Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.ledigen. Die Besorgnisse vor dem norddeutschen Übergewichte schwiegen, solange ledigen. Die Besorgnisse vor dem norddeutschen Übergewichte schwiegen, solange <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0050" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96755"/> <p xml:id="ID_114" prev="#ID_113" next="#ID_115"> ledigen. Die Besorgnisse vor dem norddeutschen Übergewichte schwiegen, solange<lb/> der Siegesrausch andauerte über den Jdstädter Zufall; in den langgedehnten<lb/> Betrachtungen, die der Friede gestattet, tauchen solche wiederum auf. Der Däne<lb/> ist von der Angst gepackt, die Frucht des dreijährigen Kampfes sich unbemerkt<lb/> aus den Händen gewunden zu sehen. Obgleich der Name Schleswig-Holstein<lb/> verschwunden, die Erinnerung <in das stammverwandte Land strafbar geworden<lb/> und alle Häupter der Erhebung gleich den Mohnköpfen des Tarquinius abgeschlagen<lb/> worden, schleicht in Kopenhagen der Argwohn einher: der Schleswig-Holsteinismus<lb/> werde doch endlich wiederum siegen und in dem beabsichtigten Gesammtstaate des<lb/> Terrains vollständig sich bemeistern. Anlaß zu diesem Gedanken, der dem Urdänen<lb/> furchtbar, ist gegeben. Der Thronfolger mußte, wie im Jahre 1448, wieder ans<lb/> einem deutschen Hanse gewählt werden, das alte 200jährige dänische Königsgesetz<lb/> untergehen, die weibliche Erbfolge der ausschließlich männlichen Succcsstonsord-<lb/> nung der Herzogtümer weiche», und das dänische Grundgesetz, ein ausgeartetes<lb/> Kind des Jahres -1849, soll gegenwärtig einer Mischung Platz machen, die dem<lb/> deutschen Schleswig-Holstciner das verfassungsmäßige Recht verleihen wird, auch<lb/> in dänischen Dingen unbehindert das Wort zu nehmen und nach den Umständen<lb/> durch seine Stimme den Ausschlag zu geben. Bereits einige achtzig Jahre, seit<lb/> Struensee, ist die Presse in Dänemark ungebunden gleich der englischen und<lb/> nordamerikanischen und fest gewurzelt in der Neigung des Volks, von jeher hat<lb/> sie die öffentlich Meinung beherrscht und natürlich zeigten vor allen die Kopen-<lb/> hagener Tageblätter sich als die dominirenden. Gegenwärtig ergießen sie sich in<lb/> eine Flut von Schmähungen und ein Heer von bildlichen Darstellungen, welche<lb/> alle warnen sollen vor der Eroberung durch Schleswig-Holstein, und zugleich<lb/> die tiefe Empfindung der neuesten Abhängigkeit von Se. Petersburg verherrlichen.<lb/> Einige Belege, die vor uns liegen, mögen dies bestätigen. Zwar hat das<lb/> Ministerium in den Debatten des Reichstags wiederholt erklärt: Nie und zu<lb/> keiner Zeit habe die dänische Gesammtmonarchie enggeschlossener und fester da¬<lb/> gestanden und vom Schleswig-Holsteinismus könne keine Rede mehr sein, der sei<lb/> todt für immer! Deutschland habe die bitteren Pillen schlucken müssen, daß der<lb/> Bnndesbeschlnß vom -17. September -1846, der durch Holstein ein Anrecht<lb/> Deutschlands auf Schleswig behauptete, und die von Dänemark anerkannte Ge¬<lb/> meinsamkeit aller öffentlichen Rechtsverhältnisse der Herzogthümer bestätigte, weg¬<lb/> fällig geworden, und dazu die neue Thronfolgcordnung, die im deutsche» Erbrechte<lb/> begründete Möglichkeit vernichte, die Herzogthümer selbstständig und vereinigt von<lb/> Dänemark abgelöst z» sehen. — Wahr ist es, jene Möglichkeit schwindet bei der der-<lb/> einstigen Thronbesteigung des unberechtigten Prinzen; von eiuer Selbstständigkeit der<lb/> Herzogthümer, die 1848 laut verkündet wurde, findet sich keine Spur mehr; die sünf-<lb/> hundertjährige Vereinigung beider Lande, von König zu König bestätigt, auch von dem<lb/> jetzt regierenden, ward völlig zerrissen! Zur Abwehr deutscher Eindringlinge, welche</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0050]
