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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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theidigt. Dazu kommt, daß die Nüssen überhaupt im kleinen Kriege minder ge¬
übt sind, als im Massenkampfe, wenn er nicht dnrch leichte Reiterei (Kosacken)
geführt werden kann. Diese ist aber in dem sumpfigen, tiefdurchschnittenen Ufer-
terrain unanwendbar. Sie kann sich erst tiefer im Land entfalten. ^

Soweit nun die Nachrichten laufen, scheinen diese Terrainbedingungen
wichtig für das Verständniß des begonnenen Kampfes gewesen zu sein. Schon
in den letzten Tagen des October hatte Omer Pascha, wahrscheinlich in der
Absicht, die russischen Concentrationen zu zerstreuen, deren Hauptmassen, wie er¬
wähnt, die Mitte und den Osten der Donaulinie besetzt hielten, am westlichsten
Ende der kleinen Walachei bei Widdin verschiedene Streifcorps und endlich eine
größere Abtheilung aus das walachische User entsendet. Nach östreichisch-russischen
Berichten war ihnen deshalb kein ernsthafter Widerstand entgegengesetzt worden,
weil (!) nach dem Vertrage von Balta-Liman den Türken ein gemeinsames Be-
satzuugörecht mit den Russen auf die Donaufürstenthümer zustehe. Soviel scheint
sicher, daß bereits am 30. October 16,000 Mann unter Namik Pascha und Ge¬
neral Prim bei Kalafat standen und dieses zu verschanzen begannen, während die
Russen auf einer Rückzugsliuie nach Crajowa sich concentrirten. Der wahre
Grund der geringen russischen Gegenwehr scheint gewesen zu sein, daß die Reiterei
im Sumpfterrain nicht operiren konnte und die Infanterie nicht genugsam von
Geschützen unterstützt war. Auch mochten die Russen diesen Uebergang nur für
einen Scheinangriff halten, was er anfänglich gewesen sein mag. Indessen, da
er gelang, war es natürlich, daß der türkische General davon Vortheil zog. Wäh¬
rend nun die russischen Bewegungen sich mehr westwärts wendeten, um dort den
Feind über die Donau zurückzuwerfen (sogar Fürst Gortschakvff reiste nach Cra¬
jowa), hatte Omer Pascha die Inselreihe von Nikopoli bis Silistria besetzt und
begann (2. November) den Uebergang aufs linke Donauufcr gleichzeitig auf fünf
Punkten: nämlich von Silistria nach Turkul, von Sistow nach Zinnitza, von
Nustschuk nach Giurgewo, vou Tutnrkai nach Oltenitza und von Silistria nach
Kalarasch. Ueberall gelang er ohne erfolgreichen Widerstand der Russen, und am
3. November folgten weitere Uebergänge auf mehren, zwischen den genannten
Orten liegenden Punkten, besonders auch noch bei Nassova und Hirsowa (beides
nordöstlich von Silistria).

Nur der Uebergang im eigentlichen Centrum der Kampflinie bei Tuturkcn-
Oltcnitza führte gleich anfangs zu einem bedeutenderen Zusammenstoß, welcher
schlachtähulich genannt werden kann. Die russische Macht betrug hier etwa 6000
Mann, die türkische ungefähr gleichviel. Das Gefecht begann in der Morgen¬
dämmerung nud entwickelte sich zunächst unmittelbar am Donauufer mit der rus¬
sischen Vorhut, indem die Türken die Fähren verließen, auf denen sie von den
Inseln herübergesetzt waren. Ihre Operation scheint erst im Moment des An-
lcmdens erkannt worden zu sein. Zuerst wichen die Russen, wurden aber dann


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theidigt. Dazu kommt, daß die Nüssen überhaupt im kleinen Kriege minder ge¬
übt sind, als im Massenkampfe, wenn er nicht dnrch leichte Reiterei (Kosacken)
geführt werden kann. Diese ist aber in dem sumpfigen, tiefdurchschnittenen Ufer-
terrain unanwendbar. Sie kann sich erst tiefer im Land entfalten. ^

Soweit nun die Nachrichten laufen, scheinen diese Terrainbedingungen
wichtig für das Verständniß des begonnenen Kampfes gewesen zu sein. Schon
in den letzten Tagen des October hatte Omer Pascha, wahrscheinlich in der
Absicht, die russischen Concentrationen zu zerstreuen, deren Hauptmassen, wie er¬
wähnt, die Mitte und den Osten der Donaulinie besetzt hielten, am westlichsten
Ende der kleinen Walachei bei Widdin verschiedene Streifcorps und endlich eine
größere Abtheilung aus das walachische User entsendet. Nach östreichisch-russischen
Berichten war ihnen deshalb kein ernsthafter Widerstand entgegengesetzt worden,
weil (!) nach dem Vertrage von Balta-Liman den Türken ein gemeinsames Be-
satzuugörecht mit den Russen auf die Donaufürstenthümer zustehe. Soviel scheint
sicher, daß bereits am 30. October 16,000 Mann unter Namik Pascha und Ge¬
neral Prim bei Kalafat standen und dieses zu verschanzen begannen, während die
Russen auf einer Rückzugsliuie nach Crajowa sich concentrirten. Der wahre
Grund der geringen russischen Gegenwehr scheint gewesen zu sein, daß die Reiterei
im Sumpfterrain nicht operiren konnte und die Infanterie nicht genugsam von
Geschützen unterstützt war. Auch mochten die Russen diesen Uebergang nur für
einen Scheinangriff halten, was er anfänglich gewesen sein mag. Indessen, da
er gelang, war es natürlich, daß der türkische General davon Vortheil zog. Wäh¬
rend nun die russischen Bewegungen sich mehr westwärts wendeten, um dort den
Feind über die Donau zurückzuwerfen (sogar Fürst Gortschakvff reiste nach Cra¬
jowa), hatte Omer Pascha die Inselreihe von Nikopoli bis Silistria besetzt und
begann (2. November) den Uebergang aufs linke Donauufcr gleichzeitig auf fünf
Punkten: nämlich von Silistria nach Turkul, von Sistow nach Zinnitza, von
Nustschuk nach Giurgewo, vou Tutnrkai nach Oltenitza und von Silistria nach
Kalarasch. Ueberall gelang er ohne erfolgreichen Widerstand der Russen, und am
3. November folgten weitere Uebergänge auf mehren, zwischen den genannten
Orten liegenden Punkten, besonders auch noch bei Nassova und Hirsowa (beides
nordöstlich von Silistria).

