Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.blos, wohin diese Rüstungen zielen, ob sie blos dem guten Leumund geopfert Die Stimmung hier hat sich insofern geändert, daß man jetzt im allgemei¬ So kaun auch in diesem Augenblicke kein wirkliches Kunstinteresse aufkommen, blos, wohin diese Rüstungen zielen, ob sie blos dem guten Leumund geopfert Die Stimmung hier hat sich insofern geändert, daß man jetzt im allgemei¬ So kaun auch in diesem Augenblicke kein wirkliches Kunstinteresse aufkommen, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0316" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97021"/> <p xml:id="ID_938" prev="#ID_937"> blos, wohin diese Rüstungen zielen, ob sie blos dem guten Leumund geopfert<lb/> werde», oder eine ernste Bedeutung haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_939"> Die Stimmung hier hat sich insofern geändert, daß man jetzt im allgemei¬<lb/> nen sich für den Orient zu interessiren anfängt, und nicht blos auf der Börse<lb/> — vielleicht aber auch, weil jetzt fast alles auf der Börse entweder selbst oder<lb/> dnrch Freunde interessirt ist. Aber auch in den untern Volksschichten fängt man<lb/> an, sich mit deu Kriegscvcntualitätcn zu beschäftigen; eS gibt fast weder oben noch un¬<lb/> ten ein anderes Gespräch, eine andere Neugierde, als was wird im Oriente<lb/> herauskommen. ES ist mit ein charakteristischer Unistand für unsere Verhältnisse,<lb/> daß, während die Journalistik seit sechs Monaten aus der orientalischen Salba¬<lb/> derei nicht herauskommt, die Masse» sich erst jetzt dafür zu interessire» beginne»,<lb/> wie überhaupt die Masse» nur dann rege werden, wenn ihr Jnstinct ihnen sagt,<lb/> daß es voraussichtlich zum Dreinschlagen komme.</p><lb/> <p xml:id="ID_940" next="#ID_941"> So kaun auch in diesem Augenblicke kein wirkliches Kunstinteresse aufkommen,<lb/> alles wird vom Oriente absorbirt. Die Theater werden nnr leidlich besucht und<lb/> sehen dem Winter nicht ohne Besorgniß entgegen. Die große Oper und der<lb/> »me Directnr der italienischen Oper haben es am schlimmsten, wenn das öffent¬<lb/> liche Interesse von den Kunstgenüssen abgelenkt wird. Abgesehen davon, daß die<lb/> Franzosen überhaupt keine fanatischen Liebhaber der Musik sind, haben diese beiden<lb/> Institute überhaupt an Anziehungskraft verloren. Die französische Oper hat nnr<lb/> über wenig gute Kräfte zu verfügen und die italienische bringt uns neben einer<lb/> Collectio» abgesungener Stimmen noch ein abgespieltes Repertoir. Dies italie¬<lb/> nische Theater konnte sich in seinen glänzendsten Zeiten nnr als Versammlungsort<lb/> der Fashion halten, und nicht weil man die italienische Musik hier liebt, »ud doch<lb/> waren damals die besten Sänger, die das Jahrhundert auszuweisen hat, in ihrer vollen<lb/> Blüte; wie soll es uun erst werden, wo alles gegen und nichts für diese kost¬<lb/> spielige Unterhaltung spricht. Die Franzosen sind aber keineswegs freigebig für<lb/> Kunstgenüsse, und wenn schon Geld ausgegeben werden soll, so will man sich<lb/> amnstren. Der Franzose amnstrt sich aber blos im Drama, im Vaudeville, in<lb/> der Tragödie, wenn die Rachel spielt und allenfalls auch in der komischen Oper.<lb/> Mit den Concerten ist es ebenso. Das Conservatorium hat einen großen Zu¬<lb/> spruch, weil seine Concerte sich in der Mode zu halten wußten durch die Schwie¬<lb/> rigkeit, einen Platz zu finden, »ud wenn mau hente einen großen: Raum diesen<lb/> Concerten anwiese, i» einem Jahre würde die Hälfte der jetzigen Stammgäste die<lb/> classische Musik verlassen. ' Mit den Virtuoseuconcerten ist es noch viel ärger,<lb/> denn die Virtuose» kommen eben nach Paris nicht um Geld, sondern um dnrch<lb/> die hiesige Sanction in England, in Deutschland, in Rußland ihr Glück zu mache».<lb/> -Das ist bekannt hier, »ud ein Pariser sieht sie mit ironischem Lächeln an, wenn sie<lb/> ihm zumuthen, einen Logensitz zu bezahlen — hat er doch dem Künstler Ehre<lb/> genng erwiesen, wenn er einwilligt, seinem Club oder seiner Maitresse eine Stunde</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0316]
blos, wohin diese Rüstungen zielen, ob sie blos dem guten Leumund geopfert
werde», oder eine ernste Bedeutung haben.
