Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.(Heidelberg, 18LS), ein "Leben Paul Gerhards" in der Sonntagsbibliothek, "Lieder Man ersieht, der hochgestellte Literat theilt mit minder hochgestellten nicht nur die
Oder konnte man es anders auffassen, wenn er (S. 398) "Oberungarn" schildert:
Beinah ebenso interessant erscheint es aber für den geistigen Entwickelungsgang des Die Welt veracht ich, seit ich sie erkenne, Oder, wenn er an andrer Stelle (S. 299), umgeben von der Heimatslandschaft, an Die Tage, die mir Leichtsinn und stürmend Blut Bekanntlich hatte nun Hr. v. Prokesch die Bundcstagsfcricn soeben zu einer Reise (Heidelberg, 18LS), ein „Leben Paul Gerhards" in der Sonntagsbibliothek, „Lieder Man ersieht, der hochgestellte Literat theilt mit minder hochgestellten nicht nur die
Oder konnte man es anders auffassen, wenn er (S. 398) „Oberungarn" schildert:
Beinah ebenso interessant erscheint es aber für den geistigen Entwickelungsgang des Die Welt veracht ich, seit ich sie erkenne, Oder, wenn er an andrer Stelle (S. 299), umgeben von der Heimatslandschaft, an Die Tage, die mir Leichtsinn und stürmend Blut Bekanntlich hatte nun Hr. v. Prokesch die Bundcstagsfcricn soeben zu einer Reise <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0117" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96822"/> <p xml:id="ID_300" prev="#ID_299"> (Heidelberg, 18LS), ein „Leben Paul Gerhards" in der Sonntagsbibliothek, „Lieder<lb/> aus der Gemeinde für das christliche Kirchenjahr" (Hamburg. -I8i3), „Schrift oder<lb/> Geist?" (Bielefeld), eine Gegenschrift gegen Wislicenus: „das kirchliche Bekenntniß und<lb/> die lehramtlichc Verpflichtung" (Halle), vier Rhapsodien: „Gotteswort in den Zeitereig¬<lb/> nissen" (Bielefeld). Den Abschluß endlich bilden die „Briefe über Staatskunst".</p><lb/> <p xml:id="ID_301" next="#ID_302"> Man ersieht, der hochgestellte Literat theilt mit minder hochgestellten nicht nur die<lb/> Verschiedenartigkeit der Productionen, sondern auch die Wanderungen von einem Ver¬<lb/> leger zum andern. Glücklicher ist dagegen in Bezug auf die Einführung ihrer litera¬<lb/> rischen Producte die erste Curie des Bundestags gewesen. Schon ehe Herr v. Pro-<lb/> kesch zum Freiherr» von Osten wurde, gab sein Pflegvater die poetischen Producte des<lb/> talentvollen Soldaten heraus. Die „Gedichte" des Herrn v. Prokesch sind ein schätz¬<lb/> barer Beitrag zur Kenntniß seiner innern Entwickelung. Besonders wohlthuend ist jeden¬<lb/> falls des jungen Dichters nationale Pietät für Ungarn und seine Begeisterung für dessen<lb/> freie Selbstständigkeit. Sie durchweht alle von daher datirten Gedichte bald offener,<lb/> bald versteckter, bald elegisch, bald dithyrambisch. Auch die herbste Klage hat dort noch<lb/> ihr Recht und es mag seiner Zeit die volle Wahrheit des Gefühls gewesen sein, wenn<lb/> Herr v. Prokesch (S. 37) sang:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_5" type="poem"> <l> O laß Dein Herz zu meinem Herzen sprechen,<lb/> Das Deiner Sprache Laut und Sinn versteht!<lb/> Ich weiß, wie Hoffnung, Liebe, Glaube sprechen,<lb/> Wenn der Gemeinheit gistger Samum weht.<lb/> Ich denn den Schmerz, wenn im verfehlten Streben<lb/> Schon vor dem Tod geendet ist das Leben.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_302" prev="#ID_301" next="#ID_303"> Oder konnte man es anders auffassen, wenn er (S. 398) „Oberungarn" schildert:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_6" type="poem"> <l> Kein Sturm erhebt die müde Brust,<lb/> Kein Licht erfreut das Aug —<lb/> Erstvrbcn ist die Lebenslust,<lb/> Erstorben ist der Glaub.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_303" prev="#ID_302" next="#ID_304"> Beinah ebenso interessant erscheint es aber für den geistigen Entwickelungsgang des<lb/> spätern Diplomaten, wenn er (S. 39) das Geständnis; ablegt:</p><lb/> <quote> Die Welt veracht ich, seit ich sie erkenne,<lb/> Seit ich das Wort entfernter Zeit vernommen<lb/> Und so das Bild von Jetzt und Einst bekommen;<lb/> Es will fortan mein Blick darauf nicht weilen.