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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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wagt, nach dreijähriger Einstellung aller Feindseligkeiten, noch immer nicht, den
Boden seiner deutschen Erdtaube zu betreten und in dem Herzogsmautel sichzu
zeigen. Ob ihm Gefahr droht? Sicherlich und gewiß nicht! Indessen man
möchte einen Triumphzug, und der würde allerdings durch dumpfes Schweige" sich
vertreten finden. Selbst im Norden von Schleswig ist die Stimmung nicht
dänisch; die Aufhebung des Jagdrechts auf eigenem Grund und Boden hat
verletzt; es wird deu Leuten überhaupt zu viel des DanisirenS, und in dem
neuesten Kirchengebete, worin es unter anderen heißt: "Mache zu Schanden Deine
und seine (des Königs) Feinde, und laß uns ihm (dem König) treu sein, wie er
Dir treu gewesen ist", hat man eine ungeziemende Vermischung göttlicher und
politischer Dinge gefunden.

Die GesammtstaatSverfassnng soll ein Dach bilden für zwei, in ihrem innersten
Wesen, ihren Gefühlen, ihrer Bildung, Rechten, Neigungen, Bedürfnissen, Sitte
und Sprache verschiedene Nationalitäten, die überdem, wol zu merken, an Zahl
der Angehörigen fast gleich sind und vou denen die südliche die Sympathien von
ganz Deutschland noch immer für sich pulsiren weiß. Oder wäre letzterem
nicht so? Geht nach Hannover, Bremen, an den Rhein, nach Baden, Würtem-
berg, Bayern und Franken, Sachsen, Thüringen, Preußen, Mecklenburg, seht die
Vertriebenen, Geächteten, die dort ein Asyl gefunden, fragt das Volk, die Ant¬
wort wird Euch belehren! Die Griechen wurden von den Türken getrennt,
Belgien von Holland, Norwegen hat mit Schweden nur deu König gemeinsam;
Ruhe , wie Befriedigung ist dort dauernd eingetreten. Dänen und Deutsche
sollen gegen alle Geschichte, gegen die neueste blutige Erfahrung unter einer
Verfassung sich scharen und man erwartet ans beiden Seiten ein friedliches
Genügen und Dauer der Vereinigung!

Als unter dem schwankenden, nach beiden Seiten hin listigen und verheißen¬
den König Christian VIII. die ständischen Elemente in Reibung und Feuer geriethen, die
Kopenhagener Regierung blind gegen alle wahre und natürliche Auffassung der
Dinge, eine danisirende Maßregel nach der andern in die Herzogthümer hinein¬
warf, stellten die Provinzialstände, gestützt ans die Landesrechte, immer von neuem
ihre Anträge auf Trennung der Finanzen von denen des Königreichs, beschwerten
sich über Präponderation und forderten Feststellung bestimmter Quoten zu den ge¬
meinsamen Ausgaben. Die Beitragsquotcn sind gegenwärtig bestimmt, nicht etwa
in Gemeinschaft mit den Vertretern der Herzogthümer, sondern einseitig vom dänischen
Reichstage und nach einer willkürlichen Grundlage, der Ausschreibung zum Militär¬
dienste, die von dem Finanzminister sehr vortheilhaft für Dänemark erklärt wurde.
Das Königreich trägt bei drei Fünftheile, die drei Herzogthümer liefern die fehlen¬
den Zweifünftheile. Man nimmt natürlich an zu den gemeinsamen Ausgaben:
Civilliste, Apanagen, Staatsschuld, Armee, Flotte ?c. -- Aber nein! außerdem
zu rein localen dänischen Anstalten: zum Museum für nordische Alterthümer in


Wrenzboten. IV. 18ö3. 8

wagt, nach dreijähriger Einstellung aller Feindseligkeiten, noch immer nicht, den
Boden seiner deutschen Erdtaube zu betreten und in dem Herzogsmautel sichzu
zeigen. Ob ihm Gefahr droht? Sicherlich und gewiß nicht! Indessen man
möchte einen Triumphzug, und der würde allerdings durch dumpfes Schweige» sich
vertreten finden. Selbst im Norden von Schleswig ist die Stimmung nicht
dänisch; die Aufhebung des Jagdrechts auf eigenem Grund und Boden hat
verletzt; es wird deu Leuten überhaupt zu viel des DanisirenS, und in dem
neuesten Kirchengebete, worin es unter anderen heißt: „Mache zu Schanden Deine
und seine (des Königs) Feinde, und laß uns ihm (dem König) treu sein, wie er
Dir treu gewesen ist", hat man eine ungeziemende Vermischung göttlicher und
politischer Dinge gefunden.

Die GesammtstaatSverfassnng soll ein Dach bilden für zwei, in ihrem innersten
Wesen, ihren Gefühlen, ihrer Bildung, Rechten, Neigungen, Bedürfnissen, Sitte
und Sprache verschiedene Nationalitäten, die überdem, wol zu merken, an Zahl
der Angehörigen fast gleich sind und vou denen die südliche die Sympathien von
ganz Deutschland noch immer für sich pulsiren weiß. Oder wäre letzterem
nicht so? Geht nach Hannover, Bremen, an den Rhein, nach Baden, Würtem-
berg, Bayern und Franken, Sachsen, Thüringen, Preußen, Mecklenburg, seht die
Vertriebenen, Geächteten, die dort ein Asyl gefunden, fragt das Volk, die Ant¬
wort wird Euch belehren! Die Griechen wurden von den Türken getrennt,
Belgien von Holland, Norwegen hat mit Schweden nur deu König gemeinsam;
Ruhe , wie Befriedigung ist dort dauernd eingetreten. Dänen und Deutsche
sollen gegen alle Geschichte, gegen die neueste blutige Erfahrung unter einer
Verfassung sich scharen und man erwartet ans beiden Seiten ein friedliches
Genügen und Dauer der Vereinigung!

Als unter dem schwankenden, nach beiden Seiten hin listigen und verheißen¬
den König Christian VIII. die ständischen Elemente in Reibung und Feuer geriethen, die
Kopenhagener Regierung blind gegen alle wahre und natürliche Auffassung der
Dinge, eine danisirende Maßregel nach der andern in die Herzogthümer hinein¬
warf, stellten die Provinzialstände, gestützt ans die Landesrechte, immer von neuem
ihre Anträge auf Trennung der Finanzen von denen des Königreichs, beschwerten
sich über Präponderation und forderten Feststellung bestimmter Quoten zu den ge¬
meinsamen Ausgaben. Die Beitragsquotcn sind gegenwärtig bestimmt, nicht etwa
in Gemeinschaft mit den Vertretern der Herzogthümer, sondern einseitig vom dänischen
Reichstage und nach einer willkürlichen Grundlage, der Ausschreibung zum Militär¬
dienste, die von dem Finanzminister sehr vortheilhaft für Dänemark erklärt wurde.
Das Königreich trägt bei drei Fünftheile, die drei Herzogthümer liefern die fehlen¬
den Zweifünftheile. Man nimmt natürlich an zu den gemeinsamen Ausgaben:
Civilliste, Apanagen, Staatsschuld, Armee, Flotte ?c. — Aber nein! außerdem
zu rein localen dänischen Anstalten: zum Museum für nordische Alterthümer in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/65>, abgerufen am 06.02.2025.