Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.Mord erfüllte Land seit einigen Jahren vollständige Sicherheit genießt, so daß Unter den religiösen Gebräuchen sind mir die Art des Kreuzschlagens und das Aechtfarbig sind die Jüdinnen; aber anch die Männer, besonders die alten, Besondere Anlagen für bestimmte Thätigkeiten des menschlichen Geistes scheint Grenzbote". IV. 18ö3.
Mord erfüllte Land seit einigen Jahren vollständige Sicherheit genießt, so daß Unter den religiösen Gebräuchen sind mir die Art des Kreuzschlagens und das Aechtfarbig sind die Jüdinnen; aber anch die Männer, besonders die alten, Besondere Anlagen für bestimmte Thätigkeiten des menschlichen Geistes scheint Grenzbote». IV. 18ö3.
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Mord erfüllte Land seit einigen Jahren vollständige Sicherheit genießt, so daß
man die Donaufürstenthümer mit weit weniger Gefahr als Ungarn und Sieben¬
bürgen durchreisen kann: so hat sich in gleicher Art der Fanatismus gegen An¬
dersgläubige gelegt, und einer anerkcuuenswerth.er Toleranz Platz gemacht.
Während vor etwa dreißig Jahren ein Walache eine Jüdin mit dem Kinde auf
dem Arme auf offener Straße mit dem Säbel zusammenhieb, weil sie sich weigerte,
das Zeichen des Kreuzes zu machen, ist mir während meiner Anwesenheit in der
Walachei nur ein einziger Fall von Religionshaß vorgekommen. Sehr wohlthä¬
tig hat in dieser Beziehung die Revolution von 18i8 wenigstens in der Haupt¬
stadt gewirkt.
Unter den religiösen Gebräuchen sind mir die Art des Kreuzschlagens und das
Schminken der Leichen besonders aufgefallen. Ersteres findet mit blitzartiger Schnel¬
ligkeit unzählige Mal hintereinander beim jedesmaligen Vorübergehen vor einer
Kirche oder einem Heiligenbilde statt. Die geschminkten Leichen werden offen zu
Grabe getragen; der Anblick ist widrig, ja schauerlich. Schminke wird gar viel
in der Walachei consumirt; wer sich daraus nicht versteht oder kurzsichtig ist, muß,
wenn er durch die Straßen von Bukarest geht, glaube», die Walachei bringe lauter
Schönheiten hervor.
Aechtfarbig sind die Jüdinnen; aber anch die Männer, besonders die alten,
sind ungewöhnlich schön. Doch ist — was vielleicht nur noch an einigen Punkten
Galiziens der Fall sein dürfte — die Liederlichkeit und Prostitution bei diesem
Stamme noch größer als bei den andern Classen. Der Grund liegt zum
Theil in dem gar zu frühen Heirathen, da Walachen und Juden ihre Kinder
oft schon mit 13—14 Jahren verheirathen. Der Juden finden sich nicht viele in
der Walachei, und meines Wissens nur in den ö Gemeinden Bukarest, Ginrgewo,
Pikesche, Krajova und Braila. Ju der Hauptstadt dürfte ihre Zahl an 12,000
Seelen betragen; sie sind größtentheils Handwerker. Unter diesen ist ein Sie¬
gelstecher Namens Karfunkel eine merkwürdige Erscheinung, er ist eine wahrhafte
Künstlernatur, hat einen im ganzen Land berühmten Namen und wird sehr
theuer bezahlt.
Besondere Anlagen für bestimmte Thätigkeiten des menschlichen Geistes scheint
der Romane nicht zu haben; außer daß er wie die Slawen und Griechen viel
Sprachtalent besitzt. Mit den meisten Südvölkern hat er anch die widerlich süße
Freundlichkeit im Umgange gemein; dem Nordländer wird ganz unbehaglich und
beengt, wenn er sich so hold und schmeichlerisch anlächeln steht, während der Körper
des Sprechenden ununterbrochen gewisse Schlangenbewegungen macht. Während
die Freundlichkeit des Franzosen aufheitert, empfindet der Fremde bei dieser süd¬
lichen Freundlichkeit die Unwahrheit fortwährend, glaubt man sich von einem Hin¬
terhalt umstellt, und jedes neue Lächeln macht die Frage aufsteigen: „Was mag
der Schelm im Schilde führen?"
Grenzbote». IV. 18ö3.
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