Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.Gustav Adolph, je nachdem er seine abstracto Idee bei ihnen findet. Parteien Verleugnung der Unmittelbarkeit und Vorherrschen einer einfachen politischen Diese Idee der Selbstgerechtigkeit oder des subjectiven Idealismus ist aller¬ ") Zuerst Fichte in der "Vesta" (180S): der abstracte Grundgedanke der Befreiung Italiens von den Barbaren sollte bet dem Florentiner die concreten Mittel rechtfertigen, man dachte an Deutschlands Befreiung von Napoleon, Ein ebenso abstractes FrciheitSpriucip ist in der gleichzeitigen "Hermannsschlacht" von Kleist. 12*
Gustav Adolph, je nachdem er seine abstracto Idee bei ihnen findet. Parteien Verleugnung der Unmittelbarkeit und Vorherrschen einer einfachen politischen Diese Idee der Selbstgerechtigkeit oder des subjectiven Idealismus ist aller¬ ") Zuerst Fichte in der „Vesta" (180S): der abstracte Grundgedanke der Befreiung Italiens von den Barbaren sollte bet dem Florentiner die concreten Mittel rechtfertigen, man dachte an Deutschlands Befreiung von Napoleon, Ein ebenso abstractes FrciheitSpriucip ist in der gleichzeitigen „Hermannsschlacht" von Kleist. 12*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0099" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96804"/> <p xml:id="ID_254" prev="#ID_253"> Gustav Adolph, je nachdem er seine abstracto Idee bei ihnen findet. Parteien<lb/> werden aber nicht durch eine abstracte Idee, sondern durch die Totalität der<lb/> Sitten, Ueberzeugungen u. s. w. gebildet. Gfrörer hat nur eine politische Idee,<lb/> die ihn leitet. Die Einheit Deutschlands in der kaiserlichen Form; das übrige<lb/> ist ihm gleichartig. Aber es liegt doch in der sittlichen und materiellen Grundlage<lb/> der kaiserlichen Würde ein gewaltiger Unterschied, und es kaun für Deutschland<lb/> nicht gleichgültig sein, ob es die katholisch-östreichische, durch die Fortdauer der<lb/> italienische» Beziehungen an das Mittelalter geknüpfte, oder die protcstautisch-<lb/> uorddentsche Einheit gewinnt.</p><lb/> <p xml:id="ID_255"> Verleugnung der Unmittelbarkeit und Vorherrschen einer einfachen politischen<lb/> Abstraction als bestimmendes Motiv, ist der Grundcharakter Gfrörers. Daher<lb/> seine rein politische Rechtfertigung der Jesuiten, in deren Wahlspruch: „der Zweck<lb/> heiligt die Mittel", jene reflectirte Politik gipfelt. Es ist nicht Sympathie mit<lb/> dem Inhalt, sondern lediglich die Frende an der Ueberlegenheit eines concentrirten<lb/> Verstandes, eines unerschütterlich festgehaltenen, im wesentlichen einfachen und<lb/> abstracten Plaus. Daher seine Apologie Macchiavellis, in der er übrigens mit<lb/> der allgemeinen Richtung der Zeit Hand in Hand ging"). Man verehrte jetzt<lb/> vor allem jene Politiker, die einem allgemeinen Princip zu Liebe, alle Gesetze<lb/> der Sittlichkeit und alle Gefühle des Herzens bei Seite setzten, mau verehrte<lb/> Richelieu, Ludwig XI., indem man sie etwas gewaltsam mit einem politischen<lb/> Ideale identificirte, daß doch erst die moderne Geschichtschreibung abstrahirt hatte;<lb/> zuletzt verehrte mau Robespierre. Eine fixe Idee wurde ein Grund zur Kano¬<lb/> nisation; in den deutscheu Burschenschafter war das lange vorbereitet. — „Die<lb/> Fürsten, sagt Gfrörer S. 37i, sind darum so hoch gestellt und vom äußern<lb/> Zwange befreit, damit sie nichts, als den wahren Vortheil des Staats vor<lb/> Augen haben. ES gibt keine höhere Rücksicht für sie, nicht Kirche oder Religion,<lb/> nicht die Menschheit. Diese Lehre ist nicht gefährlich, wie es wol beim ersten<lb/> flüchtigen Anblick scheinen mag. — Nur wenn alle Fürsten diese Regel befolgen,<lb/> und wenn jeder, der davon abweicht, sogleich, sei es durch die Umstände, sei es<lb/> durch den Ehrgeiz der andern dafür bestraft wird — über kurz oder lang geschieht<lb/> dies ohnedem immer wird das wahre Interesse der Menschheit gefördert." —</p><lb/> <p xml:id="ID_256" next="#ID_257"> Diese Idee der Selbstgerechtigkeit oder des subjectiven Idealismus ist