Die Stimmung hier hat sich insofern geändert, daß man jetzt im allgemei¬
nen sich für den Orient zu interessiren anfängt, und nicht blos auf der Börse
— vielleicht aber auch, weil jetzt fast alles auf der Börse entweder selbst oder
dnrch Freunde interessirt ist. Aber auch in den untern Volksschichten fängt man
an, sich mit deu Kriegscvcntualitätcn zu beschäftigen; eS gibt fast weder oben noch un¬
ten ein anderes Gespräch, eine andere Neugierde, als was wird im Oriente
herauskommen. ES ist mit ein charakteristischer Unistand für unsere Verhältnisse,
daß, während die Journalistik seit sechs Monaten aus der orientalischen Salba¬
derei nicht herauskommt, die Masse» sich erst jetzt dafür zu interessire» beginne»,
wie überhaupt die Masse» nur dann rege werden, wenn ihr Jnstinct ihnen sagt,
daß es voraussichtlich zum Dreinschlagen komme.
So kaun auch in diesem Augenblicke kein wirkliches Kunstinteresse aufkommen,
alles wird vom Oriente absorbirt. Die Theater werden nnr leidlich besucht und
sehen dem Winter nicht ohne Besorgniß entgegen. Die große Oper und der
»me Directnr der italienischen Oper haben es am schlimmsten, wenn das öffent¬
liche Interesse von den Kunstgenüssen abgelenkt wird. Abgesehen davon, daß die
Franzosen überhaupt keine fanatischen Liebhaber der Musik sind, haben diese beiden
Institute überhaupt an Anziehungskraft verloren. Die französische Oper hat nnr
über wenig gute Kräfte zu verfügen und die italienische bringt uns neben einer
Collectio» abgesungener Stimmen noch ein abgespieltes Repertoir. Dies italie¬
nische Theater konnte sich in seinen glänzendsten Zeiten nnr als Versammlungsort
der Fashion halten, und nicht weil man die italienische Musik hier liebt, »ud doch
waren damals die besten Sänger, die das Jahrhundert auszuweisen hat, in ihrer vollen
Blüte; wie soll es uun erst werden, wo alles gegen und nichts für diese kost¬
spielige Unterhaltung spricht. Die Franzosen sind aber keineswegs freigebig für
Kunstgenüsse, und wenn schon Geld ausgegeben werden soll, so will man sich
amnstren. Der Franzose amnstrt sich aber blos im Drama, im Vaudeville, in
der Tragödie, wenn die Rachel spielt und allenfalls auch in der komischen Oper.
Mit den Concerten ist es ebenso. Das Conservatorium hat einen großen Zu¬
spruch, weil seine Concerte sich in der Mode zu halten wußten durch die Schwie¬
rigkeit, einen Platz zu finden, »ud wenn mau hente einen großen: Raum diesen
Concerten anwiese, i» einem Jahre würde die Hälfte der jetzigen Stammgäste die
classische Musik verlassen. ' Mit den Virtuoseuconcerten ist es noch viel ärger,
denn die Virtuose» kommen eben nach Paris nicht um Geld, sondern um dnrch
die hiesige Sanction in England, in Deutschland, in Rußland ihr Glück zu mache».
-Das ist bekannt hier, »ud ein Pariser sieht sie mit ironischem Lächeln an, wenn sie
ihm zumuthen, einen Logensitz zu bezahlen — hat er doch dem Künstler Ehre
genng erwiesen, wenn er einwilligt, seinem Club oder seiner Maitresse eine Stunde
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