ledigen. Die Besorgnisse vor dem norddeutschen Übergewichte schwiegen, solange
der Siegesrausch andauerte über den Jdstädter Zufall; in den langgedehnten
Betrachtungen, die der Friede gestattet, tauchen solche wiederum auf. Der Däne
ist von der Angst gepackt, die Frucht des dreijährigen Kampfes sich unbemerkt
aus den Händen gewunden zu sehen. Obgleich der Name Schleswig-Holstein
verschwunden, die Erinnerung <in das stammverwandte Land strafbar geworden
und alle Häupter der Erhebung gleich den Mohnköpfen des Tarquinius abgeschlagen
worden, schleicht in Kopenhagen der Argwohn einher: der Schleswig-Holsteinismus
werde doch endlich wiederum siegen und in dem beabsichtigten Gesammtstaate des
Terrains vollständig sich bemeistern. Anlaß zu diesem Gedanken, der dem Urdänen
furchtbar, ist gegeben. Der Thronfolger mußte, wie im Jahre 1448, wieder ans
einem deutschen Hanse gewählt werden, das alte 200jährige dänische Königsgesetz
untergehen, die weibliche Erbfolge der ausschließlich männlichen Succcsstonsord-
nung der Herzogtümer weiche», und das dänische Grundgesetz, ein ausgeartetes
Kind des Jahres -1849, soll gegenwärtig einer Mischung Platz machen, die dem
deutschen Schleswig-Holstciner das verfassungsmäßige Recht verleihen wird, auch
in dänischen Dingen unbehindert das Wort zu nehmen und nach den Umständen
durch seine Stimme den Ausschlag zu geben. Bereits einige achtzig Jahre, seit
Struensee, ist die Presse in Dänemark ungebunden gleich der englischen und
nordamerikanischen und fest gewurzelt in der Neigung des Volks, von jeher hat
sie die öffentlich Meinung beherrscht und natürlich zeigten vor allen die Kopen-
hagener Tageblätter sich als die dominirenden. Gegenwärtig ergießen sie sich in
eine Flut von Schmähungen und ein Heer von bildlichen Darstellungen, welche
alle warnen sollen vor der Eroberung durch Schleswig-Holstein, und zugleich
die tiefe Empfindung der neuesten Abhängigkeit von Se. Petersburg verherrlichen.
Einige Belege, die vor uns liegen, mögen dies bestätigen. Zwar hat das
Ministerium in den Debatten des Reichstags wiederholt erklärt: Nie und zu
keiner Zeit habe die dänische Gesammtmonarchie enggeschlossener und fester da¬
gestanden und vom Schleswig-Holsteinismus könne keine Rede mehr sein, der sei
todt für immer! Deutschland habe die bitteren Pillen schlucken müssen, daß der
Bnndesbeschlnß vom -17. September -1846, der durch Holstein ein Anrecht
Deutschlands auf Schleswig behauptete, und die von Dänemark anerkannte Ge¬
meinsamkeit aller öffentlichen Rechtsverhältnisse der Herzogthümer bestätigte, weg¬
fällig geworden, und dazu die neue Thronfolgcordnung, die im deutsche» Erbrechte
begründete Möglichkeit vernichte, die Herzogthümer selbstständig und vereinigt von
Dänemark abgelöst z» sehen. — Wahr ist es, jene Möglichkeit schwindet bei der der-
einstigen Thronbesteigung des unberechtigten Prinzen; von eiuer Selbstständigkeit der
Herzogthümer, die 1848 laut verkündet wurde, findet sich keine Spur mehr; die sünf-
hundertjährige Vereinigung beider Lande, von König zu König bestätigt, auch von dem
jetzt regierenden, ward völlig zerrissen! Zur Abwehr deutscher Eindringlinge, welche
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |