Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.Sachsen herauszuerkennen: sie ist aus Lehm, mit Schilf gedeckt; das alte Kenn¬ Ist die Angabe jedoch richtig, so ist das nur ein Zeugniß mehr von Bei der herrschenden Handels- und Gewerbefreiheit, dem Mangel an Con- 41 '
Sachsen herauszuerkennen: sie ist aus Lehm, mit Schilf gedeckt; das alte Kenn¬ Ist die Angabe jedoch richtig, so ist das nur ein Zeugniß mehr von Bei der herrschenden Handels- und Gewerbefreiheit, dem Mangel an Con- 41 '
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0331" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97036"/> <p xml:id="ID_987" prev="#ID_986"> Sachsen herauszuerkennen: sie ist aus Lehm, mit Schilf gedeckt; das alte Kenn¬<lb/> zeichen des Volks hängt immer noch seinen, ein massenhafter echt nationaler<lb/> Schmuz. —Zwar gab mir ein hochgestellter walachischer Beamter die Bevölkerungs¬<lb/> zahl der Walachei auf mehr als 3 Millionen an; er war jedoch zu patriotisch,<lb/> als daß ich ihm hätte Glauben schenken können.</p><lb/> <p xml:id="ID_988"> Ist die Angabe jedoch richtig, so ist das nur ein Zeugniß mehr von<lb/> der Fruchtbarkeit und Wichtigkeit dieser Länder, die in Oestreichs Händen und<lb/> bei deutscher Einwanderung in wenigen Jahrzehnten einen vielfach größeren<lb/> Werth, als das lombardisch-venetianische Königreich erhalten hätten. Es hätte<lb/> ebensowenig wie jetzt in Siebenbürgen schwer gehalten, dem germanischen Elemente<lb/> das Uebergewicht zu verschaffen. Bereits hatten die Sachsen ihre Einwanderungen<lb/> begonnen. In Bukarest wohnen mehre tausend; ans der Straße von hier nach<lb/> Kronstäbe finden sich einzelne Colonien, wie freundliche Oasen in der Wüste.<lb/> Vielleicht, daß jetzt Rußland den Germanisirnngsproceß fordert; denn brauchbare<lb/> und treue Leute sind die Deutschen; sie sind in Rußland russischer, als der Zar<lb/> und in Ungarn magyarischer, als die Magyaren. Der Boden gehört größten-<lb/> theils den Bojaren; sie wohnen zum Theil in Paris, der größte Theil jedoch in<lb/> Bukarest, wo er seine kostbare Zeit und seine oft großen Einkünfte ganz auf<lb/> jene Politik wendet, die sich um i- Könige, 4 Damen, 4 Ritter und einige<lb/> Nebenpersonen dreht. Mit untergeordneten Nebendingen, wie Ackerbau und<lb/> Industrie befaßt er sich nicht. Nur ein Bojar hat sich so sehr vergessen, eine<lb/> Fabrik roher Tücher, daun eine Stearinkerzen- und eine Seifenfabrik anzulegen,<lb/> die alle gut rentiren.</p><lb/> <p xml:id="ID_989" next="#ID_990"> Bei der herrschenden Handels- und Gewerbefreiheit, dem Mangel an Con-<lb/> currenz, und der Billigkeit der Rohstoffe und Lebensmittel hätten sich große und<lb/> gewinnbringende Jndustrieanstalten schaffen lassen, wenn nicht der Adel zu faul<lb/> und dem Ausländer der Name „Walachei" zu abschreckend wäre. Ich will nur ein<lb/> Beispiel von dem absoluten Mangel an speculations- und Unternehmungsgeist hier¬<lb/> orts anführen. Die Talgkerzenerzeugnng ist in Bukarest, im Widerspruch mit der<lb/> allgemeinen Gewerbefreiheit, Monopol. Die Erklärung für diese abnorme Er¬<lb/> scheinung liegt darin, daß sich die Negierung durch die Klagen des Publicums<lb/> genöthigt gesehen hat, die Erzeugung zu verpachten, und dem Pächter die Be¬<lb/> dingung aufzulegen, stets 100,000 Oka Kerzen (die Oka ^ Wiener Pfd.) vor-<lb/> räthig zu haben. Denn bei freier Production der Seifensieder kamen die Bukarest«<lb/> öfter in die Lage, im Finstern sitzen zu müssen. Der Handel Bukarests ist bedeutend,<lb/> aber fast nur Einfuhrhandel; die Ausfuhr ist zwischen Braila und einigen minder<lb/> bedeutenden Donaustädten getheilt. Am besten stehen gegenwärtig die serbischen<lb/> Kaufleute und die fränkischen Juden. Diese, auch Espaguoleu genannt, gehören<lb/> den aus Spanien und Portugal in die Türkei eingewanderten Juden an; sie</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 41 '</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0331]
Sachsen herauszuerkennen: sie ist aus Lehm, mit Schilf gedeckt; das alte Kenn¬
zeichen des Volks hängt immer noch seinen, ein massenhafter echt nationaler
Schmuz. —Zwar gab mir ein hochgestellter walachischer Beamter die Bevölkerungs¬
zahl der Walachei auf mehr als 3 Millionen an; er war jedoch zu patriotisch,
als daß ich ihm hätte Glauben schenken können.