Nur der Uebergang im eigentlichen Centrum der Kampflinie bei Tuturkcn-
Oltcnitza führte gleich anfangs zu einem bedeutenderen Zusammenstoß, welcher
schlachtähulich genannt werden kann. Die russische Macht betrug hier etwa 6000
Mann, die türkische ungefähr gleichviel. Das Gefecht begann in der Morgen¬
dämmerung nud entwickelte sich zunächst unmittelbar am Donauufer mit der rus¬
sischen Vorhut, indem die Türken die Fähren verließen, auf denen sie von den
Inseln herübergesetzt waren. Ihre Operation scheint erst im Moment des An-
lcmdens erkannt worden zu sein. Zuerst wichen die Russen, wurden aber dann


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[0403] theidigt. Dazu kommt, daß die Nüssen überhaupt im kleinen Kriege minder ge¬ übt sind, als im Massenkampfe, wenn er nicht dnrch leichte Reiterei (Kosacken) geführt werden kann. Diese ist aber in dem sumpfigen, tiefdurchschnittenen Ufer- terrain unanwendbar. Sie kann sich erst tiefer im Land entfalten. ^ Soweit nun die Nachrichten laufen, scheinen diese Terrainbedingungen wichtig für das Verständniß des begonnenen Kampfes gewesen zu sein. Schon in den letzten Tagen des October hatte Omer Pascha, wahrscheinlich in der Absicht, die russischen Concentrationen zu zerstreuen, deren Hauptmassen, wie er¬ wähnt, die Mitte und den Osten der Donaulinie besetzt hielten, am westlichsten Ende der kleinen Walachei bei Widdin verschiedene Streifcorps und endlich eine größere Abtheilung aus das walachische User entsendet. Nach östreichisch-russischen Berichten war ihnen deshalb kein ernsthafter Widerstand entgegengesetzt worden, weil (!) nach dem Vertrage von Balta-Liman den Türken ein gemeinsames Be- satzuugörecht mit den Russen auf die Donaufürstenthümer zustehe. Soviel scheint sicher, daß bereits am 30. October 16,000 Mann unter Namik Pascha und Ge¬ neral Prim bei Kalafat standen und dieses zu verschanzen begannen, während die Russen auf einer Rückzugsliuie nach Crajowa sich concentrirten. Der wahre Grund der geringen russischen Gegenwehr scheint gewesen zu sein, daß die Reiterei im Sumpfterrain nicht operiren konnte und die Infanterie nicht genugsam von Geschützen unterstützt war. Auch mochten die Russen diesen Uebergang nur für einen Scheinangriff halten, was er anfänglich gewesen sein mag. Indessen, da er gelang, war es natürlich, daß der türkische General davon Vortheil zog. Wäh¬ rend nun die russischen Bewegungen sich mehr westwärts wendeten, um dort den Feind über die Donau zurückzuwerfen (sogar Fürst Gortschakvff reiste nach Cra¬ jowa), hatte Omer Pascha die Inselreihe von Nikopoli bis Silistria besetzt und begann (2. November) den Uebergang aufs linke Donauufcr gleichzeitig auf fünf Punkten: nämlich von Silistria nach Turkul, von Sistow nach Zinnitza, von Nustschuk nach Giurgewo, vou Tutnrkai nach Oltenitza und von Silistria nach Kalarasch. Ueberall gelang er ohne erfolgreichen Widerstand der Russen, und am 3. November folgten weitere Uebergänge auf mehren, zwischen den genannten Orten liegenden Punkten, besonders auch noch bei Nassova und Hirsowa (beides nordöstlich von Silistria). Nur der Uebergang im eigentlichen Centrum der Kampflinie bei Tuturkcn- Oltcnitza führte gleich anfangs zu einem bedeutenderen Zusammenstoß, welcher schlachtähulich genannt werden kann. Die russische Macht betrug hier etwa 6000 Mann, die türkische ungefähr gleichviel. Das Gefecht begann in der Morgen¬ dämmerung nud entwickelte sich zunächst unmittelbar am Donauufer mit der rus¬ sischen Vorhut, indem die Türken die Fähren verließen, auf denen sie von den Inseln herübergesetzt waren. Ihre Operation scheint erst im Moment des An- lcmdens erkannt worden zu sein. Zuerst wichen die Russen, wurden aber dann 30*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/403>, abgerufen am 06.02.2025.