Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.scheinung gehören, Johanna wird in Verlauf des Buches von einem isländi¬ scheinung gehören, Johanna wird in Verlauf des Buches von einem isländi¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0186" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96891"/> <p xml:id="ID_498" prev="#ID_497" next="#ID_499"> scheinung gehören, Johanna wird in Verlauf des Buches von einem isländi¬<lb/> schen Gelehrten, Namens Spiegelglanz, der trotz seines barocken Aussehens<lb/> und seiner intimen Bekanntschaft mit Lucifer sehr stark an den Tieckschen<lb/> Nestor erinnert, als Jüngling erzogen, sie wird von ihm sehr hart behandelt und<lb/> häufig geschlagen; einmal aber erwacht in ihr das Gefühl der Liebe z» einem<lb/> römischen Mädchen. Spiegelglanz, der dies erfährt, offenbart ihr erschrocken, daß<lb/> sie eine Jungfrau sei, worauf es sich freilich bald ergibt, daß jenes angeblich rö¬<lb/> mische Mädchen ein verkleideter deutscher Pfalzgraf ist. Darauf fällt ihr Spie¬<lb/> gelglanz zu Füßen und erklärt, daß sie eine Göttin sei. Es folgen Scenen, die<lb/> stark an die jungdeutsche Poesie erinnern, z. B. wie sie als Göttin die Statue<lb/> des belvederischen Apoll zerschlägt. Um ihre Götterkrast zu erproben, will sie<lb/> Wunder thu». Ein Gelehrter, der eigentlich der Mensch gewordene Lucifer ist,<lb/> widerspricht ihr, und sie befiehlt ihm zu erstarre». Warum sollte er uicht wirklich<lb/> erstarren? Es würde uns uicht im geringsten Wunder nehmen. Aber er thut<lb/> nur so, als ob er erstarrte, um sie in ihrem Götterwahn zu bestärken, und es macht<lb/> ihm sehr viel Mühe, in der künstlichen und gezwungenen Stellung zu verharren.<lb/> Bei dieser vollkommen absurden Gelegenheit werden wir durch folgende feine<lb/> Bemerkung überrascht: „Wir können es leicht gefühlt haben in unserer Kindheit,<lb/> wie den Menschen bei Wundern zu Muthe ist; sind sie wohlthuend, so umfängt<lb/> uns ein seliges Zutrauen zu aller Welt; sind sie blos schreckend oder wol gar<lb/> zerstörend, überkommt uns eine eigene Trostlosigkeit. Schwieriger ist es, sich in<lb/> das Gemüth eines Wnnderthäters zu versetzen, es muß der Gipfel lohnender<lb/> Thätigkeit sein, wenn es aus Güte nud Wohlwollen stammt, und es läßt sich<lb/> nicht beschreiben;. . . . aber ein Wunder, das ein Leben zerstört, ohne etwas zu<lb/> schaffen, kann nnr das gespenstige Gefühl eines Heerführers geben, der mit seinen<lb/> Schrecken Nationen vernichtet, ohne die Kraft zu haben, einen Menschen auf der<lb/> Welt zu beglücken, ein Gefühl, das wie in Alexander zuletzt in Brand und Mord<lb/> sich zu ersticken sucht." — Als sie dasselbe Experiment bei Spiegelglanz anwen¬<lb/> den will, prügelt dieser sie, obgleich er sie für eine Göttin hält, tüchtig durch.<lb/> Gleich darauf wird sie zum Papst gewählt nud führt ein sehr unheiliges Leben.<lb/> Eine vornehme liederliche Römerin, die eine Art Venusberg hält, lockt sie in<lb/> denselben, will sie zum Heidenthum verführen, anch wol opfern, und magnetisirt<lb/> sie endlich, worauf einige somnambule, spukhafte Erscheinungen folge». Der Teufel<lb/> selbst macht ihr häßliche Anträge, endlich aber bekehrt sie sich, heirathet ihren<lb/> Pfalzgrafen, und so schließt das wunderbare Werk mit einem lächerlich idyllischen<lb/> Ausgang. — Häufig finden wir Anklänge an Tieck, aber Arnim hat ein weit<lb/> größeres realistisches Talent. Wenn er z. B. die Naturgegenstände, von roman¬<lb/> tischem Licht verklärt, in den Lauf der Handlung einführt, so ergeben sich hänfig<lb/> daraus Scenen einer wunderbaren Poesie, und wir müssen uns aus das lebhaf¬<lb/> teste beklage», daß diese in dem übrigen Wust verloren gehen. Es ist die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0186]
