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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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den Vogelflinten, um von den Booten aus auf die vielen gefiederten Zwei¬
beine, welche über die Flutfläche hinflatterten, Jagd zu machen. Es ist dies
hier ein sehr ausgiebiges Vergnügen, und dem, wie man mir erzählte, viele
Bewohner der Stadt nachgehen. Ein Engländer unter letzteren ließ sich ein
eignes Boot construiren, aus welchem eine kleine Drehbasse angebracht
ist, mittelst welcher man gegen anderthalb Pfund Schrot schießen kann. Unter
die dichten Entenschwärme zielend richtet dieses Geschütz unermeßliche Ver¬
heerungen an.

Bei Beendigung der Jagd war der Abend nahe und wir senden es räthlich,
uns behufs der Rückkehr nach der Stadt einzuschiffen.


Nach Prawadi.

Nirgends vielleicht tritt der Culturunterschicd zwischen der Türkei und
Europa greller hervor, als wenn es darauf ankommt, dort eine Reise land¬
einwärts zu machen. In den bei weitem meisten Fällen zieht man es vor,
sich der Pferde dazu zu bedienen; bei der diesmaligen Tour indeß befand ich
mich in der Lage, Wagen wählen zu müssen. Das Fuhrwerk war am Abend
vorher bestellt worden, und zwar hatten die Kutscher sich bereit gesunden, den
Weg von Varna über Prawadi nach Schumla für hundert Piaster pro Wagen
zu machen, oder nach unsrem Gelde gegen ein Fuhrlohn von sechs Thalern.
Die Meile war dabei auf etwa zwölf Silbergroschen berechnet, was auch in
Deutschland für nicht zuviel angesehen werden würde.

Vcrabredetermaßen fanden wir uns um sechs Uhr Morgens vor dem
Serail ein, wo die Wagen uns erwarten sollten, unsre Diener mit Koffern
und Reisebündeln beladen, wir selbst in der leichtesten Kleidung, wie es die
herrschende warme Witterung erheischte; aber zum großen Verdruß aller war
noch nicht ein Fuhrmann angelangt. Nachdem wir eine Stunde lang ge¬
wartet, ein in der Nähe gelegenes Kaffeehaus besucht, dieser und jener einen
Tschibuck geraucht oder am Nargile (Wasserpfeife) gehockt hatten, kam endlich
der erste Wagen zur Stelle. Denken Sie sich darunter ein Fuhrwerk, wie es
bei uns in der Mark, in Sachsen und Schlesien auf den entlegensten Dörfern
nicht mehr aufzutreiben ist, aber in den Haiden von Hannover, von Mecklen¬
burg, Posen und Ostpreußen sich noch hier und dort vorfinden wird: die Aren
des Vorder- und Hinterwagenö von ungleicher Länge, im allgemeinen aber
verhältnißmäßig ziemlich kurz, das Wagengestell in Blockform construirt, aus
zum Theil unbehobeltem Holz, von Anstrich keine Rede, ebensowenig natürlich
von einer Vorrichtung, welche im entferntesten unsern Federn, behufs der
Milderung der Stöße, zu vergleichen wäre; das Ganze überspannt mit einem
weißen, an den Zipfeln mit Drachenköpfen verzierten Plantuch, welches aus


den Vogelflinten, um von den Booten aus auf die vielen gefiederten Zwei¬
beine, welche über die Flutfläche hinflatterten, Jagd zu machen. Es ist dies
hier ein sehr ausgiebiges Vergnügen, und dem, wie man mir erzählte, viele
Bewohner der Stadt nachgehen. Ein Engländer unter letzteren ließ sich ein
eignes Boot construiren, aus welchem eine kleine Drehbasse angebracht
ist, mittelst welcher man gegen anderthalb Pfund Schrot schießen kann. Unter
die dichten Entenschwärme zielend richtet dieses Geschütz unermeßliche Ver¬
heerungen an.

Bei Beendigung der Jagd war der Abend nahe und wir senden es räthlich,
uns behufs der Rückkehr nach der Stadt einzuschiffen.


Nach Prawadi.

Nirgends vielleicht tritt der Culturunterschicd zwischen der Türkei und
Europa greller hervor, als wenn es darauf ankommt, dort eine Reise land¬
einwärts zu machen. In den bei weitem meisten Fällen zieht man es vor,
sich der Pferde dazu zu bedienen; bei der diesmaligen Tour indeß befand ich
mich in der Lage, Wagen wählen zu müssen. Das Fuhrwerk war am Abend
vorher bestellt worden, und zwar hatten die Kutscher sich bereit gesunden, den
Weg von Varna über Prawadi nach Schumla für hundert Piaster pro Wagen
zu machen, oder nach unsrem Gelde gegen ein Fuhrlohn von sechs Thalern.
Die Meile war dabei auf etwa zwölf Silbergroschen berechnet, was auch in
Deutschland für nicht zuviel angesehen werden würde.

