Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.ausgestellt, obgleich er zu manchen Zeiten und bei besonders guter Stimmung 48*
ausgestellt, obgleich er zu manchen Zeiten und bei besonders guter Stimmung 48*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0387" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97092"/> <p xml:id="ID_1184" prev="#ID_1183" next="#ID_1185"> ausgestellt, obgleich er zu manchen Zeiten und bei besonders guter Stimmung<lb/> durch auffallend verständige Aeußerungen zu überraschen wußte. Sefelvge erklärt<lb/> seiue eigene Scclenkrankheit, seinen kranken Kopf, sein krankes Gehirn auf Grund<lb/> seiner irrsinnigen Theorie, daß der Mensch geheimen Einflüssen und Verfolgungen<lb/> unterworfen sei, als ein von außen künstlich Gemachtes. Sein SeelentrankheilS-<lb/> znstand erscheint ihm als ein fremder, äußerer; es war dies der Mittelpunkt sei¬<lb/> nes Wahnsinns, daß er als Wahnsinniger sagt, daß er wahnsinnig sei. ,,Daß ein<lb/> Mensch", setzt Herr Damerow S. 23 hinzu, „sein krankes Gehirn, seineu Wahnsinn<lb/> fühle», mit seiner Vernunft darüber reflectiren kann und daß er trotzdem seiue<lb/> Wahnideen ebensowenig unterdrücken kann, als ein am Lungeukatharr Leidender das<lb/> Husten, beweist grade, daß der Wahnsinn eine Krankheit ist. Sefeloge fühlt,<lb/> daß er geisteskrank, daß ihm der Verstand von andern genommen sei. Hier¬<lb/> aus entwickelten sich allmälig alle seine andern wahnsinnigen Vorstellungen über<lb/> den Grund seiner Verrücktheit. Er behauptete, daß eS in seinem Hirnkasten<lb/> uicht mit rechten Dingen zugehe, daß der obere Theil seines Hirnschädels weich<lb/> sei, daß mau ihm in seinen Verstand gesehen habe, sein Verstand ihm fortgenom¬<lb/> men und ein anderer Verstand hineingesetzt sei. Dieser für ihn unauflösliche<lb/> Widerspruch des gesunden und kranken Selbstbewußtseins in ihm verkehrt sich<lb/> durch die zunehmende Macht des Krankhaften so, daß er den Inbegriff aller seiner<lb/> wahnsinnigen Phantasien über seiue Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, über<lb/> sein Herkommen, seine Bedeutung, Verdienst, Erfindungen, mit einem Worte, daß<lb/> er seine im Wahnsinn durch deu Wahnsinn gemachte Lebensgeschichte für seine<lb/> wirkliche Lebensgeschichte und seine wirkliche Lebensgeschichte für eine ihm ge¬<lb/> machte, eingesetzte, falsche hält. Seine Einbildungen kommen ihm vor als auf¬<lb/> steigende Erinnerungen aus seiner ihm genommenen Lebensgeschichte, seiue wirkliche<lb/> armselige Lebensgeschichte erscheint ihm dagegen aufgenöthigt, eingesetzt, seine wirk¬<lb/> liche Bestimmung sei ihm als Kind umgetauscht, er sei als Kind gemißbraucht,<lb/> man habe ihn, wie er sich ausdrückt, somnambul gemacht, habe ihn i» diesem<lb/> Zustande als Kind prophezeien lassen, die Erfindungen und Entdeckungen, welche<lb/> in ihm lagen, benutzt und aus seinem Verstände herausgenommen und die andern<lb/> eingesetzt, welche er nun für die echten seinigen habe halten müssen, bis er (d. h.<lb/> zur Zeit der beginnenden Verrücktheit) seinen eigenen wirklichen Geist erkannt habe<lb/> mit allen seinen ihm genommenen Vorzügen, Entdeckungen, Erfindungen u. s. w.,<lb/> was man alles nun nicht anerkennen wolle, und man hatte ihm daher sein Eigen¬<lb/> thum, sein Recht, seine Ehre wiedergeben müssen. Dies sei aber nicht geschehen.<lb/> Es müßten ihm diejenigen genannt werden, welche das alles an ihm gethan<lb/> hätten, solches habe er aber mit Gewißheit nicht erfahren können, er sei also als Opfer,<lb/> als Werkzeug, Instrument niederträchtig gemißbraucht; und da man ihm dies alles<lb/> verheimliche, er zu nichts komme, ja alles verdienen könne, so müßten höchste,</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 48*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0387]