aller¬<lb/> dings sehr ghibellimsch. Unter den deutschen Philosophen hatte sie am eifrigsten<lb/> Fichte gepredigt. Gfrörer schent sich vor keinen Consequenzen. Er vertheidigt<lb/> z. B. die schändlichen Hinrichtungen nach Unterdrückung des böhmischen Aufstandes,<lb/> aus rein weltlichen Gesichtspunkten. Er hat überall Pläne der Arrondirnngspo-</p><lb/> <note xml:id="FID_13" place="foot"> ") Zuerst Fichte in der „Vesta" (180S): der abstracte Grundgedanke der Befreiung<lb/> Italiens von den Barbaren sollte bet dem Florentiner die concreten Mittel rechtfertigen, man<lb/> dachte an Deutschlands Befreiung von Napoleon, Ein ebenso abstractes FrciheitSpriucip ist<lb/> in der gleichzeitigen „Hermannsschlacht" von Kleist.</note><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 12*</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0099]
Gustav Adolph, je nachdem er seine abstracto Idee bei ihnen findet. Parteien
werden aber nicht durch eine abstracte Idee, sondern durch die Totalität der
Sitten, Ueberzeugungen u. s. w. gebildet. Gfrörer hat nur eine politische Idee,
die ihn leitet. Die Einheit Deutschlands in der kaiserlichen Form; das übrige
ist ihm gleichartig. Aber es liegt doch in der sittlichen und materiellen Grundlage
der kaiserlichen Würde ein gewaltiger Unterschied, und es kaun für Deutschland
nicht gleichgültig sein, ob es die katholisch-östreichische, durch die Fortdauer der
italienische» Beziehungen an das Mittelalter geknüpfte, oder die protcstautisch-
uorddentsche Einheit gewinnt.
Verleugnung der Unmittelbarkeit und Vorherrschen einer einfachen politischen
Abstraction als bestimmendes Motiv, ist der Grundcharakter Gfrörers. Daher
seine rein politische Rechtfertigung der Jesuiten, in deren Wahlspruch: „der Zweck
heiligt die Mittel", jene reflectirte Politik gipfelt. Es ist nicht Sympathie mit
dem Inhalt, sondern lediglich die Frende an der Ueberlegenheit eines concentrirten
Verstandes, eines unerschütterlich festgehaltenen, im wesentlichen einfachen und
abstracten Plaus. Daher seine Apologie Macchiavellis, in der er übrigens mit
der allgemeinen Richtung der Zeit Hand in Hand ging"). Man verehrte jetzt
vor allem jene Politiker, die einem allgemeinen Princip zu Liebe, alle Gesetze
der Sittlichkeit und alle Gefühle des Herzens bei Seite setzten, mau verehrte
Richelieu, Ludwig XI., indem man sie etwas gewaltsam mit einem politischen
Ideale identificirte, daß doch erst die moderne Geschichtschreibung abstrahirt hatte;
zuletzt verehrte mau Robespierre. Eine fixe Idee wurde ein Grund zur Kano¬
nisation; in den deutscheu Burschenschafter war das lange vorbereitet. — „Die
Fürsten, sagt Gfrörer S. 37i, sind darum so hoch gestellt und vom äußern
Zwange befreit, damit sie nichts, als den wahren Vortheil des Staats vor
Augen haben. ES gibt keine höhere Rücksicht für sie, nicht Kirche oder Religion,
nicht die Menschheit. Diese Lehre ist nicht gefährlich, wie es wol beim ersten
flüchtigen Anblick scheinen mag. — Nur wenn alle Fürsten diese Regel befolgen,
und wenn jeder, der davon abweicht, sogleich, sei es durch die Umstände, sei es
durch den Ehrgeiz der andern dafür bestraft wird — über kurz oder lang geschieht
dies ohnedem immer wird das wahre Interesse der Menschheit gefördert." —
Diese Idee der Selbstgerechtigkeit oder des subjectiven Idealismus ist aller¬
dings sehr ghibellimsch. Unter den deutschen Philosophen hatte sie am eifrigsten
Fichte gepredigt. Gfrörer schent sich vor keinen Consequenzen. Er vertheidigt
z. B. die schändlichen Hinrichtungen nach Unterdrückung des böhmischen Aufstandes,
aus rein weltlichen Gesichtspunkten. Er hat überall Pläne der Arrondirnngspo-
") Zuerst Fichte in der „Vesta" (180S): der abstracte Grundgedanke der Befreiung
Italiens von den Barbaren sollte bet dem Florentiner die concreten Mittel rechtfertigen, man
dachte an Deutschlands Befreiung von Napoleon, Ein ebenso abstractes FrciheitSpriucip ist
in der gleichzeitigen „Hermannsschlacht" von Kleist.
12*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |