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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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nehmen Herren, die ein Interesse für Musik zeigen wollten, vielfach besticht.
Eines Tages fallt einem solchen, nachdem er Kirnberger lange Zeit mit fadem
Geschwätz genirt hatte, was diesen mit Anstand zu ertrage" eine lange Ge¬
wohnheit gelehrt hatte, das Bild Bachs in die Angen. "Was?" sagt er, "der
alte Narr war so eitel sich in einem Sammetpelz malen zu lassen? er, der froh
war, wenn er als Cantor einen ordentlichen Tuchrock ans dem Leibe hatte!"
Das war Kirnberger zuviel; entrüstet sprang er ans und rief seinem Gast zu:
"Will der Schweinehund heraus!" Ganz verblüfft stand der da und begriff nicht,
wem dieser Zornesausbruch gelten solle, bis ihn die wiederholte Aufforderung, die
ein bedeutungsvoller Griff nach dem Stuhl begleitete, veranlaßte, seinen Bestich
abzukürzen. Dieses Beispiel von Verehrung ist nicht vereinzelt. Ein anderer
Schüler Bachs, der Organist Kittel in Erfurt, hatte in seinem Zimmer ein Bild
seines Lehrers, das gewöhnlich verhüllt war, und das er seinen Schülern bei
ausgezeichneten Leistungen zur Belohnung zu zeigen pflegte. So hoch achtete
man damals in der Musik die Schule, so dankbar war mau gegen den, von dem
man gelernt hatte.

Von allen Bildern dieser Sammlung ist das auffallendste, zugleich aber auch
in vieler Beziehung anziehendste, das neu entdeckte und hier zuerst gestochene
Bild Mozarts. Von wenig Künstlern wird eine allgemein giltige Vor¬
stellung in gleichem Maße populär sein, als das bekannte, überall verbreitete
Profil Mozartes ist. Die Frage nach der Beglaubigung ist daher liier sehr am
Ort. Herr C. A. Andre entdeckte und erwarb im Jahr 1859 das Oelgemälde,
nach welchem dieser Stich gemacht ist, in Mainz; es stammt aus der Verlassenschaft
des ehemaligen kurfürstl. HofgeigerS stutzt, und ist von Tischbein gemalt, als
Mozart im Jahr 1790 in Mainz war. Daß es aber wirklich Mozart darstellt
und ihm ähnlich ist, wurde von zwei Männern bezeugt, welche Mozart selbst
uoch gekannt haben, dem Professor Arentz in Mainz und dem ehemaligen Hof¬
organisten Schulz in Mannheim, der sich an Mozart noch sehr wohl von der Zeit
her erinnerte, da dieser im Hause seines Vaters in Mannheim verkehrte. Als
man diesem das Bild zeigte, ohne ihm zu sagen, wen es vorstellen solle, erkannte
er auf der Stelle mit Thränen in den Augen seinen geliebten Mozart. Diese
Zeugnisse lassen keinen Zweifel über die Authenticität des Bildes zu, das in
seiner eigenthümlichen, höchst anziehenden Mischung von Laune und Schwermuth
dem geistigen Wesen Mozarts so wohl entspricht und. uns von diesem eine ungleich
würdigere Vorstellung gibt, als man früher besaß. Das Profil, welches so all¬
gemeine Geltung erlaugt hat, ist einem Wachsmedaillvn von Pasch entnommen,
und so bestimmt auch die Verwandschaft aller darauf begründeten Porträts ist,
so ist doch sast in jedem neuen Stich irgend eine Veränderung vorgenommen und
es ist damit fast wie mit dem Profil Friedrichs des Großen gegangen, das in
jeder Caricatur noch erkennbar ist, die doch von einem ausgeführten Bild


nehmen Herren, die ein Interesse für Musik zeigen wollten, vielfach besticht.
Eines Tages fallt einem solchen, nachdem er Kirnberger lange Zeit mit fadem
Geschwätz genirt hatte, was diesen mit Anstand zu ertrage» eine lange Ge¬
wohnheit gelehrt hatte, das Bild Bachs in die Angen. „Was?" sagt er, „der
alte Narr war so eitel sich in einem Sammetpelz malen zu lassen? er, der froh
war, wenn er als Cantor einen ordentlichen Tuchrock ans dem Leibe hatte!"
Das war Kirnberger zuviel; entrüstet sprang er ans und rief seinem Gast zu:
„Will der Schweinehund heraus!" Ganz verblüfft stand der da und begriff nicht,
wem dieser Zornesausbruch gelten solle, bis ihn die wiederholte Aufforderung, die
ein bedeutungsvoller Griff nach dem Stuhl begleitete, veranlaßte, seinen Bestich
abzukürzen. Dieses Beispiel von Verehrung ist nicht vereinzelt. Ein anderer
Schüler Bachs, der Organist Kittel in Erfurt, hatte in seinem Zimmer ein Bild
seines Lehrers, das gewöhnlich verhüllt war, und das er seinen Schülern bei
ausgezeichneten Leistungen zur Belohnung zu zeigen pflegte. So hoch achtete
man damals in der Musik die Schule, so dankbar war mau gegen den, von dem
man gelernt hatte.

Von allen Bildern dieser Sammlung ist das auffallendste, zugleich aber auch
in vieler Beziehung anziehendste, das neu entdeckte und hier zuerst gestochene
Bild Mozarts. Von wenig Künstlern wird eine allgemein giltige Vor¬
stellung in gleichem Maße populär sein, als das bekannte, überall verbreitete
Profil Mozartes ist. Die Frage nach der Beglaubigung ist daher liier sehr am
Ort. Herr C. A. Andre entdeckte und erwarb im Jahr 1859 das Oelgemälde,
nach welchem dieser Stich gemacht ist, in Mainz; es stammt aus der Verlassenschaft
des ehemaligen kurfürstl. HofgeigerS stutzt, und ist von Tischbein gemalt, als
Mozart im Jahr 1790 in Mainz war. Daß es aber wirklich Mozart darstellt
und ihm ähnlich ist, wurde von zwei Männern bezeugt, welche Mozart selbst
uoch gekannt haben, dem Professor Arentz in Mainz und dem ehemaligen Hof¬
organisten Schulz in Mannheim, der sich an Mozart noch sehr wohl von der Zeit
her erinnerte, da dieser im Hause seines Vaters in Mannheim verkehrte. Als
man diesem das Bild zeigte, ohne ihm zu sagen, wen es vorstellen solle, erkannte
er auf der Stelle mit Thränen in den Augen seinen geliebten Mozart. Diese
Zeugnisse lassen keinen Zweifel über die Authenticität des Bildes zu, das in
seiner eigenthümlichen, höchst anziehenden Mischung von Laune und Schwermuth
dem geistigen Wesen Mozarts so wohl entspricht und. uns von diesem eine ungleich
würdigere Vorstellung gibt, als man früher besaß. Das Profil, welches so all¬
gemeine Geltung erlaugt hat, ist einem Wachsmedaillvn von Pasch entnommen,
und so bestimmt auch die Verwandschaft aller darauf begründeten Porträts ist,
so ist doch sast in jedem neuen Stich irgend eine Veränderung vorgenommen und
es ist damit fast wie mit dem Profil Friedrichs des Großen gegangen, das in
jeder Caricatur noch erkennbar ist, die doch von einem ausgeführten Bild


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/468>, abgerufen am 05.02.2025.