Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.des Arbeiterredncrs aus, der die Kunst versteht, gegen das Capital und die alte Bilbao ist eine der merkwürdigsten Figuren des heutigen Amerikas, nicht so des Arbeiterredncrs aus, der die Kunst versteht, gegen das Capital und die alte Bilbao ist eine der merkwürdigsten Figuren des heutigen Amerikas, nicht so <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0136" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96841"/> <p xml:id="ID_357" prev="#ID_356"> des Arbeiterredncrs aus, der die Kunst versteht, gegen das Capital und die alte<lb/> Gesellschaft zu donnern. Der Gleichheitsclnb vergißt ebensowenig einen wesent¬<lb/> lichen Artikel des Programms, die „friedlichen" Aufzüge, die flatternden Banner,<lb/> verziert mit handschriftlichen Emblemen und Gleichhcitstriangeln, während einige<lb/> Journale, wie der Prögresso, die Barra, die demokratische Begeisterung nähren<lb/> und verbreiten. Es gibt in Chili, wie überall, geschickte Politiker, welche, ohne<lb/> ebensoweit zu gehen, den Beistand der Landschaften, die ihnen dienen, und die<lb/> ste zu beherrschen hoffen, nicht verschmähen. Das etwa ist die Rolle politischer<lb/> Persönlichkeiten, wie Camillo Mal, Errazuris, Lastarria, welche eine Art Pro-<lb/> gressistenpartei vertreten. Die Strafe dieser Männer, von denen einige Minister<lb/> gewesen sind, war, daß sie in dieser Bewegung von Fraucisco Bilbao, dem jungen<lb/> socialistischen Hercules Chilis verdrängt wurden.</p><lb/> <p xml:id="ID_358" next="#ID_359"> Bilbao ist eine der merkwürdigsten Figuren des heutigen Amerikas, nicht so<lb/> neu allerdings als andere Charaktere, die mehr Localoriginalität an sich tragen,<lb/> aber wenigstens ebenso belehrend; er ist der jugendliche und leidenschaftliche Typus<lb/> dieser fast unsinnigen Imaginationen, welche wie besessen die ausschweifendsten<lb/> Launen und Träume unserer Civilisation erfassen und mit scheinbar kältesten Blute<lb/> sich anschicken, sie zu verwirklichen. In Europa erzogen, hat er die Meister der<lb/> Gattung gelesen, an ihren Gedanken und ihrem Stile sich gebildet; vortrefflich<lb/> versteht er die gewöhnlichen Variationen über die „heilige" Republik, über die<lb/> „Brüder und Freunde", über „Christus, den Sohn des Zimmermanns und den<lb/> Erlöser" vorzutragen. Seine fixe Idee ist der Aristokrat und der Proletarier.<lb/> Freilich ist er von der Justiz des Landes mehre Male verurtheilt worden, aber nur<lb/> um desto besser die Aufgabe des Apostolats erfüllen zu können. Bilbao hat ein<lb/> Buch geschrieben, die „Soeiabilläacl ekliena", das Resultat seiner Doctrinen<lb/> oder vielmehr die höchste Quintessenz der revolutionären Lehren Frankreichs.<lb/> 18ö0 schrieb er die Bulletins des Geistes, Loletinss «Zei Nspirttu, in der lyrischen<lb/> Weise der „Worte eines Gläubigen" und der „Bulletins der Republik". Seine<lb/> Landsleute nennen ihn den amerikanischen Lamennais, er könnte ebenso gut den<lb/> Louis Blanc, deu Pierre Lerone, den Mazzini und Struve in einer Person vor¬<lb/> stellen. Bilbao war die Seele, der Heros der Gleichheitsgesellschaft. Es gelang<lb/> ihm eine Zeitlang, den Socialismus zum Gegenstand der öffentlichen Neugier,<lb/> etwa wie eiuen Hahnenkamps oder ein Stiergefecht zu machen, in einer Stadt,<lb/> wie Santiago, wo es weder Handel und Industrie, noch ein- und auslaufende<lb/> Schiffe, noch selbst ein Theater gibt, welches die Leute überhebt, das Vergnügen<lb/> anderswo, als auf der Straße zu suchen. Unglücklicherweise begnügte sich der<lb/> chilenische Socialismus nicht mit seinen Predigten und Schaustellungen; er wollte<lb/> eine handgreiflichere und reellere Sache werden. Er verfertigte Kugeln und<lb/> Patronen und spie eines Tages brüderlich dem Gouverneur von Santiago ins<lb/> Gesicht. Ju der benachbarten Provinz Aconcagnn zik Sau Felipe gebrauchte er</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0136]
