Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.unter dem Namen der Romanen. Obgleich sie von der lateinischen Kirche sich Nach hundertjähriger Herrschaft gingen die Fanarioten durch eigene Aus¬ unter dem Namen der Romanen. Obgleich sie von der lateinischen Kirche sich Nach hundertjähriger Herrschaft gingen die Fanarioten durch eigene Aus¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0450" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97155"/> <p xml:id="ID_1331" prev="#ID_1330"> unter dem Namen der Romanen. Obgleich sie von der lateinischen Kirche sich<lb/> getrennt hatten, fochten sie doch tapfer sür die Christenheit gegen den Islam, im<lb/> 1ö. Jahrhundert unter Mirza I, und Stephan dem Großen, im 16. unter natu,<lb/> im 17. unter Michel dem Tapferen, Fürsten, welche zugleich die Einheit der Ro¬<lb/> manen erstrebten. Endlich aber unterlagen sie nud das romanische Land wurde<lb/> zwischen Oestreich und der Türkei getheilt, bis auch Rußland zum Lohn für seine<lb/> treulosen Dienste seinen Antheil nahm. Die Moldau-Walachen erkannten die Sou-<lb/> veränetät des Sultans an. Zwar sicherten ihnen Kapitulationen, welche noch heute<lb/> Grundlagen des mvldau-walachischcn Staatsrcchtes sind, eine freie und nationale<lb/> Regierung: aber die Pforte verletzte diese Verträge nud ersetzte die einheimischen<lb/> Fürsten, welche seit den älteste» Zeiten von der Nation selbst gewählt wurden,<lb/> durch Fürsten ihrer eigenen Wahl. Die Griechen des Fanarviertels in Kon-<lb/> stantinopel, welche dem Divan in seinen Beziehungen zu dem Auslande als Dol¬<lb/> metscher dienten, diese Fanarivteu, welche zu Reichthum und Macht gelaugt waren,<lb/> wurden vou deu Türken mit der Regierung der Moldau und Walachei betraut.</p><lb/> <p xml:id="ID_1332"> Nach hundertjähriger Herrschaft gingen die Fanarioten durch eigene Aus¬<lb/> schweifungen zu Grunde: aber das Schicksal wollte, daß die Moldau-Walachen,<lb/> als sie von den Fanarioten sich befreiten, den Beistand "des habgierigen und<lb/> eigennützigen Rußlands annahmen und dem russischen Protectorat verfielen, das ih¬<lb/> nen weit gefährlicher ist, als die schwache Souveränetät der Pforte. Glücklicher¬<lb/> weise hat sich jedoch nach der Vertreibung der Fauarioteu in dcU Fürstentümern<lb/> eine Tendenz geltend gemacht, welche den Sieg der Russen außerordentlich schwächt.<lb/> Das unterdrückte, aber nicht erstickte Nationalgefühl ist in der Moldau-Wa¬<lb/> lachei zu einigem neuen Leben erwacht. Im Norden vou den russischen »ut polnischen<lb/> Slawen, im Süden von den illyrischen Slawen Bulgariens und Serbiens, im<lb/> Westen von den Czechen - Slawen Slavoniens und deu Magyaren eingeschlossen,<lb/> haben die Moldau-Walachen ihre romanische Nationalität sich zu erhalten ge¬<lb/> wußt. Durch Abstammung und Bildung mehr als irgend ein anderes Volk Ost¬<lb/> europas mit dem lateinischen Europa zusammenhängend, haben sie die Ideen und<lb/> Strebungen, die dort sich Bahn brachen, sich angeeignet und namentlich von<lb/> Frankreich Aufmunterung und Unterstützung empfangen. Wie die Magyaren und<lb/> Jllyrier, die Czechen, die Polen und Hellenen von Nationalgefühl beseelt, haben<lb/> sie ihr eifriges Streben auf die Entwickelung und Ausbildung ihrer Volkseigen-<lb/> thümlichkeit gerichtet und bei allen Völkerschaften ihres Stammes, die nnter tür¬<lb/> kischer, östreichischer und russischer Herrschaft stehen, „den lebhaftesten Anklang"<lb/> gefunden. Für die romanische Bewegung, für die Vereinigung von acht<lb/> Millionen Romanen, welche die Prüfungen von 17 Jahrhunderten bestanden<lb/> haben sollen, arbeite» und schreiben die Gelehrte» und Schriftsteller der Moldau-<lb/> Walachei, Siebenbürgens, der Bukowina und Bcssarabienö. In ihrer Sprache<lb/> heißen alle diese Länder Romainen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0450]
