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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Frist, in welcher man sich durch wohlfeilere Ankäufe vou Kleidern, Hausgeräth,
Geschirr ze. vor der Uebertheuerung des übrigen Jahres einigermaßen bewahren
kann. Aber dazu gehört vvrräthiges Geld und einzelnen Handwerkern, wie den
Maurern, Weißbindern, Tischlern ze. bleiben Hans- und Familieneinrichtuugen
dennoch unausweichlich verfallen. --

In dieses herbstliche Mißbehagen ist die Bundesversammlung nach dem Ende
ihrer Erholnngsmonate wieder eingezogen. Auch der Bundespräsidialpräsideut,
Hr. Prokesch Freih. v. Osten, ist nun wirklich da, nachdem ihn diensteifrige Korre¬
spondenzen hiesiger und fremder Blätter schon früher verschiedene Mal hatten an¬
kommen lassen, ohne daß er gekommen war. Diese Ankunftsnachrichten erinnerten
recht patriarchalisch an die vormärzlichen Berichte eines hiesigen Correspondenten der
A. A. Z., welcher blos von den wahrscheinlichen, bevorstehenden, erfolgten, verscho¬
benen, abgeänderten, widerrufenen Ankünften und Abreisen des Hrn. v. Münch-
Bellinghausen zu leben schien. Damals wars eine harmlose Privatspeculatiou, heute
vermuthet man weitere Absichten dahinter. Die Welt ist gar so mißtrauisch geworden
und die Revelatious der Natioualzeituug über hiesige Correspondcuzensabricatiou hat
sie nicht eben zutraulicher gemacht. Jetzt hört man nun in denselben Organen
wieder eine Menge von Dingen, zu deren unbefangener Annahme ebensowenig
Lust vorhanden ist. Vor allem gehört dazu die Versicherung, für eine neue Be¬
arbeitung des Buudespreßgesetzes sollten neue Fachmänner einberufen werden und
zwar ans den mittlern und kleinern Staaten. Damit scheint weiter nichts cachirt
werden zu sollen, als das zuversichtliche Fiasco, welches der letzten baierischen
Bearbeitung bei der Abstimmung bevorsteht, denn nur zu genan hat sich ergeben,
wie die Bestimmungen des Entwurfs uicht nur gegen die Auswüchse der Presse,
sondern gradezu gegen das gesammte Leben der Presse gerichtet sind. Aehuliche
Preßzustäude, wie in Baiern, Oestreich, Kur- und Darmstadt-Hesse", sind aber
in anderen deutschen Staaten nicht wol möglich, weil da die Presse ein Lebens¬
element ist, dessen man nun einmal nicht mehr entbehren kann. Und wenn man
außerdem auf die Handhabung der Preßbeaufflchtiguug in den genannten Staaten
hinblickt, so kauu man sich der Ueberzeugung nicht entschlagen, daß ihr propouirtes
Prcßgesetz wol ein treffliches Mittel wäre, jede literarische Stimme zu erdrücken,
die ihnen mißliebig ist, dagegen keinerlei Gewähr gebe, daß die Angriffe auf
andere politische Systeme mit gleichem Maß gemessen würden. Ebenso verhält
es sich mit dem Vereinsgesetz. Auch dieses würde nur dazu dienen, dem ultra-
montanen und Coalitiousprincip freien Spielraum zu geben, dagegen die Ver¬
einigung von Vertretern anderer Ueberzeugungen gradezu unmöglich zu machen. Im
baierischen Vereinsgesetze steht man das Vorbild. Dort können kaum drei oder
vier Menschen zusammenkommen, ohne der polizeiliche" Überwachung als politischer
Verein oder ander" Maßregelnnge" zu verfallen, wahrend die Bonifacius-, Pius-
u. tgi. Vereine ungehindert ihr Wehe" treiben, indem sie behaupten, sie seien


Frist, in welcher man sich durch wohlfeilere Ankäufe vou Kleidern, Hausgeräth,
Geschirr ze. vor der Uebertheuerung des übrigen Jahres einigermaßen bewahren
kann. Aber dazu gehört vvrräthiges Geld und einzelnen Handwerkern, wie den
Maurern, Weißbindern, Tischlern ze. bleiben Hans- und Familieneinrichtuugen
dennoch unausweichlich verfallen. —

In dieses herbstliche Mißbehagen ist die Bundesversammlung nach dem Ende
ihrer Erholnngsmonate wieder eingezogen. Auch der Bundespräsidialpräsideut,
Hr. Prokesch Freih. v. Osten, ist nun wirklich da, nachdem ihn diensteifrige Korre¬
spondenzen hiesiger und fremder Blätter schon früher verschiedene Mal hatten an¬
kommen lassen, ohne daß er gekommen war. Diese Ankunftsnachrichten erinnerten
recht patriarchalisch an die vormärzlichen Berichte eines hiesigen Correspondenten der
A. A. Z., welcher blos von den wahrscheinlichen, bevorstehenden, erfolgten, verscho¬
benen, abgeänderten, widerrufenen Ankünften und Abreisen des Hrn. v. Münch-
Bellinghausen zu leben schien. Damals wars eine harmlose Privatspeculatiou, heute
vermuthet man weitere Absichten dahinter. Die Welt ist gar so mißtrauisch geworden
und die Revelatious der Natioualzeituug über hiesige Correspondcuzensabricatiou hat
sie nicht eben zutraulicher gemacht. Jetzt hört man nun in denselben Organen
wieder eine Menge von Dingen, zu deren unbefangener Annahme ebensowenig
Lust vorhanden ist. Vor allem gehört dazu die Versicherung, für eine neue Be¬
arbeitung des Buudespreßgesetzes sollten neue Fachmänner einberufen werden und
zwar ans den mittlern und kleinern Staaten. Damit scheint weiter nichts cachirt
werden zu sollen, als das zuversichtliche Fiasco, welches der letzten baierischen
Bearbeitung bei der Abstimmung bevorsteht, denn nur zu genan hat sich ergeben,
wie die Bestimmungen des Entwurfs uicht nur gegen die Auswüchse der Presse,
sondern gradezu gegen das gesammte Leben der Presse gerichtet sind. Aehuliche
Preßzustäude, wie in Baiern, Oestreich, Kur- und Darmstadt-Hesse», sind aber
in anderen deutschen Staaten nicht wol möglich, weil da die Presse ein Lebens¬
element ist, dessen man nun einmal nicht mehr entbehren kann. Und wenn man
außerdem auf die Handhabung der Preßbeaufflchtiguug in den genannten Staaten
hinblickt, so kauu man sich der Ueberzeugung nicht entschlagen, daß ihr propouirtes
Prcßgesetz wol ein treffliches Mittel wäre, jede literarische Stimme zu erdrücken,
die ihnen mißliebig ist, dagegen keinerlei Gewähr gebe, daß die Angriffe auf
andere politische Systeme mit gleichem Maß gemessen würden. Ebenso verhält
es sich mit dem Vereinsgesetz. Auch dieses würde nur dazu dienen, dem ultra-
montanen und Coalitiousprincip freien Spielraum zu geben, dagegen die Ver¬
einigung von Vertretern anderer Ueberzeugungen gradezu unmöglich zu machen. Im
baierischen Vereinsgesetze steht man das Vorbild. Dort können kaum drei oder
vier Menschen zusammenkommen, ohne der polizeiliche» Überwachung als politischer
Verein oder ander» Maßregelnnge» zu verfallen, wahrend die Bonifacius-, Pius-
u. tgi. Vereine ungehindert ihr Wehe» treiben, indem sie behaupten, sie seien


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/302>, abgerufen am 05.02.2025.