Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.allerhöchste Personen dabei betheiligt sein. In diese allerhöchste Spitze laufen Diesen psychologischen Gedankengang verfolgt Herr Damerow dnrch alle Herr Damerow stellt nämlich die Behauptung auf und beweist sie unsers Eine kleine Bemerkung können wir uns nicht versagen. Das Buch ist im allerhöchste Personen dabei betheiligt sein. In diese allerhöchste Spitze laufen Diesen psychologischen Gedankengang verfolgt Herr Damerow dnrch alle Herr Damerow stellt nämlich die Behauptung auf und beweist sie unsers Eine kleine Bemerkung können wir uns nicht versagen. Das Buch ist im <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0388" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97093"/> <p xml:id="ID_1185" prev="#ID_1184"> allerhöchste Personen dabei betheiligt sein. In diese allerhöchste Spitze laufen<lb/> am Ende alle Seiten der Pyramide seines Wahnsinns zusammen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1186"> Diesen psychologischen Gedankengang verfolgt Herr Damerow dnrch alle<lb/> Gespräche, die er mit Sefeloge geführt habe: er hat alle Aeußerungen desselben<lb/> sorgfältig aufgezeichnet und dadurch den krankhaften Gang seiner Gedanken und<lb/> Empfindungen nach allen Richtungen des menschlichen Geistes hin ins hellste<lb/> Licht gesetzt, wenn wir auch aufrichtig gestehen müssen, daß wir bei manchen<lb/> Untersuchungen und Prüfungen das eigentliche Motiv nicht vollständig heraus¬<lb/> finden. Wir beschränken uns aus eine bestimmte Seite des Gegenstandes hinzu¬<lb/> deuten, die weder vom Mediciner noch vom Juristen bis jetzt ins Auge gefaßt ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1187"> Herr Damerow stellt nämlich die Behauptung auf und beweist sie unsers<lb/> Erachtens bis zur Evidenz, daß der Wahnstun oder daß vielmehr besondere Arten<lb/> des Wahnsinns die Zurechnungsfähigkeit nicht vollständig ausschließe», daß es<lb/> für den bei weitem größten Theil der Wahnsinnigen ein Gebiet der Handlung und<lb/> des Entschlusses gibt, auf welchem ihr Wille wenigstens mit eiuer gewissen Frei¬<lb/> heit sich bewegen kann, und daß sie also sähig sind, Verbrechen zu begehen, um<lb/> folglich in die Kategorie der Strafgewalt zu fallen. Mit' dem Satz, im allgemei¬<lb/> nen hingestellt, wie es in diesem Buch geschehen ist, wird wol jedermann ein¬<lb/> verstanden sein, es kommt nur darauf an, ihm eine bestimmte begriffliche und juristi¬<lb/> sche Form zu geben, was um so wichtiger ist, da bei der Behandlung von<lb/> Wahnsinnigen nicht blos die Rücksicht auf den Kranken, sondern auch die Rücksicht<lb/> aus die Gesellschaft, der er schädlich werdeu kauu, in Betracht kommt. Hier sind<lb/> die Begriffe mitunter noch sehr zweifelhaft nud ein gewissenhafter Jrrenarzt wird<lb/> häufig im Zweifel darüber sein, wieweit er bei der Behandlung seiner Irren le¬<lb/> diglich die sanitätischen Rücksichten vorwalten läßt und wieweit er ein gewisses<lb/> Strafrecht gegen böse Handlungen beanspruchen muß. Herr Damerow selbst<lb/> scheint darüber nicht immer vollkommen klar gewesen zu sein, und der Verrückte<lb/> hat ihn mitunter sehr scharfsinnig anf die Vermischung medicinischer und polizei¬<lb/> licher Functionen aufmerksam gemacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1188"> Eine kleine Bemerkung können wir uns nicht versagen. Das Buch ist im<lb/> strengsten Sinne wissenschaftlicher Loyalität geschrieben. Herr Damerow hatte es<lb/> also unterlassen können und sollen, es durch überschwengliche Aeußerungen einer<lb/> andern Loyalität zu würzen. Er sagt S. it, indem er das Attentat auf den<lb/> König erzählt: „Aber der Herr ließ sein Angesicht leuchten über Ihm. Das König¬<lb/> thum vou Gottes Gnaden strahlte im reinsten Glänze. Der Arm des Allmächtigen<lb/> wendete den Arm Seines, Unsres Königs zu einem Schilde sür Sein Haupt<lb/> und Herz, für des Vaterlandes Herz und Haupt. Die Wunde ward zum Wun¬<lb/> der, das schmerzensreich dahinfließende Königliche Blut Air frischen, hellen Glau¬<lb/> bensader." — So etwas gehört nach unserer Ueberzeugung nicht in ein wissen¬<lb/> schaftliches Buch.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0388]
allerhöchste Personen dabei betheiligt sein. In diese allerhöchste Spitze laufen
am Ende alle Seiten der Pyramide seines Wahnsinns zusammen."
