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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Flotte selbst dann unmöglich sei", wenn sie von einer Landarmee auf der nigri¬
schen Küste unterstützt würde, weil eben das Fahrwasser zu schmal ist. Gelänge
es, so wäre freilich auch Petersburg verloren. Denn die vielgenannte Festung
mit den fabelhaft reichen Schatzgewvlben ist beim heutigen Standpunkt der Kriegs-
wisscnschast und der Zerstörungsmittel von keiner fortificatorischen Bedeutung, so¬
bald man sich entschließt, die Stadt zu opfern. Nicht die Werke machen Kron¬
stäbe ziemlich unbesiegbar, sondern seine günstige Lage mitten im schmalen und
seichten Anfange des Meerbusens. Man kann es keine eigentliche Scefestnng
nennen, aber dafür ists ein Waffenplatz ohne Gleichen "ut ein unbesiegliches
Vorwerk der Reichshauptstadt, deren Ostflanke überdies dnrch Schlüsselburg am
Ladogasee unzugänglich gemacht ist.

Der Hafen der filmische" Hauptstadt Helsingfors ist Sweaborg. Helsingfors
selber ist zwar eine Festung, liegt aber zu tief im Lande, um für das Meer von
Bedeutung zu sein. Dagegen umschirmen die Forts von Sweaborg seinen Ha¬
fen der Art, daß derselbe noch vor wenigen Jahren uneinnehmbar gewesen sein
mag, während heute die Forts dem Bombenwnrsgeschütz und den concentrirten Bat¬
terien der Breitseiten wol ebenfalls schwerlich widerstehen dürften. Diese Forts
liegen nämlich ans acht isolirten Felsen, welche in compacteren Massen ans den
Schecrenklippcn hervorragen, von denen die ganze Küste und so auch diese
Hafenbucht umsäumt ist. Mail kann sie also als ein Bcfestignngssystem mit ab¬
gesetzten Werken bezeichnen. Die Bastionen jedes einzelnen Forts (langes,
schwarzes, Wolfs-, kleines schwarzes und großes schwarzes Ostfort, Leuchtthurminsel,
Redvuteufort) sind theils aus deu Felsen gesprengt, theils aus den vorhandenen
Massen aufgeführt, und finden ihren Knotenpunkt in der Citadelle des GnstavS-
forts. Dieser Kriegshafen würde nun als Zufluchtsort für eine Flotte von größter
Wichtigkeit sei", da er eine vortreffliche Lage und ausgezeichnetes Ticswasser be¬
sitzt. Allein für halbwegs größere Fahrzeuge ist er wegen der vorgeschobenen
Klippen selbst bei leicht bewegtem Meere nur mit größter Vorsicht, in Eile
und bei etwas stürmischem Wetter fast gar nicht zugänglich. Daher findet auch
für gewöhnlich nur derjenige Theil der 3. Division der baltischen Flotte hier
seine Unterkunft, welcher in Reval nicht untergebracht werden kann. Die eigent¬
liche Besatzung besteht größtentheils aus Landtruppen, und großartige Vorrich¬
tungen für deu Seedienst sind zwar begonnen, liegen aber so ziemlich noch in
den ersten Anfängen.

Trotz aller Mangelhaftigkeiten der Küstenbefestigung des baltischen Meeres
läßt sich nun doch nicht leugnen, daß ein Vordringen einer feindlichen Macht in
den finnischen Busen ein außerordentlich schwieriges und zweifelhaftes Unter¬
nehmen sein würde. Dagegen ist wol ebensowenig eine unmittelbare Gefahr vom
Vorbrechen einer russischen Flotte aus der Ostsee zu befürchten -- solange Dä¬
nemark wirklich neutral oder zur Verfügung des Gegners bleibt. Sobald aber


Flotte selbst dann unmöglich sei», wenn sie von einer Landarmee auf der nigri¬
schen Küste unterstützt würde, weil eben das Fahrwasser zu schmal ist. Gelänge
es, so wäre freilich auch Petersburg verloren. Denn die vielgenannte Festung
mit den fabelhaft reichen Schatzgewvlben ist beim heutigen Standpunkt der Kriegs-
wisscnschast und der Zerstörungsmittel von keiner fortificatorischen Bedeutung, so¬
bald man sich entschließt, die Stadt zu opfern. Nicht die Werke machen Kron¬
stäbe ziemlich unbesiegbar, sondern seine günstige Lage mitten im schmalen und
seichten Anfange des Meerbusens. Man kann es keine eigentliche Scefestnng
nennen, aber dafür ists ein Waffenplatz ohne Gleichen »ut ein unbesiegliches
Vorwerk der Reichshauptstadt, deren Ostflanke überdies dnrch Schlüsselburg am
Ladogasee unzugänglich gemacht ist.

