Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.durch einen wirksamen Hebel für seine Operationen gewonnen. Gleich nach Dorals Die Bildung des neuen Ministeriums erfolgte so unmittelbar darauf (19. Sept.), Die Zusammensetzung des Cabinets verkündete deutlich einen Sieg der Constitu- durch einen wirksamen Hebel für seine Operationen gewonnen. Gleich nach Dorals Die Bildung des neuen Ministeriums erfolgte so unmittelbar darauf (19. Sept.), Die Zusammensetzung des Cabinets verkündete deutlich einen Sieg der Constitu- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0362" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97067"/> <p xml:id="ID_1109" prev="#ID_1108"> durch einen wirksamen Hebel für seine Operationen gewonnen. Gleich nach Dorals<lb/> Absetzung traf Calderon de la Barna, bisher spanischer Gesandter in Washington und<lb/> zum Minister des Aeußern ernannt, dessen Portefeuille Lcrsnndi seit Einsetzung des Ca-<lb/> binets provisorisch verwaltete, in Madrid ein. Es scheint, daß er, die Lage richtig<lb/> beurtheilend, wenig Neigung empfand, einer in jeder Hinsicht moralisch bankerotten Ver¬<lb/> waltung beizutreten, und sich mit San Luis und der Königin verständigte, während<lb/> er äußerlich sich Willens stellte, seinen Posten einzunehmen. Als Lcrsnndi die Königin<lb/> bat, den Tag zur Eidesleistung des neuen Ministers des Aeuszern zu bestimmen, ent-<lb/> gegnete Jsabella kalt, dieselbe könne ausgesetzt bleiben, bis Lersundi im Stande sei, ihr<lb/> auch einen neuen Marineminister vorzuschlagen. Lersundi, hierzu augenblicklich außer<lb/> Stande und erkennend, wie die Stimmung der Königin gegen ihn sei, deren Gunst<lb/> die einzige Stütze seiner Macht gewesen war, versammelte sofort seine College» und be¬<lb/> schloß mit ihnen, da ihnen das königliche Vertrauen entzogen, iure gemeinschaftliche<lb/> Demission einzureichen, die auch sofort angenommen wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_1110"> Die Bildung des neuen Ministeriums erfolgte so unmittelbar darauf (19. Sept.),<lb/> daß es klar wurde, es sei bereits alles dazu vorbereitet gewesen. Der Graf von Sau<lb/> Luis, der den Austrag dazu von der Königin empfing, übernahm, nebst dem Vorsitz,<lb/> das Ministerium des Innern, das er schon früher drei Jahre lang in der letzten Ver¬<lb/> waltung des Marschall Narvaez geführt. Calderon de la Barna trat in das Cabinet<lb/> als Minister des Aeußern ein, und Esteban Collantes behielt das schon unter Lersundi<lb/> von ihm innegehabte Portefeuille der öffentlichen Bauten, was die Rolle, die beide bei<lb/> dem Ministerwechsel gespielt, genugsam documentiren. Für die Finanzen wurde Domcnech<lb/> ernannt, früher gemäßigter Progressist nud 185-3 College Olozagas in dessen nur<lb/> fünftägigen Ministerium. Die Justiz erhielt der Marques von Gerona, ein Neffe des<lb/> berühmten Mariano Alvarez, Vertheidigers von Gerona im Unabhängigkeitskriege, und<lb/> Verwandter Castro y Orozcos, eines ehemals hervorragenden Modcradvchefs, der 18i7<lb/> in der Blüte des Lebens von einem jähen Tode hinweggerafft wurde. Marineminister<lb/> wurde Roca de Tvgorcs, Marques de Molius, in der gleichen Eigenschaft schon Mit¬<lb/> glied des letzten Ministeriums Narvaez, dem die spanische Marine die ersten Bestrebun¬<lb/> gen zu ihrer sichtlich fortschreitenden Wicdcrerhebnng zu danken hat. Das Kriegsmini-<lb/> sterium endlich wurde dem General Bläser überwiesen, einem Militär von Fach, der<lb/> den politischen Parteiungen fern steht.'</p><lb/> <p xml:id="ID_1111" next="#ID_1112"> Die Zusammensetzung des Cabinets verkündete deutlich einen Sieg der Constitu-<lb/> tionellen. Namen wie Dvmenech und Roca de Togores ließen erwarten, daß man mit<lb/> der Politik der drei letzten Ministerien entschieden brechen werde. Trotzdem nahm die<lb/> öffentliche Meinung die neue Verwaltung anfangs mit einer merklichen Zurückhaltung<lb/> auf, die nur die Folge der wiederholten Enttäuschungen, die das Land in letzter Zeit<lb/> erfahren, und der schmachvollen Charakterlosigkeit sein konnte, deren sich verschiedene<lb/> spanische Staatsmänner schuldig gemacht, sobald sie aus der Opposition in die Verwal¬<lb/> tung auftraten. Die einigermaßen halbe Stelle, die San Luis in den politischen Wir¬<lb/> ren, die dem Sturze Murillos folgten, gespielt hatte, diente dazu, das Mißtrauen der<lb/> entschiedenen Opposition gegen ihn wach zu erhalten. Das Cabinet hatte außerdem<lb/> das Mißgeschick, daß gleich die ersten Tage seiner Amtsführung durch die Circulation<lb/> aufrührerischer Flugschriften in der Hauptstadt und die Gerüchte von entdeckten Ver¬<lb/> schwörungen bezeichnet wurden, die, wie es scheint, einen ernsthaften Grund gehabt haben,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0362]