scheinung gehören, Johanna wird in Verlauf des Buches von einem isländi¬
schen Gelehrten, Namens Spiegelglanz, der trotz seines barocken Aussehens
und seiner intimen Bekanntschaft mit Lucifer sehr stark an den Tieckschen
Nestor erinnert, als Jüngling erzogen, sie wird von ihm sehr hart behandelt und
häufig geschlagen; einmal aber erwacht in ihr das Gefühl der Liebe z» einem
römischen Mädchen. Spiegelglanz, der dies erfährt, offenbart ihr erschrocken, daß
sie eine Jungfrau sei, worauf es sich freilich bald ergibt, daß jenes angeblich rö¬
mische Mädchen ein verkleideter deutscher Pfalzgraf ist. Darauf fällt ihr Spie¬
gelglanz zu Füßen und erklärt, daß sie eine Göttin sei. Es folgen Scenen, die
stark an die jungdeutsche Poesie erinnern, z. B. wie sie als Göttin die Statue
des belvederischen Apoll zerschlägt. Um ihre Götterkrast zu erproben, will sie
Wunder thu». Ein Gelehrter, der eigentlich der Mensch gewordene Lucifer ist,
widerspricht ihr, und sie befiehlt ihm zu erstarre». Warum sollte er uicht wirklich
erstarren? Es würde uns uicht im geringsten Wunder nehmen. Aber er thut
nur so, als ob er erstarrte, um sie in ihrem Götterwahn zu bestärken, und es macht
ihm sehr viel Mühe, in der künstlichen und gezwungenen Stellung zu verharren.
Bei dieser vollkommen absurden Gelegenheit werden wir durch folgende feine
Bemerkung überrascht: „Wir können es leicht gefühlt haben in unserer Kindheit,
wie den Menschen bei Wundern zu Muthe ist; sind sie wohlthuend, so umfängt
uns ein seliges Zutrauen zu aller Welt; sind sie blos schreckend oder wol gar
zerstörend, überkommt uns eine eigene Trostlosigkeit. Schwieriger ist es, sich in
das Gemüth eines Wnnderthäters zu versetzen, es muß der Gipfel lohnender
Thätigkeit sein, wenn es aus Güte nud Wohlwollen stammt, und es läßt sich
nicht beschreiben;. . . . aber ein Wunder, das ein Leben zerstört, ohne etwas zu
schaffen, kann nnr das gespenstige Gefühl eines Heerführers geben, der mit seinen
Schrecken Nationen vernichtet, ohne die Kraft zu haben, einen Menschen auf der
Welt zu beglücken, ein Gefühl, das wie in Alexander zuletzt in Brand und Mord
sich zu ersticken sucht." — Als sie dasselbe Experiment bei Spiegelglanz anwen¬
den will, prügelt dieser sie, obgleich er sie für eine Göttin hält, tüchtig durch.
Gleich darauf wird sie zum Papst gewählt nud führt ein sehr unheiliges Leben.
Eine vornehme liederliche Römerin, die eine Art Venusberg hält, lockt sie in
denselben, will sie zum Heidenthum verführen, anch wol opfern, und magnetisirt
sie endlich, worauf einige somnambule, spukhafte Erscheinungen folge». Der Teufel
selbst macht ihr häßliche Anträge, endlich aber bekehrt sie sich, heirathet ihren
Pfalzgrafen, und so schließt das wunderbare Werk mit einem lächerlich idyllischen
Ausgang. — Häufig finden wir Anklänge an Tieck, aber Arnim hat ein weit
größeres realistisches Talent. Wenn er z. B. die Naturgegenstände, von roman¬
tischem Licht verklärt, in den Lauf der Handlung einführt, so ergeben sich hänfig
daraus Scenen einer wunderbaren Poesie, und wir müssen uns aus das lebhaf¬
teste beklage», daß diese in dem übrigen Wust verloren gehen. Es ist die
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