</quote><lb/> <p xml:id="ID_304" prev="#ID_303"> Oder, wenn er an andrer Stelle (S. 299), umgeben von der Heimatslandschaft, an<lb/> den Tod gedenkt und die Vergessenheit ansieht:</p><lb/> <quote> Die Tage, die mir Leichtsinn und stürmend Blut<lb/> Mit Wolke» füllte, hülle sie freundlich zu,<lb/> Fuhr die Gestalten meiner Fehler<lb/> Abseits, daß ich ihr Klagegcstöhne<lb/> Und ihrer Fordrung traurigen Ruf nicht hör!<lb/> Denk, daß ich gut war, war und noch immer bin;<lb/> Denn, was an Sünden ich gesäet,<lb/> Nicht aus dem Herzen wars entsprossen.</quote><lb/> <p xml:id="ID_305" next="#ID_306"> Bekanntlich hatte nun Hr. v. Prokesch die Bundcstagsfcricn soeben zu einer Reise<lb/> nach Paris benutzt. Dies lenkt unwillkürlich die Aufmerksamkeit auf seine spätern<lb/> „Kleineren Schriften" zurück, in deren fünften Bande man Paris im Jahr 181S ge-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0117]
(Heidelberg, 18LS), ein „Leben Paul Gerhards" in der Sonntagsbibliothek, „Lieder
aus der Gemeinde für das christliche Kirchenjahr" (Hamburg. -I8i3), „Schrift oder
Geist?" (Bielefeld), eine Gegenschrift gegen Wislicenus: „das kirchliche Bekenntniß und
die lehramtlichc Verpflichtung" (Halle), vier Rhapsodien: „Gotteswort in den Zeitereig¬
nissen" (Bielefeld). Den Abschluß endlich bilden die „Briefe über Staatskunst".
Man ersieht, der hochgestellte Literat theilt mit minder hochgestellten nicht nur die
Verschiedenartigkeit der Productionen, sondern auch die Wanderungen von einem Ver¬
leger zum andern. Glücklicher ist dagegen in Bezug auf die Einführung ihrer litera¬
rischen Producte die erste Curie des Bundestags gewesen. Schon ehe Herr v. Pro-
kesch zum Freiherr» von Osten wurde, gab sein Pflegvater die poetischen Producte des
talentvollen Soldaten heraus. Die „Gedichte" des Herrn v. Prokesch sind ein schätz¬
barer Beitrag zur Kenntniß seiner innern Entwickelung. Besonders wohlthuend ist jeden¬
falls des jungen Dichters nationale Pietät für Ungarn und seine Begeisterung für dessen
freie Selbstständigkeit. Sie durchweht alle von daher datirten Gedichte bald offener,
bald versteckter, bald elegisch, bald dithyrambisch. Auch die herbste Klage hat dort noch
ihr Recht und es mag seiner Zeit die volle Wahrheit des Gefühls gewesen sein, wenn
Herr v. Prokesch (S. 37) sang:
O laß Dein Herz zu meinem Herzen sprechen,
Das Deiner Sprache Laut und Sinn versteht!
Ich weiß, wie Hoffnung, Liebe, Glaube sprechen,
Wenn der Gemeinheit gistger Samum weht.
Ich denn den Schmerz, wenn im verfehlten Streben
Schon vor dem Tod geendet ist das Leben.
Oder konnte man es anders auffassen, wenn er (S. 398) „Oberungarn" schildert:
Kein Sturm erhebt die müde Brust,
Kein Licht erfreut das Aug —
Erstvrbcn ist die Lebenslust,
Erstorben ist der Glaub.
Beinah ebenso interessant erscheint es aber für den geistigen Entwickelungsgang des
spätern Diplomaten, wenn er (S. 39) das Geständnis; ablegt:
Die Welt veracht ich, seit ich sie erkenne,
Seit ich das Wort entfernter Zeit vernommen
Und so das Bild von Jetzt und Einst bekommen;
Es will fortan mein Blick darauf nicht weilen.
Oder, wenn er an andrer Stelle (S. 299), umgeben von der Heimatslandschaft, an
den Tod gedenkt und die Vergessenheit ansieht:
Die Tage, die mir Leichtsinn und stürmend Blut
Mit Wolke» füllte, hülle sie freundlich zu,
Fuhr die Gestalten meiner Fehler
Abseits, daß ich ihr Klagegcstöhne
Und ihrer Fordrung traurigen Ruf nicht hör!
Denk, daß ich gut war, war und noch immer bin;
Denn, was an Sünden ich gesäet,
Nicht aus dem Herzen wars entsprossen.
Bekanntlich hatte nun Hr. v. Prokesch die Bundcstagsfcricn soeben zu einer Reise
nach Paris benutzt. Dies lenkt unwillkürlich die Aufmerksamkeit auf seine spätern
„Kleineren Schriften" zurück, in deren fünften Bande man Paris im Jahr 181S ge-
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