Ist die Angabe jedoch richtig, so ist das nur ein Zeugniß mehr von
der Fruchtbarkeit und Wichtigkeit dieser Länder, die in Oestreichs Händen und
bei deutscher Einwanderung in wenigen Jahrzehnten einen vielfach größeren
Werth, als das lombardisch-venetianische Königreich erhalten hätten. Es hätte
ebensowenig wie jetzt in Siebenbürgen schwer gehalten, dem germanischen Elemente
das Uebergewicht zu verschaffen. Bereits hatten die Sachsen ihre Einwanderungen
begonnen. In Bukarest wohnen mehre tausend; ans der Straße von hier nach
Kronstäbe finden sich einzelne Colonien, wie freundliche Oasen in der Wüste.
Vielleicht, daß jetzt Rußland den Germanisirnngsproceß fordert; denn brauchbare
und treue Leute sind die Deutschen; sie sind in Rußland russischer, als der Zar
und in Ungarn magyarischer, als die Magyaren. Der Boden gehört größten-
theils den Bojaren; sie wohnen zum Theil in Paris, der größte Theil jedoch in
Bukarest, wo er seine kostbare Zeit und seine oft großen Einkünfte ganz auf
jene Politik wendet, die sich um i- Könige, 4 Damen, 4 Ritter und einige
Nebenpersonen dreht. Mit untergeordneten Nebendingen, wie Ackerbau und
Industrie befaßt er sich nicht. Nur ein Bojar hat sich so sehr vergessen, eine
Fabrik roher Tücher, daun eine Stearinkerzen- und eine Seifenfabrik anzulegen,
die alle gut rentiren.
Bei der herrschenden Handels- und Gewerbefreiheit, dem Mangel an Con-
currenz, und der Billigkeit der Rohstoffe und Lebensmittel hätten sich große und
gewinnbringende Jndustrieanstalten schaffen lassen, wenn nicht der Adel zu faul
und dem Ausländer der Name „Walachei" zu abschreckend wäre. Ich will nur ein
Beispiel von dem absoluten Mangel an speculations- und Unternehmungsgeist hier¬
orts anführen. Die Talgkerzenerzeugnng ist in Bukarest, im Widerspruch mit der
allgemeinen Gewerbefreiheit, Monopol. Die Erklärung für diese abnorme Er¬
scheinung liegt darin, daß sich die Negierung durch die Klagen des Publicums
genöthigt gesehen hat, die Erzeugung zu verpachten, und dem Pächter die Be¬
dingung aufzulegen, stets 100,000 Oka Kerzen (die Oka ^ Wiener Pfd.) vor-
räthig zu haben. Denn bei freier Production der Seifensieder kamen die Bukarest«
öfter in die Lage, im Finstern sitzen zu müssen. Der Handel Bukarests ist bedeutend,
aber fast nur Einfuhrhandel; die Ausfuhr ist zwischen Braila und einigen minder
bedeutenden Donaustädten getheilt. Am besten stehen gegenwärtig die serbischen
Kaufleute und die fränkischen Juden. Diese, auch Espaguoleu genannt, gehören
den aus Spanien und Portugal in die Türkei eingewanderten Juden an; sie
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