ausgestellt, obgleich er zu manchen Zeiten und bei besonders guter Stimmung
durch auffallend verständige Aeußerungen zu überraschen wußte. Sefelvge erklärt
seiue eigene Scclenkrankheit, seinen kranken Kopf, sein krankes Gehirn auf Grund
seiner irrsinnigen Theorie, daß der Mensch geheimen Einflüssen und Verfolgungen
unterworfen sei, als ein von außen künstlich Gemachtes. Sein SeelentrankheilS-
znstand erscheint ihm als ein fremder, äußerer; es war dies der Mittelpunkt sei¬
nes Wahnsinns, daß er als Wahnsinniger sagt, daß er wahnsinnig sei. ,,Daß ein
Mensch", setzt Herr Damerow S. 23 hinzu, „sein krankes Gehirn, seineu Wahnsinn
fühle», mit seiner Vernunft darüber reflectiren kann und daß er trotzdem seiue
Wahnideen ebensowenig unterdrücken kann, als ein am Lungeukatharr Leidender das
Husten, beweist grade, daß der Wahnsinn eine Krankheit ist. Sefeloge fühlt,
daß er geisteskrank, daß ihm der Verstand von andern genommen sei. Hier¬
aus entwickelten sich allmälig alle seine andern wahnsinnigen Vorstellungen über
den Grund seiner Verrücktheit. Er behauptete, daß eS in seinem Hirnkasten
uicht mit rechten Dingen zugehe, daß der obere Theil seines Hirnschädels weich
sei, daß mau ihm in seinen Verstand gesehen habe, sein Verstand ihm fortgenom¬
men und ein anderer Verstand hineingesetzt sei. Dieser für ihn unauflösliche
Widerspruch des gesunden und kranken Selbstbewußtseins in ihm verkehrt sich
durch die zunehmende Macht des Krankhaften so, daß er den Inbegriff aller seiner
wahnsinnigen Phantasien über seiue Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, über
sein Herkommen, seine Bedeutung, Verdienst, Erfindungen, mit einem Worte, daß
er seine im Wahnsinn durch deu Wahnsinn gemachte Lebensgeschichte für seine
wirkliche Lebensgeschichte und seine wirkliche Lebensgeschichte für eine ihm ge¬
machte, eingesetzte, falsche hält. Seine Einbildungen kommen ihm vor als auf¬
steigende Erinnerungen aus seiner ihm genommenen Lebensgeschichte, seiue wirkliche
armselige Lebensgeschichte erscheint ihm dagegen aufgenöthigt, eingesetzt, seine wirk¬
liche Bestimmung sei ihm als Kind umgetauscht, er sei als Kind gemißbraucht,
man habe ihn, wie er sich ausdrückt, somnambul gemacht, habe ihn i» diesem
Zustande als Kind prophezeien lassen, die Erfindungen und Entdeckungen, welche
in ihm lagen, benutzt und aus seinem Verstände herausgenommen und die andern
eingesetzt, welche er nun für die echten seinigen habe halten müssen, bis er (d. h.
zur Zeit der beginnenden Verrücktheit) seinen eigenen wirklichen Geist erkannt habe
mit allen seinen ihm genommenen Vorzügen, Entdeckungen, Erfindungen u. s. w.,
was man alles nun nicht anerkennen wolle, und man hatte ihm daher sein Eigen¬
thum, sein Recht, seine Ehre wiedergeben müssen. Dies sei aber nicht geschehen.
Es müßten ihm diejenigen genannt werden, welche das alles an ihm gethan
hätten, solches habe er aber mit Gewißheit nicht erfahren können, er sei also als Opfer,
als Werkzeug, Instrument niederträchtig gemißbraucht; und da man ihm dies alles
verheimliche, er zu nichts komme, ja alles verdienen könne, so müßten höchste,
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