Der Hafen der filmische» Hauptstadt Helsingfors ist Sweaborg. Helsingfors
selber ist zwar eine Festung, liegt aber zu tief im Lande, um für das Meer von
Bedeutung zu sein. Dagegen umschirmen die Forts von Sweaborg seinen Ha¬
fen der Art, daß derselbe noch vor wenigen Jahren uneinnehmbar gewesen sein
mag, während heute die Forts dem Bombenwnrsgeschütz und den concentrirten Bat¬
terien der Breitseiten wol ebenfalls schwerlich widerstehen dürften. Diese Forts
liegen nämlich ans acht isolirten Felsen, welche in compacteren Massen ans den
Schecrenklippcn hervorragen, von denen die ganze Küste und so auch diese
Hafenbucht umsäumt ist. Mail kann sie also als ein Bcfestignngssystem mit ab¬
gesetzten Werken bezeichnen. Die Bastionen jedes einzelnen Forts (langes,
schwarzes, Wolfs-, kleines schwarzes und großes schwarzes Ostfort, Leuchtthurminsel,
Redvuteufort) sind theils aus deu Felsen gesprengt, theils aus den vorhandenen
Massen aufgeführt, und finden ihren Knotenpunkt in der Citadelle des GnstavS-
forts. Dieser Kriegshafen würde nun als Zufluchtsort für eine Flotte von größter
Wichtigkeit sei», da er eine vortreffliche Lage und ausgezeichnetes Ticswasser be¬
sitzt. Allein für halbwegs größere Fahrzeuge ist er wegen der vorgeschobenen
Klippen selbst bei leicht bewegtem Meere nur mit größter Vorsicht, in Eile
und bei etwas stürmischem Wetter fast gar nicht zugänglich. Daher findet auch
für gewöhnlich nur derjenige Theil der 3. Division der baltischen Flotte hier
seine Unterkunft, welcher in Reval nicht untergebracht werden kann. Die eigent¬
liche Besatzung besteht größtentheils aus Landtruppen, und großartige Vorrich¬
tungen für deu Seedienst sind zwar begonnen, liegen aber so ziemlich noch in
den ersten Anfängen.

Trotz aller Mangelhaftigkeiten der Küstenbefestigung des baltischen Meeres
läßt sich nun doch nicht leugnen, daß ein Vordringen einer feindlichen Macht in
den finnischen Busen ein außerordentlich schwieriges und zweifelhaftes Unter¬
nehmen sein würde. Dagegen ist wol ebensowenig eine unmittelbare Gefahr vom
Vorbrechen einer russischen Flotte aus der Ostsee zu befürchten — solange Dä¬
nemark wirklich neutral oder zur Verfügung des Gegners bleibt. Sobald aber


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[0382] Flotte selbst dann unmöglich sei», wenn sie von einer Landarmee auf der nigri¬ schen Küste unterstützt würde, weil eben das Fahrwasser zu schmal ist. Gelänge es, so wäre freilich auch Petersburg verloren. Denn die vielgenannte Festung mit den fabelhaft reichen Schatzgewvlben ist beim heutigen Standpunkt der Kriegs- wisscnschast und der Zerstörungsmittel von keiner fortificatorischen Bedeutung, so¬ bald man sich entschließt, die Stadt zu opfern. Nicht die Werke machen Kron¬ stäbe ziemlich unbesiegbar, sondern seine günstige Lage mitten im schmalen und seichten Anfange des Meerbusens. Man kann es keine eigentliche Scefestnng nennen, aber dafür ists ein Waffenplatz ohne Gleichen »ut ein unbesiegliches Vorwerk der Reichshauptstadt, deren Ostflanke überdies dnrch Schlüsselburg am Ladogasee unzugänglich gemacht ist. Der Hafen der filmische» Hauptstadt Helsingfors ist Sweaborg. Helsingfors selber ist zwar eine Festung, liegt aber zu tief im Lande, um für das Meer von Bedeutung zu sein. Dagegen umschirmen die Forts von Sweaborg seinen Ha¬ fen der Art, daß derselbe noch vor wenigen Jahren uneinnehmbar gewesen sein mag, während heute die Forts dem Bombenwnrsgeschütz und den concentrirten Bat¬ terien der Breitseiten wol ebenfalls schwerlich widerstehen dürften. Diese Forts liegen nämlich ans acht isolirten Felsen, welche in compacteren Massen ans den Schecrenklippcn hervorragen, von denen die ganze Küste und so auch diese Hafenbucht umsäumt ist. Mail kann sie also als ein Bcfestignngssystem mit ab¬ gesetzten Werken bezeichnen. Die Bastionen jedes einzelnen Forts (langes, schwarzes, Wolfs-, kleines schwarzes und großes schwarzes Ostfort, Leuchtthurminsel, Redvuteufort) sind theils aus deu Felsen gesprengt, theils aus den vorhandenen Massen aufgeführt, und finden ihren Knotenpunkt in der Citadelle des GnstavS- forts. Dieser Kriegshafen würde nun als Zufluchtsort für eine Flotte von größter Wichtigkeit sei», da er eine vortreffliche Lage und ausgezeichnetes Ticswasser be¬ sitzt. Allein für halbwegs größere Fahrzeuge ist er wegen der vorgeschobenen Klippen selbst bei leicht bewegtem Meere nur mit größter Vorsicht, in Eile und bei etwas stürmischem Wetter fast gar nicht zugänglich. Daher findet auch für gewöhnlich nur derjenige Theil der 3. Division der baltischen Flotte hier seine Unterkunft, welcher in Reval nicht untergebracht werden kann. Die eigent¬ liche Besatzung besteht größtentheils aus Landtruppen, und großartige Vorrich¬ tungen für deu Seedienst sind zwar begonnen, liegen aber so ziemlich noch in den ersten Anfängen. Trotz aller Mangelhaftigkeiten der Küstenbefestigung des baltischen Meeres läßt sich nun doch nicht leugnen, daß ein Vordringen einer feindlichen Macht in den finnischen Busen ein außerordentlich schwieriges und zweifelhaftes Unter¬ nehmen sein würde. Dagegen ist wol ebensowenig eine unmittelbare Gefahr vom Vorbrechen einer russischen Flotte aus der Ostsee zu befürchten — solange Dä¬ nemark wirklich neutral oder zur Verfügung des Gegners bleibt. Sobald aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/382>, abgerufen am 05.02.2025.