädlich zu machen, sein Kriechen
vor dem Kaiser, das unermüdliche Abschicken von außerordentlichen Gesandt¬
schaften, welche in der Regel schnöde und mit Verachtung behandelt wurden,
diese Passivität, durch die er in den entscheidenden Augenblicken seine Bundes¬
genossen zur Verzweiflung bringt, Magdeburg und die deutsche Sache in die
Hände der Feinde und Fremder liefert,, diese unerquickliche Frömmigkeit eines
energielosen Schwächlings, das alles zusammengehalten macht einen sehr trüben,
peinlichen Eindruck noch nach zwei Jahrhunderten. Wie muß ein solcher Fürst
erst der Generation erscheinen, deren Schicksal ist, ihn zu ertragen.

Zur Charakteristik Gustav Adolphs folgt hier noch ein Theil der oben
erwähnten Unterhaltung mit dem Bevollmächtigten von Brandenburg, welcher
nach der Landung des Königs aus Insel Usedom infolge der Einnahme von
Stettin abgeschickt war, um den König zu einem Waffenstillstand mit den Kai¬
serlichen zu bringen. Der König lächelte über diesen Antrag, welcher von einem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/21>, abgerufen am 06.10.2024.