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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Daher werden auch andere deutsche Zeitungen, die sich nicht so umfassend wie die
A. A. Z. mit Oestreich beschäftigen, dort nur wenig gelesen. Man findet sie
wol,^ aber zerstreut an verschiedenen Orten. Hier hält ein Cafe-- denn die
Cafis sind, einige Clubs abgerechnet, die ausschließlichen Lesecabiuets -- den
Hamburger Korrespondenten, weil etwa ein alter Buchhalter, aus Hamburg ge¬
bürtig, hier als Stammgast seinen Nachmittagskaffee trinkt, der ihm ohne'seinen
Jugendfreund, den Korrespondenten, uicht schmecke" würde; dort wieder findet
man, einigen jüdischen Frankfurter Commis zu Liebe, das Frankfurter Journal
nebst der unvermeidlichen Didaskalia, wieder an einem andern Orte die Tante
Voß, oder gar die Zeitung für Norddeutschland, fast nirgend die öfter verboten
gewesene, augenblicklich glaub ich wieder erlaubte Kreuzzeitung und niemals die
Kölnische, die Weser-, die Spenersche, die Breslauer und die Schlesische Zeitung,
am allerwenigsten den alten ewig lächelnden Berliner Freund, den Kladderadatsch.

Verboten sind von namhafterer deutschen Zeitungen, soviel mir bekannt, eben
nnr diese. Und weshalb? Nicht weil sie überhaupt sich einer für Oestreich zu
freisinnigen Tendenz rühmen dürften, sondern weil sie sich speciell mit östreichischen
Angelegenheiten in einer Weise beschäftigt haben, die der Regierung nicht zusagen
konnte: die Weserzcitung in der preußisch-östreichischen Zolleinigungssache, die
Kölnische in ihren Schererschen Artikeln "von der Adria", der Kladderadatsch in
unzähligen Bonmots und Bildern u. s. w. Daß auf solche Ausfälle ein Verbot
folgt, kann man in der That der Regierung kaum übelnehmen; hat doch noch
jüngst der preußische Handelsminister in weit auffallenderer Weise die Zeitung für
Norddeutschland wegen ihrer Elbinger Korrespondenz vom Postdebit in Preußen
ausgeschlossen, eine Zeitung, die, obwol sie über manche Dinge ein offenes Wort
zu reden sich nicht genirt, dennoch in Oestreich nach wie vor offen aufliegen darf,
weil sie speciell in Beziehung auf Oestreich diejenigen Grenzen zu respectiren
weiß, die die dortige Regierung für die Besprechung ihrer inneren Angelegen¬
heiten in Anspruch nimmt. Dasselbe gilt von Times, Punch und andern engli¬
schen und auch vou französischen Blattern. Unterliegen sie -- wie nicht zu be¬
zweifeln -- einer Ueberwachung, so bin ich doch fest überzeugt, das nur das,
was sie über Oestreich sagen, einzig und allein für oder gegen ihre Zulässigkeit
entscheidet, im übrigen können sie sämmtlich so ziemlich schreiben was sie wollen;
es ist also eine irrthümliche Ansicht, wenn man glaubt, daß in Oestreich auf jedeZ
gedruckte freie Wort vigilirt werde. Dem ist -- wenigstens gegenwärtig -- in
der That nicht so, und es wäre anch überflüssig bei dem Indifferentismus, der
leider im allgemeinen gegen die ausländische Tagesliteratur dort herrscht.




Daher werden auch andere deutsche Zeitungen, die sich nicht so umfassend wie die
A. A. Z. mit Oestreich beschäftigen, dort nur wenig gelesen. Man findet sie
wol,^ aber zerstreut an verschiedenen Orten. Hier hält ein Cafe— denn die
Cafis sind, einige Clubs abgerechnet, die ausschließlichen Lesecabiuets — den
Hamburger Korrespondenten, weil etwa ein alter Buchhalter, aus Hamburg ge¬
bürtig, hier als Stammgast seinen Nachmittagskaffee trinkt, der ihm ohne'seinen
Jugendfreund, den Korrespondenten, uicht schmecke» würde; dort wieder findet
man, einigen jüdischen Frankfurter Commis zu Liebe, das Frankfurter Journal
nebst der unvermeidlichen Didaskalia, wieder an einem andern Orte die Tante
Voß, oder gar die Zeitung für Norddeutschland, fast nirgend die öfter verboten
gewesene, augenblicklich glaub ich wieder erlaubte Kreuzzeitung und niemals die
Kölnische, die Weser-, die Spenersche, die Breslauer und die Schlesische Zeitung,
am allerwenigsten den alten ewig lächelnden Berliner Freund, den Kladderadatsch.

Verboten sind von namhafterer deutschen Zeitungen, soviel mir bekannt, eben
nnr diese. Und weshalb? Nicht weil sie überhaupt sich einer für Oestreich zu
freisinnigen Tendenz rühmen dürften, sondern weil sie sich speciell mit östreichischen
Angelegenheiten in einer Weise beschäftigt haben, die der Regierung nicht zusagen
konnte: die Weserzcitung in der preußisch-östreichischen Zolleinigungssache, die
Kölnische in ihren Schererschen Artikeln „von der Adria", der Kladderadatsch in
unzähligen Bonmots und Bildern u. s. w. Daß auf solche Ausfälle ein Verbot
folgt, kann man in der That der Regierung kaum übelnehmen; hat doch noch
jüngst der preußische Handelsminister in weit auffallenderer Weise die Zeitung für
Norddeutschland wegen ihrer Elbinger Korrespondenz vom Postdebit in Preußen
ausgeschlossen, eine Zeitung, die, obwol sie über manche Dinge ein offenes Wort
zu reden sich nicht genirt, dennoch in Oestreich nach wie vor offen aufliegen darf,
weil sie speciell in Beziehung auf Oestreich diejenigen Grenzen zu respectiren
weiß, die die dortige Regierung für die Besprechung ihrer inneren Angelegen¬
heiten in Anspruch nimmt. Dasselbe gilt von Times, Punch und andern engli¬
schen und auch vou französischen Blattern. Unterliegen sie — wie nicht zu be¬
zweifeln — einer Ueberwachung, so bin ich doch fest überzeugt, das nur das,
was sie über Oestreich sagen, einzig und allein für oder gegen ihre Zulässigkeit
entscheidet, im übrigen können sie sämmtlich so ziemlich schreiben was sie wollen;
es ist also eine irrthümliche Ansicht, wenn man glaubt, daß in Oestreich auf jedeZ
gedruckte freie Wort vigilirt werde. Dem ist — wenigstens gegenwärtig — in
der That nicht so, und es wäre anch überflüssig bei dem Indifferentismus, der
leider im allgemeinen gegen die ausländische Tagesliteratur dort herrscht.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/222>, abgerufen am 05.02.2025.