Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.Gegensätze der ministeriellen Politik sind entweder zu entfernt, oder zu stumpf, oder Es ist bezeichnend, daß da" einzige politische Ereigniß, das in dieser Stille sich Die Session wird zum großen Theil mit den Regierungsvorlagen ausgefüllt wer¬ Gegensätze der ministeriellen Politik sind entweder zu entfernt, oder zu stumpf, oder Es ist bezeichnend, daß da« einzige politische Ereigniß, das in dieser Stille sich Die Session wird zum großen Theil mit den Regierungsvorlagen ausgefüllt wer¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0406" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97111"/> <p xml:id="ID_1231" prev="#ID_1230"> Gegensätze der ministeriellen Politik sind entweder zu entfernt, oder zu stumpf, oder<lb/> nicht bestimmt genug; denn uicht blos nach der Seite der äußersten Rechten, auch nach<lb/> dem Centrum hin erstrecken sich ihre Verbindungen, Die constitutionelle Partei, die<lb/> den einzigen schroffen und realen Gegensatz des Ministeriums abgeben kann, hat sich<lb/> aus der Arena der Presse zurückgezogen. Wir finden daher die Vorwürfe zum minde¬<lb/> stens dcplacirt, die man der unstreitbarcn Flachheit und Nichtigkeit der officiösen Organe<lb/> macht; eine Position, die so schwach angegriffen ist, bedarf keiner bessern Verthei¬<lb/> diger. Erschiene der Tag, wo wir nothwendig einer andern ministeriellen Presse be¬<lb/> dürften, so dürfte sich das Bedürfniß dann nicht allein auf die ministerielle Presse<lb/> beschränken. Für die Dauer der gegenwärtigen Situation können wir nicht zugeben,<lb/> daß die Regierung in ihren Prcßorganen unverhältnißmäßig schlecht vertreten sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_1232"> Es ist bezeichnend, daß da« einzige politische Ereigniß, das in dieser Stille sich<lb/> bemerkbar macht, die sich häufende Niederlegung von Mandaten der Abgeordneten beider<lb/> Kammern ist, ein Symptom, das anzeigt, daß die Indifferenz in die eigentlichen poli¬<lb/> tischen Kreise hinaufsteigt. Parteien, denen es nicht gelingt das Land für ihre Kämpfe<lb/> zu interessiren, können am Ende dem allgemeinen Loose der Erschlaffung nicht entgehen.<lb/> Obwol soviel Mandate abgegeben sind, daß die Vollzähligkeit der ersten Kammer ge¬<lb/> fährdet ist, und die Neuwahlen zur zweiten Kammer bei den kleinen Mehrheiten, die in<lb/> der letzten Session in wichtigen Fragen sich herausgestellt haben, eine politische Wich¬<lb/> tigkeit gewinnen mußten, so ist doch keine Spur von Eifer bei den Vorbereitungen zu<lb/> deu Neuwahlen bemerklich. Selbst die Kreuzzeitung, deren Partisane immer die<lb/> rührigsten waren, stößt einen Nothruf aus, ihre Anhänger aufzurütteln. Wie die Ver¬<lb/> hältnisse beschaffen sind, kann derselbe — und er betrifft die Wahlen zur ersten Kam¬<lb/> mer bei denen die liberalen Fractionen nur sehr geringe Aussichten haben — nur gegen<lb/> die Einflüsse, der Negierung gerichtet sein. Die Herren Gerlach und Stahl, die alles<lb/> gethan haben und noch thun, um die Verfassung dem Volksgeist zu entfremden und in<lb/> das Privilegien-Statut einer Kaste umzuwandeln, könnten bereits wahrnehmen, daß sie<lb/> mit allen „historischen und naturwüchsigen Organismen" nur in den Hafen der Bureau¬<lb/> kratie zurückstcucru. Wir zweifeln indeß nicht, daß sie am Scheidewege lieber der<lb/> Absolutie die ritterschaftlichste Unabhängigkeit, als dem Lande auch nur einen Theil<lb/> der' ritterschaftlichen Interessen zum Opfer bringen werden. — Unter den Abgeordneten<lb/> der zweiten Kammer, die ihr Mandat niedergelegt haben, bemerkten wir mit Bedauern<lb/> eins der thätigsten und entschiedensten Mitglieder der constttntioncllcn Partei, Herrn<lb/> Bürgers aus Cöln. Die Gründe, die ihn zum Rücktritt bewogen haben können, sind<lb/> uns völlig unbekannt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1233" next="#ID_1234"> Die Session wird zum großen Theil mit den Regierungsvorlagen ausgefüllt wer¬<lb/> den, die in der vorigen entweder verworfen oder nicht erledigt wurden. Die zweijäh¬<lb/> rige Periodicität und die sechsjährige Legislaturperiode dürsten eine hervorragende Stelle<lb/> darunter einnehmen. Bekanntlich scheiterte die letztere in der ersten Kammer nur an<lb/> dem Mißvergnügen der Junker über die Abänderung dieses Zweigs der Gesetzgebung.<lb/> Man wollte dem Ministerium seine üble Laune zeigen. Dieser Groll kann sich leicht<lb/> besänftigt, oder auch das Stimmverhältniß infolge der vielen Austritte sich geändert<lb/> haben. Die sechsjährige Legislaturperiode hat daher nur zu viel Aussicht zu reüssiien.<lb/> Die zweijährige Periodicität. wird aber hoffentlich abermals von der zweiten Kammer<lb/> verworfen werden, da Constitutionellc und Bcthman-Hollwegiancr unzweifelhaft dagegen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0406]
Gegensätze der ministeriellen Politik sind entweder zu entfernt, oder zu stumpf, oder
nicht bestimmt genug; denn uicht blos nach der Seite der äußersten Rechten, auch nach
dem Centrum hin erstrecken sich ihre Verbindungen, Die constitutionelle Partei, die
den einzigen schroffen und realen Gegensatz des Ministeriums abgeben kann, hat sich
aus der Arena der Presse zurückgezogen. Wir finden daher die Vorwürfe zum minde¬
stens dcplacirt, die man der unstreitbarcn Flachheit und Nichtigkeit der officiösen Organe
macht; eine Position, die so schwach angegriffen ist, bedarf keiner bessern Verthei¬
diger. Erschiene der Tag, wo wir nothwendig einer andern ministeriellen Presse be¬
dürften, so dürfte sich das Bedürfniß dann nicht allein auf die ministerielle Presse
beschränken. Für die Dauer der gegenwärtigen Situation können wir nicht zugeben,
daß die Regierung in ihren Prcßorganen unverhältnißmäßig schlecht vertreten sei.
Es ist bezeichnend, daß da« einzige politische Ereigniß, das in dieser Stille sich
bemerkbar macht, die sich häufende Niederlegung von Mandaten der Abgeordneten beider
Kammern ist, ein Symptom, das anzeigt, daß die Indifferenz in die eigentlichen poli¬
tischen Kreise hinaufsteigt. Parteien, denen es nicht gelingt das Land für ihre Kämpfe
zu interessiren, können am Ende dem allgemeinen Loose der Erschlaffung nicht entgehen.
Obwol soviel Mandate abgegeben sind, daß die Vollzähligkeit der ersten Kammer ge¬
fährdet ist, und die Neuwahlen zur zweiten Kammer bei den kleinen Mehrheiten, die in
der letzten Session in wichtigen Fragen sich herausgestellt haben, eine politische Wich¬
tigkeit gewinnen mußten, so ist doch keine Spur von Eifer bei den Vorbereitungen zu
deu Neuwahlen bemerklich. Selbst die Kreuzzeitung, deren Partisane immer die
rührigsten waren, stößt einen Nothruf aus, ihre Anhänger aufzurütteln. Wie die Ver¬
hältnisse beschaffen sind, kann derselbe — und er betrifft die Wahlen zur ersten Kam¬
mer bei denen die liberalen Fractionen nur sehr geringe Aussichten haben — nur gegen
die Einflüsse, der Negierung gerichtet sein. Die Herren Gerlach und Stahl, die alles
gethan haben und noch thun, um die Verfassung dem Volksgeist zu entfremden und in
das Privilegien-Statut einer Kaste umzuwandeln, könnten bereits wahrnehmen, daß sie
mit allen „historischen und naturwüchsigen Organismen" nur in den Hafen der Bureau¬
kratie zurückstcucru. Wir zweifeln indeß nicht, daß sie am Scheidewege lieber der
Absolutie die ritterschaftlichste Unabhängigkeit, als dem Lande auch nur einen Theil
der' ritterschaftlichen Interessen zum Opfer bringen werden. — Unter den Abgeordneten
der zweiten Kammer, die ihr Mandat niedergelegt haben, bemerkten wir mit Bedauern
eins der thätigsten und entschiedensten Mitglieder der constttntioncllcn Partei, Herrn
Bürgers aus Cöln. Die Gründe, die ihn zum Rücktritt bewogen haben können, sind
uns völlig unbekannt.
Die Session wird zum großen Theil mit den Regierungsvorlagen ausgefüllt wer¬
den, die in der vorigen entweder verworfen oder nicht erledigt wurden. Die zweijäh¬
rige Periodicität und die sechsjährige Legislaturperiode dürsten eine hervorragende Stelle
darunter einnehmen. Bekanntlich scheiterte die letztere in der ersten Kammer nur an
dem Mißvergnügen der Junker über die Abänderung dieses Zweigs der Gesetzgebung.
Man wollte dem Ministerium seine üble Laune zeigen. Dieser Groll kann sich leicht
besänftigt, oder auch das Stimmverhältniß infolge der vielen Austritte sich geändert
haben. Die sechsjährige Legislaturperiode hat daher nur zu viel Aussicht zu reüssiien.
Die zweijährige Periodicität. wird aber hoffentlich abermals von der zweiten Kammer
verworfen werden, da Constitutionellc und Bcthman-Hollwegiancr unzweifelhaft dagegen
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