Diesen psychologischen Gedankengang verfolgt Herr Damerow dnrch alle
Gespräche, die er mit Sefeloge geführt habe: er hat alle Aeußerungen desselben
sorgfältig aufgezeichnet und dadurch den krankhaften Gang seiner Gedanken und
Empfindungen nach allen Richtungen des menschlichen Geistes hin ins hellste
Licht gesetzt, wenn wir auch aufrichtig gestehen müssen, daß wir bei manchen
Untersuchungen und Prüfungen das eigentliche Motiv nicht vollständig heraus¬
finden. Wir beschränken uns aus eine bestimmte Seite des Gegenstandes hinzu¬
deuten, die weder vom Mediciner noch vom Juristen bis jetzt ins Auge gefaßt ist.
Herr Damerow stellt nämlich die Behauptung auf und beweist sie unsers
Erachtens bis zur Evidenz, daß der Wahnstun oder daß vielmehr besondere Arten
des Wahnsinns die Zurechnungsfähigkeit nicht vollständig ausschließe», daß es
für den bei weitem größten Theil der Wahnsinnigen ein Gebiet der Handlung und
des Entschlusses gibt, auf welchem ihr Wille wenigstens mit eiuer gewissen Frei¬
heit sich bewegen kann, und daß sie also sähig sind, Verbrechen zu begehen, um
folglich in die Kategorie der Strafgewalt zu fallen. Mit' dem Satz, im allgemei¬
nen hingestellt, wie es in diesem Buch geschehen ist, wird wol jedermann ein¬
verstanden sein, es kommt nur darauf an, ihm eine bestimmte begriffliche und juristi¬
sche Form zu geben, was um so wichtiger ist, da bei der Behandlung von
Wahnsinnigen nicht blos die Rücksicht auf den Kranken, sondern auch die Rücksicht
aus die Gesellschaft, der er schädlich werdeu kauu, in Betracht kommt. Hier sind
die Begriffe mitunter noch sehr zweifelhaft nud ein gewissenhafter Jrrenarzt wird
häufig im Zweifel darüber sein, wieweit er bei der Behandlung seiner Irren le¬
diglich die sanitätischen Rücksichten vorwalten läßt und wieweit er ein gewisses
Strafrecht gegen böse Handlungen beanspruchen muß. Herr Damerow selbst
scheint darüber nicht immer vollkommen klar gewesen zu sein, und der Verrückte
hat ihn mitunter sehr scharfsinnig anf die Vermischung medicinischer und polizei¬
licher Functionen aufmerksam gemacht.
Eine kleine Bemerkung können wir uns nicht versagen. Das Buch ist im
strengsten Sinne wissenschaftlicher Loyalität geschrieben. Herr Damerow hatte es
also unterlassen können und sollen, es durch überschwengliche Aeußerungen einer
andern Loyalität zu würzen. Er sagt S. it, indem er das Attentat auf den
König erzählt: „Aber der Herr ließ sein Angesicht leuchten über Ihm. Das König¬
thum vou Gottes Gnaden strahlte im reinsten Glänze. Der Arm des Allmächtigen
wendete den Arm Seines, Unsres Königs zu einem Schilde sür Sein Haupt
und Herz, für des Vaterlandes Herz und Haupt. Die Wunde ward zum Wun¬
der, das schmerzensreich dahinfließende Königliche Blut Air frischen, hellen Glau¬
bensader." — So etwas gehört nach unserer Ueberzeugung nicht in ein wissen¬
schaftliches Buch.
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