Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.zu entziehen. Seit zwei Jahren haben wirklich bezahlte Concerte nnr zwei Künstler Die Literatur ist auch apathisch geworden, und selbst die Nomanliteratur zu entziehen. Seit zwei Jahren haben wirklich bezahlte Concerte nnr zwei Künstler Die Literatur ist auch apathisch geworden, und selbst die Nomanliteratur <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0317" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97022"/> <p xml:id="ID_941" prev="#ID_940"> zu entziehen. Seit zwei Jahren haben wirklich bezahlte Concerte nnr zwei Künstler<lb/> hier zuwege gebracht, Vienxtcmps und Wilhelmine Clanß — alle andern sind<lb/> im besten Falle auf ihre Kosten gekommen. Sie werden aus diesen Praemifsen<lb/> folgern wollen, daß die Concerte im Abnehmen sein dürften, und doch ist grade<lb/> das Gegentheil der Fall. Man gibt jetzt Concerte, wie man zu einer Zeit in<lb/> Deutschland Verse machte oder hier ein Proverb. Wer hat sich nicht wenigstens<lb/> einmal diesen unschuldigen Zeitvertreib gemacht?</p><lb/> <p xml:id="ID_942" next="#ID_943"> Die Literatur ist auch apathisch geworden, und selbst die Nomanliteratur<lb/> scheint im Feuilleton ihren seligen Tod gefunden z» haben. Unter den unzähligen<lb/> Romanen, die täglich unter der Presse hervorgehen, ist kaum ein einziger, von dem<lb/> einige Erwähnung gemacht wird, und selbst George Sands letzte beiden Romane:<lb/> lMIeul und ZVIont roveede gingen ganz spurlos vorüber. Die geniale Schrift¬<lb/> stellerin hat auch ihre Vorliebe seit lange dem Drama zugewendet, und trotz<lb/> ihrer unentschiedenen Erfolge bleibt sie mit anerkennenswerther Beharrlichkeit ans<lb/> der zuletzt betretenen Bahn. Wir glauben, sie hat Recht, »ut sind überzeugt,<lb/> sie wird anch in diesem Zweige endlich Bedeutendes leisten. Was mich am meiste»<lb/> in meiner Hoffnung bestärkt, ist, daß George Sand unangefochten von der Kritik<lb/> das Dorfgcure solange festgehalten, bis sie es nach allen Seiten hin erschöpft<lb/> hatte. Sie sprang nicht wie die andern von der Tragödie auf die Komödie, von<lb/> der Dorfgeschichte zum Salvudrama. Mit Ansnahme der Dramen du Foyer<lb/> und der Vacances de Paudolphe, welches letztere auch nicht mehr als eine Idylle<lb/> ist — hat George Sand sich ihre dramatischen Stoffe im Landleben gewählt und<lb/> mit dem Pressoir, der trotz vieler Mängel eine höchst interessante und anziehende<lb/> Arbeit genannt werden muß, diese Phase, die nach ihr anch in die Oper über¬<lb/> ging, geschlossen. Nun will sie mit Mauprat eine neue Reihe von Versuchen be¬<lb/> ginnen, und wer sich an den merkwürdigen Roman erinnert, wird zugeben, daß<lb/> daraus allerdings ein Drama zu machen ist, besonders ein Saudisches, das zwi¬<lb/> schen Balzacs analysirendcr und der französischen überstürzenden Manier die Mitte<lb/> hält. > Am meisten Dank wissen wir es den dramatischen Beiträgen von<lb/> George Sand, daß sie sich nicht blos mit einem dramatischen Gerippe,<lb/> mit überraschenden Situationen, mit auffallenden Schlagworten begnügt, son¬<lb/> dern als wahrer Poet und Künstler auf Ausarbeitung des Details soviel<lb/> Fleiß und Liebe verwendet. Bei dem vortrefflichen Spiele der hiesigen Schau¬<lb/> spieler muß auch der halbanfmertsame Zuschauer die leiseste Intention deö Dichters<lb/> inne werden, und es scheint uns immerhin mehr der wahren Kunst würdig, dnrch<lb/> solche Mittel auf das Publicum zu wirken als durch dies grobe Fabrikverfahren<lb/> unserer dramatischen Lampieukünstler, die »ur auf die optische Täuschung eines Mo¬<lb/> mentes rechnen. Heute Abend sehen wir ein fünfactiges Drama: l^riL Mu-nov<lb/> Ä'^xrippö ä'/wbiKi^ im Theater FranyaiS zum ersten Male. Agrippe d'Aubigny</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0317]
zu entziehen. Seit zwei Jahren haben wirklich bezahlte Concerte nnr zwei Künstler
hier zuwege gebracht, Vienxtcmps und Wilhelmine Clanß — alle andern sind
im besten Falle auf ihre Kosten gekommen. Sie werden aus diesen Praemifsen
folgern wollen, daß die Concerte im Abnehmen sein dürften, und doch ist grade
das Gegentheil der Fall. Man gibt jetzt Concerte, wie man zu einer Zeit in
Deutschland Verse machte oder hier ein Proverb. Wer hat sich nicht wenigstens
einmal diesen unschuldigen Zeitvertreib gemacht?