Vcrabredetermaßen fanden wir uns um sechs Uhr Morgens vor dem
Serail ein, wo die Wagen uns erwarten sollten, unsre Diener mit Koffern
und Reisebündeln beladen, wir selbst in der leichtesten Kleidung, wie es die
herrschende warme Witterung erheischte; aber zum großen Verdruß aller war
noch nicht ein Fuhrmann angelangt. Nachdem wir eine Stunde lang ge¬
wartet, ein in der Nähe gelegenes Kaffeehaus besucht, dieser und jener einen
Tschibuck geraucht oder am Nargile (Wasserpfeife) gehockt hatten, kam endlich
der erste Wagen zur Stelle. Denken Sie sich darunter ein Fuhrwerk, wie es
bei uns in der Mark, in Sachsen und Schlesien auf den entlegensten Dörfern
nicht mehr aufzutreiben ist, aber in den Haiden von Hannover, von Mecklen¬
burg, Posen und Ostpreußen sich noch hier und dort vorfinden wird: die Aren
des Vorder- und Hinterwagenö von ungleicher Länge, im allgemeinen aber
verhältnißmäßig ziemlich kurz, das Wagengestell in Blockform construirt, aus
zum Theil unbehobeltem Holz, von Anstrich keine Rede, ebensowenig natürlich
von einer Vorrichtung, welche im entferntesten unsern Federn, behufs der
Milderung der Stöße, zu vergleichen wäre; das Ganze überspannt mit einem
weißen, an den Zipfeln mit Drachenköpfen verzierten Plantuch, welches aus


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[0186] den Vogelflinten, um von den Booten aus auf die vielen gefiederten Zwei¬ beine, welche über die Flutfläche hinflatterten, Jagd zu machen. Es ist dies hier ein sehr ausgiebiges Vergnügen, und dem, wie man mir erzählte, viele Bewohner der Stadt nachgehen. Ein Engländer unter letzteren ließ sich ein eignes Boot construiren, aus welchem eine kleine Drehbasse angebracht ist, mittelst welcher man gegen anderthalb Pfund Schrot schießen kann. Unter die dichten Entenschwärme zielend richtet dieses Geschütz unermeßliche Ver¬ heerungen an. Bei Beendigung der Jagd war der Abend nahe und wir senden es räthlich, uns behufs der Rückkehr nach der Stadt einzuschiffen. Nach Prawadi. Nirgends vielleicht tritt der Culturunterschicd zwischen der Türkei und Europa greller hervor, als wenn es darauf ankommt, dort eine Reise land¬ einwärts zu machen. In den bei weitem meisten Fällen zieht man es vor, sich der Pferde dazu zu bedienen; bei der diesmaligen Tour indeß befand ich mich in der Lage, Wagen wählen zu müssen. Das Fuhrwerk war am Abend vorher bestellt worden, und zwar hatten die Kutscher sich bereit gesunden, den Weg von Varna über Prawadi nach Schumla für hundert Piaster pro Wagen zu machen, oder nach unsrem Gelde gegen ein Fuhrlohn von sechs Thalern. Die Meile war dabei auf etwa zwölf Silbergroschen berechnet, was auch in Deutschland für nicht zuviel angesehen werden würde. Vcrabredetermaßen fanden wir uns um sechs Uhr Morgens vor dem Serail ein, wo die Wagen uns erwarten sollten, unsre Diener mit Koffern und Reisebündeln beladen, wir selbst in der leichtesten Kleidung, wie es die herrschende warme Witterung erheischte; aber zum großen Verdruß aller war noch nicht ein Fuhrmann angelangt. Nachdem wir eine Stunde lang ge¬ wartet, ein in der Nähe gelegenes Kaffeehaus besucht, dieser und jener einen Tschibuck geraucht oder am Nargile (Wasserpfeife) gehockt hatten, kam endlich der erste Wagen zur Stelle. Denken Sie sich darunter ein Fuhrwerk, wie es bei uns in der Mark, in Sachsen und Schlesien auf den entlegensten Dörfern nicht mehr aufzutreiben ist, aber in den Haiden von Hannover, von Mecklen¬ burg, Posen und Ostpreußen sich noch hier und dort vorfinden wird: die Aren des Vorder- und Hinterwagenö von ungleicher Länge, im allgemeinen aber verhältnißmäßig ziemlich kurz, das Wagengestell in Blockform construirt, aus zum Theil unbehobeltem Holz, von Anstrich keine Rede, ebensowenig natürlich von einer Vorrichtung, welche im entferntesten unsern Federn, behufs der Milderung der Stöße, zu vergleichen wäre; das Ganze überspannt mit einem weißen, an den Zipfeln mit Drachenköpfen verzierten Plantuch, welches aus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/186>, abgerufen am 09.11.2024.