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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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als die gewöhnliche, ganz unbestimmte Vorstellung, aber sie setzt eine viel grö¬
ßere Zahl plebejischer Offiziere voraus, als man nach der Lage der Dinge an¬
nehmen kann, -- Sehr schön ist dagegen auseinandergesetzt, wie die tribu-
nicische Gewalt ein schreiender Widerspruch gegen alle übrigen Staatseinrich¬
tungen war und wie die Decemviralverfassung vorzugsweise aus dem Wunsch,
diese Ausnahmegewalt durch geschriebene Gesetze zu ersetzen, hervorging.

Die Verfassungskämpfe nach dem Sturze der Decemvirn sind in der ge¬
wöhnlichen Art, aber viel schärfer und anschaulicher dargestellt. Namentlich
ist hervorgehoben, wie durch die allmälige Erweiterung des Staats der Sinn
der Verfassung ein ganz anderer wurde; wie in einer Zeit, wo theoretisch die
Souveränetät der Volksversammlungen auf die Spitze gestellt war, diese prak¬
tisch ganz ohne Bedeutung waren und im wesentlichen die Rolle des englischen
Souveräns spielten, während die wirkliche Regierung, Gesetzgebung und Ver¬
waltung ausschließlich in den Händen des Senats lag, der seine. Ausgabe
auf die würdigste Weise ausführte. Ferner ist schon während dieser Periode
in der Darstellung der Feldwirthschaft und der Kolonisation das mißbräuchliche
System der Occupation von Staatsdomänen nachgewiesen, mit welchem die
gewöhnlichen Geschichtschreiber den Leser erst überraschen, wenn die Krisis
bereits eintritt/

Der Raum verbietet uns, auf die Geschichte der Kriege näher einzu¬
gehen. Meisterhaft erscheint uns namentlich die Behandlung der punischen
Kriege. Es ist noch keinem Schriftsteller gelungen, in den verschiedenen Unter¬
nehmungen de,s punischen Feldherrn jenen innern Zusammenhang und jene
Consequenz nachzuweisen, wie es hier geschehen ist. Der Verfasser vernach¬
lässigt niemals über der militärischen Auffassung die politische. Er zeigt, wie
das militärische Genie nicht von der ebenbürtigen Kraft, sondern von der
Festigkeit der politischen Institutionen besiegt wurde.

Als natürliche Ausgabe Roms, des Vororts der Jtaliker, betrachtet er
die Vereinigung zu einem Gesammtstaat, die Unterwerfung der Griechen in
Unteritalien und der Gallier in Oberitalien mit eingerechnet. Zu dieser Auf¬
gabe war die republikanische Verfassung Roms, seine Landwehr und seine Bür¬
geroffiziere vollkommen ausreichend. Mit dem ersten puttischen Kriege aber
wurde diese Aufgabe eine andere. Die bisherige bewundernswürdige Con¬
sequenz in der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten gab momentan einer
schwankenden Rathlosigkeit Raum und es zeigte sich bald, daß die Nothwen¬
digkeit der Verhältnisse den gesetzlichen Formen über den Kopf wuchs. Die
im Auslande zu führenden Kriege, das Seewesen und die Verwaltung der
Provinzen erforderten eine ganz andere Ausbildung der Finanz-, Kriegs- und
Verwaltungswissenschaft, als es in den bisherigen beschränkten Verhältnissen
möglich gewesen war. Die Ungleichheit in den Vermögensverhältnissen be-


als die gewöhnliche, ganz unbestimmte Vorstellung, aber sie setzt eine viel grö¬
ßere Zahl plebejischer Offiziere voraus, als man nach der Lage der Dinge an¬
nehmen kann, — Sehr schön ist dagegen auseinandergesetzt, wie die tribu-
nicische Gewalt ein schreiender Widerspruch gegen alle übrigen Staatseinrich¬
tungen war und wie die Decemviralverfassung vorzugsweise aus dem Wunsch,
diese Ausnahmegewalt durch geschriebene Gesetze zu ersetzen, hervorging.

Die Verfassungskämpfe nach dem Sturze der Decemvirn sind in der ge¬
wöhnlichen Art, aber viel schärfer und anschaulicher dargestellt. Namentlich
ist hervorgehoben, wie durch die allmälige Erweiterung des Staats der Sinn
der Verfassung ein ganz anderer wurde; wie in einer Zeit, wo theoretisch die
Souveränetät der Volksversammlungen auf die Spitze gestellt war, diese prak¬
tisch ganz ohne Bedeutung waren und im wesentlichen die Rolle des englischen
Souveräns spielten, während die wirkliche Regierung, Gesetzgebung und Ver¬
waltung ausschließlich in den Händen des Senats lag, der seine. Ausgabe
auf die würdigste Weise ausführte. Ferner ist schon während dieser Periode
in der Darstellung der Feldwirthschaft und der Kolonisation das mißbräuchliche
System der Occupation von Staatsdomänen nachgewiesen, mit welchem die
gewöhnlichen Geschichtschreiber den Leser erst überraschen, wenn die Krisis
bereits eintritt/

Der Raum verbietet uns, auf die Geschichte der Kriege näher einzu¬
gehen. Meisterhaft erscheint uns namentlich die Behandlung der punischen
Kriege. Es ist noch keinem Schriftsteller gelungen, in den verschiedenen Unter¬
nehmungen de,s punischen Feldherrn jenen innern Zusammenhang und jene
Consequenz nachzuweisen, wie es hier geschehen ist. Der Verfasser vernach¬
lässigt niemals über der militärischen Auffassung die politische. Er zeigt, wie
das militärische Genie nicht von der ebenbürtigen Kraft, sondern von der
Festigkeit der politischen Institutionen besiegt wurde.

Als natürliche Ausgabe Roms, des Vororts der Jtaliker, betrachtet er
die Vereinigung zu einem Gesammtstaat, die Unterwerfung der Griechen in
Unteritalien und der Gallier in Oberitalien mit eingerechnet. Zu dieser Auf¬
gabe war die republikanische Verfassung Roms, seine Landwehr und seine Bür¬
geroffiziere vollkommen ausreichend. Mit dem ersten puttischen Kriege aber
wurde diese Aufgabe eine andere. Die bisherige bewundernswürdige Con¬
sequenz in der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten gab momentan einer
schwankenden Rathlosigkeit Raum und es zeigte sich bald, daß die Nothwen¬
digkeit der Verhältnisse den gesetzlichen Formen über den Kopf wuchs. Die
im Auslande zu führenden Kriege, das Seewesen und die Verwaltung der
Provinzen erforderten eine ganz andere Ausbildung der Finanz-, Kriegs- und
Verwaltungswissenschaft, als es in den bisherigen beschränkten Verhältnissen
möglich gewesen war. Die Ungleichheit in den Vermögensverhältnissen be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/18>, abgerufen am 06.10.2024.