Die Literatur ist auch apathisch geworden, und selbst die Nomanliteratur
scheint im Feuilleton ihren seligen Tod gefunden z» haben. Unter den unzähligen
Romanen, die täglich unter der Presse hervorgehen, ist kaum ein einziger, von dem
einige Erwähnung gemacht wird, und selbst George Sands letzte beiden Romane:
lMIeul und ZVIont roveede gingen ganz spurlos vorüber. Die geniale Schrift¬
stellerin hat auch ihre Vorliebe seit lange dem Drama zugewendet, und trotz
ihrer unentschiedenen Erfolge bleibt sie mit anerkennenswerther Beharrlichkeit ans
der zuletzt betretenen Bahn. Wir glauben, sie hat Recht, »ut sind überzeugt,
sie wird anch in diesem Zweige endlich Bedeutendes leisten. Was mich am meiste»
in meiner Hoffnung bestärkt, ist, daß George Sand unangefochten von der Kritik
das Dorfgcure solange festgehalten, bis sie es nach allen Seiten hin erschöpft
hatte. Sie sprang nicht wie die andern von der Tragödie auf die Komödie, von
der Dorfgeschichte zum Salvudrama. Mit Ansnahme der Dramen du Foyer
und der Vacances de Paudolphe, welches letztere auch nicht mehr als eine Idylle
ist — hat George Sand sich ihre dramatischen Stoffe im Landleben gewählt und
mit dem Pressoir, der trotz vieler Mängel eine höchst interessante und anziehende
Arbeit genannt werden muß, diese Phase, die nach ihr anch in die Oper über¬
ging, geschlossen. Nun will sie mit Mauprat eine neue Reihe von Versuchen be¬
ginnen, und wer sich an den merkwürdigen Roman erinnert, wird zugeben, daß
daraus allerdings ein Drama zu machen ist, besonders ein Saudisches, das zwi¬
schen Balzacs analysirendcr und der französischen überstürzenden Manier die Mitte
hält. > Am meisten Dank wissen wir es den dramatischen Beiträgen von
George Sand, daß sie sich nicht blos mit einem dramatischen Gerippe,
mit überraschenden Situationen, mit auffallenden Schlagworten begnügt, son¬
dern als wahrer Poet und Künstler auf Ausarbeitung des Details soviel
Fleiß und Liebe verwendet. Bei dem vortrefflichen Spiele der hiesigen Schau¬
spieler muß auch der halbanfmertsame Zuschauer die leiseste Intention deö Dichters
inne werden, und es scheint uns immerhin mehr der wahren Kunst würdig, dnrch
solche Mittel auf das Publicum zu wirken als durch dies grobe Fabrikverfahren
unserer dramatischen Lampieukünstler, die »ur auf die optische Täuschung eines Mo¬
mentes rechnen. Heute Abend sehen wir ein fünfactiges Drama: l^riL Mu-nov
Ä'^xrippö ä'/wbiKi^ im Theater FranyaiS zum ersten Male. Agrippe d'Aubigny
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