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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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es kaum erwarten zu lande", aber schon ehe er das Ufer erreicht, wird er von
entsetzlichen Gerüchen angefallen, die ihn fast zurücktreiben. Er sieht ein präch¬
tiges Hotel, wo jede Leckerei, welche die französische Küche hervorzubringen ver¬
mag, zu haben ist, und einen Neger, der Farinha laut, das einfachste Nahrungs¬
mittel von der Welt. -- Die alte Stadt, die von Cook und Lord Macartney
besucht wurde, liegt zwischen Cobras Jsle Point und Porta de Calabou^a, und
bedeckt ein regelmäßiges Viereck von mehr als einer Meile in Lauge und weniger
als Meile" in Breite; sie steht aber in keinem andern Verhältniß zur jetzige"
Hauptstadt Brasiliens, als die "City" zu der von Großbritannien, hat indeß einen
eigenthümlichen Charakter und erweckt als ein Denkmal aus vergangenen Zeiten
el" Interesse, das die neueren Theile der Stadt nicht erregen.

Wenn man sich vom Landungsplatze aus rechts wendet, so sieht man einen
große" Platz vor sich: der kaiserliche Palast, ein großes Gebäude, von anßen
zierlich und regelmäßig, nimmt die Südseite ein und steht mit andern Baulich¬
keiten an der Westseite in Verbindung. Diese Gebände und die daranstoßende
Kirche waren früher Theile eines CarmcliterklosterS. Die nördliche Seite des
Platzes wird von Läden und Kaffeehäuser" eingenommen, die östliche, nach der
See zu, ist offen. Obgleich weder imposant noch schön/ so ist doch dieser Fleck
ein bequemer Landungsplatz für eine große Handelsstadt. Von der nordwestlichen
Ecke desselben läuft die Rua Dirieta von Nord nach Süd, von ihr gehen schmale
Straßen in rechten Winkeln ab, wiederum von zahlreichen andern gekreuzt. Die
Rua Dirieta ist die geschäftigste Straße, als ein allgemeiner Markt für den Ver¬
kehr, die Rua d'Ouvidor die freundlichste und glänzendste, eingenommen von
französischen und portugiesischen Goldschmieden, Modehändlern u. s. w., die Rua
d'Alfaudeza, die reichste, hauptsächlich vou Kaufleuten und Agenten von Man¬
chester, Birmingham, Sheffield und Leeds bewohnt, und die Rua des Pescadores,
die vornehmste; in ihr sind die Hänser der ansässigen englischen Kaufleute, die
ebenso bekannt und angesehen sind wie die Häupter der Negierung. Diese Stra¬
ße" sind alle einander ähnlich, die Hänser sind meistens 3 oder L Stock hoch,
düster und traurig, mit Balkonen vor de" Fenstern, im Plan de" gewöhnlichen
Londoner Häusern gleichend mit langen engen Gängen, steilen Treppen, Zimmern,
die meist untereinander in Verbindung stehen, lustig und von schönen Verhält¬
nissen, aber einfach meublirt sind. Das Parterre ist die Niederlage oder der La¬
den, je nachdem das Geschäft en Gros oder en Detail. Der erste Stock ist
Comptoir, der zweite enthält Speise- und Schlafzimmer. Sieht man, umgeben
von europäische!? Producten, hier und da ein englisches, deutsches oder französisches
Gesicht, so denkt man unwillkürlich daran, wie eng diese Scene von Geschäftigkeit
mit dem Wohl- oder Uebelbefinden von Reich und Arm in Lcincashire und U ork-
shire zusammenhängt, oder wie Fleiß und Talent überall einen Platz für ihre
Thätigkeit finden.


es kaum erwarten zu lande», aber schon ehe er das Ufer erreicht, wird er von
entsetzlichen Gerüchen angefallen, die ihn fast zurücktreiben. Er sieht ein präch¬
tiges Hotel, wo jede Leckerei, welche die französische Küche hervorzubringen ver¬
mag, zu haben ist, und einen Neger, der Farinha laut, das einfachste Nahrungs¬
mittel von der Welt. — Die alte Stadt, die von Cook und Lord Macartney
besucht wurde, liegt zwischen Cobras Jsle Point und Porta de Calabou^a, und
bedeckt ein regelmäßiges Viereck von mehr als einer Meile in Lauge und weniger
als Meile» in Breite; sie steht aber in keinem andern Verhältniß zur jetzige»
Hauptstadt Brasiliens, als die „City" zu der von Großbritannien, hat indeß einen
eigenthümlichen Charakter und erweckt als ein Denkmal aus vergangenen Zeiten
el» Interesse, das die neueren Theile der Stadt nicht erregen.

Wenn man sich vom Landungsplatze aus rechts wendet, so sieht man einen
große» Platz vor sich: der kaiserliche Palast, ein großes Gebäude, von anßen
zierlich und regelmäßig, nimmt die Südseite ein und steht mit andern Baulich¬
keiten an der Westseite in Verbindung. Diese Gebände und die daranstoßende
Kirche waren früher Theile eines CarmcliterklosterS. Die nördliche Seite des
Platzes wird von Läden und Kaffeehäuser« eingenommen, die östliche, nach der
See zu, ist offen. Obgleich weder imposant noch schön/ so ist doch dieser Fleck
ein bequemer Landungsplatz für eine große Handelsstadt. Von der nordwestlichen
Ecke desselben läuft die Rua Dirieta von Nord nach Süd, von ihr gehen schmale
Straßen in rechten Winkeln ab, wiederum von zahlreichen andern gekreuzt. Die
Rua Dirieta ist die geschäftigste Straße, als ein allgemeiner Markt für den Ver¬
kehr, die Rua d'Ouvidor die freundlichste und glänzendste, eingenommen von
französischen und portugiesischen Goldschmieden, Modehändlern u. s. w., die Rua
d'Alfaudeza, die reichste, hauptsächlich vou Kaufleuten und Agenten von Man¬
chester, Birmingham, Sheffield und Leeds bewohnt, und die Rua des Pescadores,
die vornehmste; in ihr sind die Hänser der ansässigen englischen Kaufleute, die
ebenso bekannt und angesehen sind wie die Häupter der Negierung. Diese Stra¬
ße» sind alle einander ähnlich, die Hänser sind meistens 3 oder L Stock hoch,
düster und traurig, mit Balkonen vor de» Fenstern, im Plan de» gewöhnlichen
Londoner Häusern gleichend mit langen engen Gängen, steilen Treppen, Zimmern,
die meist untereinander in Verbindung stehen, lustig und von schönen Verhält¬
nissen, aber einfach meublirt sind. Das Parterre ist die Niederlage oder der La¬
den, je nachdem das Geschäft en Gros oder en Detail. Der erste Stock ist
Comptoir, der zweite enthält Speise- und Schlafzimmer. Sieht man, umgeben
von europäische!? Producten, hier und da ein englisches, deutsches oder französisches
Gesicht, so denkt man unwillkürlich daran, wie eng diese Scene von Geschäftigkeit
mit dem Wohl- oder Uebelbefinden von Reich und Arm in Lcincashire und U ork-
shire zusammenhängt, oder wie Fleiß und Talent überall einen Platz für ihre
Thätigkeit finden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/154>, abgerufen am 05.02.2025.