durch einen wirksamen Hebel für seine Operationen gewonnen. Gleich nach Dorals
Absetzung traf Calderon de la Barna, bisher spanischer Gesandter in Washington und
zum Minister des Aeußern ernannt, dessen Portefeuille Lcrsnndi seit Einsetzung des Ca-
binets provisorisch verwaltete, in Madrid ein. Es scheint, daß er, die Lage richtig
beurtheilend, wenig Neigung empfand, einer in jeder Hinsicht moralisch bankerotten Ver¬
waltung beizutreten, und sich mit San Luis und der Königin verständigte, während
er äußerlich sich Willens stellte, seinen Posten einzunehmen. Als Lcrsnndi die Königin
bat, den Tag zur Eidesleistung des neuen Ministers des Aeuszern zu bestimmen, ent-
gegnete Jsabella kalt, dieselbe könne ausgesetzt bleiben, bis Lersundi im Stande sei, ihr
auch einen neuen Marineminister vorzuschlagen. Lersundi, hierzu augenblicklich außer
Stande und erkennend, wie die Stimmung der Königin gegen ihn sei, deren Gunst
die einzige Stütze seiner Macht gewesen war, versammelte sofort seine College» und be¬
schloß mit ihnen, da ihnen das königliche Vertrauen entzogen, iure gemeinschaftliche
Demission einzureichen, die auch sofort angenommen wurde.
Die Bildung des neuen Ministeriums erfolgte so unmittelbar darauf (19. Sept.),
daß es klar wurde, es sei bereits alles dazu vorbereitet gewesen. Der Graf von Sau
Luis, der den Austrag dazu von der Königin empfing, übernahm, nebst dem Vorsitz,
das Ministerium des Innern, das er schon früher drei Jahre lang in der letzten Ver¬
waltung des Marschall Narvaez geführt. Calderon de la Barna trat in das Cabinet
als Minister des Aeußern ein, und Esteban Collantes behielt das schon unter Lersundi
von ihm innegehabte Portefeuille der öffentlichen Bauten, was die Rolle, die beide bei
dem Ministerwechsel gespielt, genugsam documentiren. Für die Finanzen wurde Domcnech
ernannt, früher gemäßigter Progressist nud 185-3 College Olozagas in dessen nur
fünftägigen Ministerium. Die Justiz erhielt der Marques von Gerona, ein Neffe des
berühmten Mariano Alvarez, Vertheidigers von Gerona im Unabhängigkeitskriege, und
Verwandter Castro y Orozcos, eines ehemals hervorragenden Modcradvchefs, der 18i7
in der Blüte des Lebens von einem jähen Tode hinweggerafft wurde. Marineminister
wurde Roca de Tvgorcs, Marques de Molius, in der gleichen Eigenschaft schon Mit¬
glied des letzten Ministeriums Narvaez, dem die spanische Marine die ersten Bestrebun¬
gen zu ihrer sichtlich fortschreitenden Wicdcrerhebnng zu danken hat. Das Kriegsmini-
sterium endlich wurde dem General Bläser überwiesen, einem Militär von Fach, der
den politischen Parteiungen fern steht.'
Die Zusammensetzung des Cabinets verkündete deutlich einen Sieg der Constitu-
tionellen. Namen wie Dvmenech und Roca de Togores ließen erwarten, daß man mit
der Politik der drei letzten Ministerien entschieden brechen werde. Trotzdem nahm die
öffentliche Meinung die neue Verwaltung anfangs mit einer merklichen Zurückhaltung
auf, die nur die Folge der wiederholten Enttäuschungen, die das Land in letzter Zeit
erfahren, und der schmachvollen Charakterlosigkeit sein konnte, deren sich verschiedene
spanische Staatsmänner schuldig gemacht, sobald sie aus der Opposition in die Verwal¬
tung auftraten. Die einigermaßen halbe Stelle, die San Luis in den politischen Wir¬
ren, die dem Sturze Murillos folgten, gespielt hatte, diente dazu, das Mißtrauen der
entschiedenen Opposition gegen ihn wach zu erhalten. Das Cabinet hatte außerdem
das Mißgeschick, daß gleich die ersten Tage seiner Amtsführung durch die Circulation
aufrührerischer Flugschriften in der Hauptstadt und die Gerüchte von entdeckten Ver¬
schwörungen bezeichnet wurden, die, wie es scheint, einen ernsthaften Grund gehabt haben,
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