unter dem Namen der Romanen. Obgleich sie von der lateinischen Kirche sich
getrennt hatten, fochten sie doch tapfer sür die Christenheit gegen den Islam, im
1ö. Jahrhundert unter Mirza I, und Stephan dem Großen, im 16. unter natu,
im 17. unter Michel dem Tapferen, Fürsten, welche zugleich die Einheit der Ro¬
manen erstrebten. Endlich aber unterlagen sie nud das romanische Land wurde
zwischen Oestreich und der Türkei getheilt, bis auch Rußland zum Lohn für seine
treulosen Dienste seinen Antheil nahm. Die Moldau-Walachen erkannten die Sou-
veränetät des Sultans an. Zwar sicherten ihnen Kapitulationen, welche noch heute
Grundlagen des mvldau-walachischcn Staatsrcchtes sind, eine freie und nationale
Regierung: aber die Pforte verletzte diese Verträge nud ersetzte die einheimischen
Fürsten, welche seit den älteste» Zeiten von der Nation selbst gewählt wurden,
durch Fürsten ihrer eigenen Wahl. Die Griechen des Fanarviertels in Kon-
stantinopel, welche dem Divan in seinen Beziehungen zu dem Auslande als Dol¬
metscher dienten, diese Fanarivteu, welche zu Reichthum und Macht gelaugt waren,
wurden vou deu Türken mit der Regierung der Moldau und Walachei betraut.
Nach hundertjähriger Herrschaft gingen die Fanarioten durch eigene Aus¬
schweifungen zu Grunde: aber das Schicksal wollte, daß die Moldau-Walachen,
als sie von den Fanarioten sich befreiten, den Beistand "des habgierigen und
eigennützigen Rußlands annahmen und dem russischen Protectorat verfielen, das ih¬
nen weit gefährlicher ist, als die schwache Souveränetät der Pforte. Glücklicher¬
weise hat sich jedoch nach der Vertreibung der Fauarioteu in dcU Fürstentümern
eine Tendenz geltend gemacht, welche den Sieg der Russen außerordentlich schwächt.
Das unterdrückte, aber nicht erstickte Nationalgefühl ist in der Moldau-Wa¬
lachei zu einigem neuen Leben erwacht. Im Norden vou den russischen »ut polnischen
Slawen, im Süden von den illyrischen Slawen Bulgariens und Serbiens, im
Westen von den Czechen - Slawen Slavoniens und deu Magyaren eingeschlossen,
haben die Moldau-Walachen ihre romanische Nationalität sich zu erhalten ge¬
wußt. Durch Abstammung und Bildung mehr als irgend ein anderes Volk Ost¬
europas mit dem lateinischen Europa zusammenhängend, haben sie die Ideen und
Strebungen, die dort sich Bahn brachen, sich angeeignet und namentlich von
Frankreich Aufmunterung und Unterstützung empfangen. Wie die Magyaren und
Jllyrier, die Czechen, die Polen und Hellenen von Nationalgefühl beseelt, haben
sie ihr eifriges Streben auf die Entwickelung und Ausbildung ihrer Volkseigen-
thümlichkeit gerichtet und bei allen Völkerschaften ihres Stammes, die nnter tür¬
kischer, östreichischer und russischer Herrschaft stehen, „den lebhaftesten Anklang"
gefunden. Für die romanische Bewegung, für die Vereinigung von acht
Millionen Romanen, welche die Prüfungen von 17 Jahrhunderten bestanden
haben sollen, arbeite» und schreiben die Gelehrte» und Schriftsteller der Moldau-
Walachei, Siebenbürgens, der Bukowina und Bcssarabienö. In ihrer Sprache
heißen alle diese Länder Romainen.
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