des Arbeiterredncrs aus, der die Kunst versteht, gegen das Capital und die alte
Gesellschaft zu donnern. Der Gleichheitsclnb vergißt ebensowenig einen wesent¬
lichen Artikel des Programms, die „friedlichen" Aufzüge, die flatternden Banner,
verziert mit handschriftlichen Emblemen und Gleichhcitstriangeln, während einige
Journale, wie der Prögresso, die Barra, die demokratische Begeisterung nähren
und verbreiten. Es gibt in Chili, wie überall, geschickte Politiker, welche, ohne
ebensoweit zu gehen, den Beistand der Landschaften, die ihnen dienen, und die
ste zu beherrschen hoffen, nicht verschmähen. Das etwa ist die Rolle politischer
Persönlichkeiten, wie Camillo Mal, Errazuris, Lastarria, welche eine Art Pro-
gressistenpartei vertreten. Die Strafe dieser Männer, von denen einige Minister
gewesen sind, war, daß sie in dieser Bewegung von Fraucisco Bilbao, dem jungen
socialistischen Hercules Chilis verdrängt wurden.
Bilbao ist eine der merkwürdigsten Figuren des heutigen Amerikas, nicht so
neu allerdings als andere Charaktere, die mehr Localoriginalität an sich tragen,
aber wenigstens ebenso belehrend; er ist der jugendliche und leidenschaftliche Typus
dieser fast unsinnigen Imaginationen, welche wie besessen die ausschweifendsten
Launen und Träume unserer Civilisation erfassen und mit scheinbar kältesten Blute
sich anschicken, sie zu verwirklichen. In Europa erzogen, hat er die Meister der
Gattung gelesen, an ihren Gedanken und ihrem Stile sich gebildet; vortrefflich
versteht er die gewöhnlichen Variationen über die „heilige" Republik, über die
„Brüder und Freunde", über „Christus, den Sohn des Zimmermanns und den
Erlöser" vorzutragen. Seine fixe Idee ist der Aristokrat und der Proletarier.
Freilich ist er von der Justiz des Landes mehre Male verurtheilt worden, aber nur
um desto besser die Aufgabe des Apostolats erfüllen zu können. Bilbao hat ein
Buch geschrieben, die „Soeiabilläacl ekliena", das Resultat seiner Doctrinen
oder vielmehr die höchste Quintessenz der revolutionären Lehren Frankreichs.
18ö0 schrieb er die Bulletins des Geistes, Loletinss «Zei Nspirttu, in der lyrischen
Weise der „Worte eines Gläubigen" und der „Bulletins der Republik". Seine
Landsleute nennen ihn den amerikanischen Lamennais, er könnte ebenso gut den
Louis Blanc, deu Pierre Lerone, den Mazzini und Struve in einer Person vor¬
stellen. Bilbao war die Seele, der Heros der Gleichheitsgesellschaft. Es gelang
ihm eine Zeitlang, den Socialismus zum Gegenstand der öffentlichen Neugier,
etwa wie eiuen Hahnenkamps oder ein Stiergefecht zu machen, in einer Stadt,
wie Santiago, wo es weder Handel und Industrie, noch ein- und auslaufende
Schiffe, noch selbst ein Theater gibt, welches die Leute überhebt, das Vergnügen
anderswo, als auf der Straße zu suchen. Unglücklicherweise begnügte sich der
chilenische Socialismus nicht mit seinen Predigten und Schaustellungen; er wollte
eine handgreiflichere und reellere Sache werden. Er verfertigte Kugeln und
Patronen und spie eines Tages brüderlich dem Gouverneur von Santiago ins
Gesicht. Ju der benachbarten Provinz Aconcagnn zik Sau Felipe gebrauchte er
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