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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Staat poliren. Ein anderes Beispiel! Die holsteinische Presse, die wohl weiß,
was sie wagen darf, solange die Gesammtstaatsmacher am Ruder sitzen, geberdet
sich zur großen Lust der Schleswig-Holsteiner gar friedlich gegen die Eiderdänen.
Gleichwol hat kein Mensch in Holstein Hehl, daß die Eiderdänen die einzige ver¬
nünftige, politische Partei in Dänemark bilden, denn die wußten doch, was sie
wollten! Bei einem solchen Zustande ist es natürlich, daß man in Dänemark in
den Herzogthümern sich irrt, man vermuthet dort Freunde und findet nur heftige
Gegner, und so umgekehrt."

"Mit der neuen Verfassung, einer octroyirten vierfachen für die Provinzen:
Dänemark, Schleswig, Holstein, Lauenburg und einer fünften für den Gesammt-
staat läßt sich nicht regieren. Natürliche Folge wird der Absolutismus sein",
heißt es an einer andern Stelle.

Der Staatsarchivar Wegener hat gegen die neue Thronfolge geschrieben, ist
angeklagt und freigesprochen; das Ministerium will ihn absetzen. ,, Wir könne"
nicht glauben", ruft die Presse aus, "daß dieser um die dänische Sache so ver¬
diente Mann auf dem Grabe Schleswig-Holsteins geopfert werden soll."

Die "fliegende Post" erzählt: "In einem vertrauliche" Kreise vou Freunden
und Gesinnungsgenossen in der Stadt Schleswig brachte ein eifriger Anhänger
des nun officiell zu Grabe getragenen Schleswig-Holsteinismus einen Toast ans
wegen des moralischen Sieges vom 6. Juli 18i9 -- dänischer Ueberfall von
Fridericia -- er lautete:


Roth und weiß ist Dänen Pracht.
Wer es trägt, der sei veracht!
Aber blau und weiß und roth,
Schleswig-Holsteins Trost in Noth,
Weht stolz von Gau bis Gau
Gänzlich hin zur Königsau!

Der Mann ist doch so bescheiden, bei der Königsau stehen zu bleiben. Vielen
Dank, Herr Doctor!" "Unsrer hier garnistvnirenden braven Soldaten Stellung,"
meldet ein Artikel von Altona, "ist keineswegs beneidenswert!). Ungeachtet ihres
bescheidenen, anspruchslosen Betragens sind sie stets Gegenstand der Chicanen
und läppischen Foppereien des Altonaer Pöbels, der natürlich nur nach höheren
Jnstructionen handelt; denn leider fehlt es uns nicht an Agitatoren, die heimlich
ihr Spiel treiben. In Wahrheit man muß die Selbstbeherrschung unsrer braven
Jansen bewundern (der dänische Bauer heißt häufig Jans mit Vornamen) diesem
Aufhetzungssystem gegenüber." Eine fernere Nummer empfiehlt dringend die
Vernichtung der Vorrechte des Adels. ""Sollen Königreich nud Herzogtümer
einen wirklichen Gesammtstaat bilden, so läßt es sich nicht verantworten, die Rechte
des Adels zu erhalten, während der Adel des Königreichs die seinigen verloren
hat. Der vollständige Umsturz der Privilegien des Schleswig-holsteinischen Adels


Staat poliren. Ein anderes Beispiel! Die holsteinische Presse, die wohl weiß,
was sie wagen darf, solange die Gesammtstaatsmacher am Ruder sitzen, geberdet
sich zur großen Lust der Schleswig-Holsteiner gar friedlich gegen die Eiderdänen.
Gleichwol hat kein Mensch in Holstein Hehl, daß die Eiderdänen die einzige ver¬
nünftige, politische Partei in Dänemark bilden, denn die wußten doch, was sie
wollten! Bei einem solchen Zustande ist es natürlich, daß man in Dänemark in
den Herzogthümern sich irrt, man vermuthet dort Freunde und findet nur heftige
Gegner, und so umgekehrt."

„Mit der neuen Verfassung, einer octroyirten vierfachen für die Provinzen:
Dänemark, Schleswig, Holstein, Lauenburg und einer fünften für den Gesammt-
staat läßt sich nicht regieren. Natürliche Folge wird der Absolutismus sein",
heißt es an einer andern Stelle.

Der Staatsarchivar Wegener hat gegen die neue Thronfolge geschrieben, ist
angeklagt und freigesprochen; das Ministerium will ihn absetzen. ,, Wir könne«
nicht glauben", ruft die Presse aus, „daß dieser um die dänische Sache so ver¬
diente Mann auf dem Grabe Schleswig-Holsteins geopfert werden soll."

Die „fliegende Post" erzählt: „In einem vertrauliche» Kreise vou Freunden
und Gesinnungsgenossen in der Stadt Schleswig brachte ein eifriger Anhänger
des nun officiell zu Grabe getragenen Schleswig-Holsteinismus einen Toast ans
wegen des moralischen Sieges vom 6. Juli 18i9 — dänischer Ueberfall von
Fridericia — er lautete:


Roth und weiß ist Dänen Pracht.
Wer es trägt, der sei veracht!
Aber blau und weiß und roth,
Schleswig-Holsteins Trost in Noth,
Weht stolz von Gau bis Gau
Gänzlich hin zur Königsau!

Der Mann ist doch so bescheiden, bei der Königsau stehen zu bleiben. Vielen
Dank, Herr Doctor!" „Unsrer hier garnistvnirenden braven Soldaten Stellung,"
meldet ein Artikel von Altona, „ist keineswegs beneidenswert!). Ungeachtet ihres
bescheidenen, anspruchslosen Betragens sind sie stets Gegenstand der Chicanen
und läppischen Foppereien des Altonaer Pöbels, der natürlich nur nach höheren
Jnstructionen handelt; denn leider fehlt es uns nicht an Agitatoren, die heimlich
ihr Spiel treiben. In Wahrheit man muß die Selbstbeherrschung unsrer braven
Jansen bewundern (der dänische Bauer heißt häufig Jans mit Vornamen) diesem
Aufhetzungssystem gegenüber." Eine fernere Nummer empfiehlt dringend die
Vernichtung der Vorrechte des Adels. „„Sollen Königreich nud Herzogtümer
einen wirklichen Gesammtstaat bilden, so läßt es sich nicht verantworten, die Rechte
des Adels zu erhalten, während der Adel des Königreichs die seinigen verloren
hat. Der vollständige Umsturz der Privilegien des Schleswig-holsteinischen Adels


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/55>, abgerufen am 06.02.2025.