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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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sind (und Sie könnten ebensogut versuchen, einem Irländer seine Kartoffeln, wie
einem Franzosen sein Oel oder einen Ersatz dafür zu nehmen). Ihre Koupes
oonsommLss (denn sie sind, mit Ausnahme von einem oder zweien, die größten
Schlucker und Csser, die mir jemals vorgekommen sind) verursachen eine große
Verschwendung von Fleisch an einem Orte, wo die Lebensbedürfnisse so theuer
sind, und machen daher eine sehr große tägliche Geldansgabe nothwendig." Was
diese Darstellung bestätigt, ist, daß OMeara dem Statthalter im Beisein des
Major Gvrrequer, seines Adjutanten, versicherte, sie brauchten in Longwood täg¬
lich 30 Pfund Rindfleisch zur Suppe, das sie bis auf die Fasern auskochten, so
daß es zu nichts mehr zu gebrauchen war. Die Lieferanten für Longwood übten
sogar eine Art Monopol auf der Jusel aus, und der Oberarzt und Vorsteher
des Militärhospitals Dr. Baxter mußte erst Einspruch bei dem Statthalter erhe¬
ben, damit von der von den Pächtern der Compagnie gelieferten Milch, die alle
für Longwood verwendet würde, etwas für seine Kranken übrig bliebe.

Nicht besser ist es mit den andern Beschwerdepunkteu der Gefangenen in
Longwood bestellt, doch müssen wir wegen derselben auf das Buch selbst ver¬
weisen, wo der wißbegierige Leser manche interessante und unerwartete Aufklärun¬
gen finden wird. Die unserem Artikel gesteckten Grenzen zwingen uns vorwärts
zu eilen und unsere Aufmerksamkeit aus deu Kern der Frage, das persönliche
Verhältniß Sir Hudson Lowes zu dem Exkaiser zu wenden. Wer blos franzö¬
sische Quelle" gelesen hat, wird Sir Hudson Löwe freilich blos als einen Sbir-
ren, einen Hauptmann corsischer Räuber, einen Schreiber aus Blüchers Haupt¬
quartier, wie thu Napoleon betitelte, kennen, und wird sich daher sehr wundern,
wenn er erfährt, daß Sir Hudson Lome ein sehr verdienter, mit deu wichtigste"
Sendungen betrauter und hochgeachteter Offizier war. Er hatte sich zuerst als
Führer eines Corps corsischer Jäger bemerklich gemacht, mit denen er im ägyp¬
tischen Feldzuge und später an der neapolitanischen Küste und bei der Eroberung
der jonischen Inseln ausgezeichnete Dienste leistete, war zwei Jahre lang Statt¬
halter auf den jonischen Inseln und wurde Anfang 1813 von der englischen Ne¬
gierung als militärisch-diplomatischer Agent in das Hauptquartier der Verbündeten
geschickt. Hier "ahn er an der Schlacht von Baichen Theil, wo er zum ersten
Mal den Mann sah, der später sein Gefangener werden sollte. "Zwischen der
Stadt Bautzen", schreibt Löwe an Lord Bathurst, "und der von de" Verbünde¬
ten eingenommenen Stellung streckt sich eine lange Bodenerhöhuug hin, welche
ziemlich steil gegen die Stadt abfällt, aber gegen die Stellung einen sanften Ab¬
hang hat. Dieses Terrain, sowie dasjenige, welches die Vorhut bei der Stadt
Bautzen und an den Ufern der Spree besetzt hielt, war am Tage vorher geräumt
worden. Am Morgen sah man auf d>er Höhe eine feindliche Truppenabtheilung
aufgestellt. Unmittelbar vor ihrer Fronte bemerkte man eine' kleine Gruppe von
Personen, welche man mit Hilfe von Fernröhren bald als vornehme Offiziere der


sind (und Sie könnten ebensogut versuchen, einem Irländer seine Kartoffeln, wie
einem Franzosen sein Oel oder einen Ersatz dafür zu nehmen). Ihre Koupes
oonsommLss (denn sie sind, mit Ausnahme von einem oder zweien, die größten
Schlucker und Csser, die mir jemals vorgekommen sind) verursachen eine große
Verschwendung von Fleisch an einem Orte, wo die Lebensbedürfnisse so theuer
sind, und machen daher eine sehr große tägliche Geldansgabe nothwendig." Was
diese Darstellung bestätigt, ist, daß OMeara dem Statthalter im Beisein des
Major Gvrrequer, seines Adjutanten, versicherte, sie brauchten in Longwood täg¬
lich 30 Pfund Rindfleisch zur Suppe, das sie bis auf die Fasern auskochten, so
daß es zu nichts mehr zu gebrauchen war. Die Lieferanten für Longwood übten
sogar eine Art Monopol auf der Jusel aus, und der Oberarzt und Vorsteher
des Militärhospitals Dr. Baxter mußte erst Einspruch bei dem Statthalter erhe¬
ben, damit von der von den Pächtern der Compagnie gelieferten Milch, die alle
für Longwood verwendet würde, etwas für seine Kranken übrig bliebe.

Nicht besser ist es mit den andern Beschwerdepunkteu der Gefangenen in
Longwood bestellt, doch müssen wir wegen derselben auf das Buch selbst ver¬
weisen, wo der wißbegierige Leser manche interessante und unerwartete Aufklärun¬
gen finden wird. Die unserem Artikel gesteckten Grenzen zwingen uns vorwärts
zu eilen und unsere Aufmerksamkeit aus deu Kern der Frage, das persönliche
Verhältniß Sir Hudson Lowes zu dem Exkaiser zu wenden. Wer blos franzö¬
sische Quelle» gelesen hat, wird Sir Hudson Löwe freilich blos als einen Sbir-
ren, einen Hauptmann corsischer Räuber, einen Schreiber aus Blüchers Haupt¬
quartier, wie thu Napoleon betitelte, kennen, und wird sich daher sehr wundern,
wenn er erfährt, daß Sir Hudson Lome ein sehr verdienter, mit deu wichtigste»
Sendungen betrauter und hochgeachteter Offizier war. Er hatte sich zuerst als
Führer eines Corps corsischer Jäger bemerklich gemacht, mit denen er im ägyp¬
tischen Feldzuge und später an der neapolitanischen Küste und bei der Eroberung
der jonischen Inseln ausgezeichnete Dienste leistete, war zwei Jahre lang Statt¬
halter auf den jonischen Inseln und wurde Anfang 1813 von der englischen Ne¬
gierung als militärisch-diplomatischer Agent in das Hauptquartier der Verbündeten
geschickt. Hier »ahn er an der Schlacht von Baichen Theil, wo er zum ersten
Mal den Mann sah, der später sein Gefangener werden sollte. „Zwischen der
Stadt Bautzen", schreibt Löwe an Lord Bathurst, „und der von de» Verbünde¬
ten eingenommenen Stellung streckt sich eine lange Bodenerhöhuug hin, welche
ziemlich steil gegen die Stadt abfällt, aber gegen die Stellung einen sanften Ab¬
hang hat. Dieses Terrain, sowie dasjenige, welches die Vorhut bei der Stadt
Bautzen und an den Ufern der Spree besetzt hielt, war am Tage vorher geräumt
worden. Am Morgen sah man auf d>er Höhe eine feindliche Truppenabtheilung
aufgestellt. Unmittelbar vor ihrer Fronte bemerkte man eine' kleine Gruppe von
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/430>, abgerufen am 06.02.2025.