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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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der (Zentralbehörde sind demnach, obwol in den einzelnen Staaten mehr oder
weniger begrenzt, im allgemeinen sehr ausgedehnt. Charakteristisch aber ist es
für das amerikanische Staatswesen, daß alle Befugnisse, welche dem Superinten¬
dent zu Gebote stehen, kaum eine größere unmittelbare Einwirkung ausüben, als
die mittelbare Wirksamkeit, welche von jenem Jahresbericht ausgeht, der nur
Empfehlungen und Vorschläge enthält, aber auch jede wichtigere Erfahrung, jede
Einrichtung, die sich bewährt hat, zur allgemeinen Kenntniß bringt und gleichsam
alljährlich das Losungswort für den fernerhin zu befolgenden Weg austheilt. Eine
solche Wirkung ist nur möglichj in einem Staatswesen, wo die Macht der
öffentlichen Meinung so stark ist, wie hier. Leider haben noch nicht alle Staaten
eine Centralbehörde, in deu westlichen Gebieten namentlich nur Michigan und
Ohio. Vou derselben ressortiren in den einzelnen Staaten nicht ganz gleichartig
organisirte Unterbehörden, die Schnlcommissionen der einzelnen Städte, sowie die
Districtscvmmissionen, die in kleineren Städten mit jenen zusammenfallen, in
größeren unter denselben stehen. Die Erhaltung der Schulen wird ans verschie¬
dene Weise, theils durch Localsteneru und locale Schulfonds, theils durch freiwillige
Beiträge und Stiftungen, theils durch jährliche Staatszuschüsse und Staatsschulfonds
oder sonstige vom Staate angewiesene Einnahmequellen, als Verkauf von Ländereien
u. tgi., bestritten.

Betrachten wir nun das nordamerikanische Unterrichtswesen, wie es sich unter
diesen Organisationen im Laufe der letzten Jahrzehnte gestaltet hat, so stellen
sich folgende, für eine so junge, alljährlich aus zum Theil verkommenen und ver¬
nachlässigten Elementen der alten Welt recrulirte Staatsgesellschaft im ganzen
erfreuliche Resultate heraus, wie sich dieselben in deu freilich nur sehr unvollständig
vorliegenden amtlichen Berichten darstellen.

Der größte Staat in den nordwestlichen Gebiete" und in der Union
überhaupt, Neuyork, mit einer Bevölkerung von 3,097,394 Seelen "uach der
Zählung vou 18S0) hatte in diesem Jahre in seinen öffentlichen Schulen durch¬
schnittlich 794,300 Köpfe, während sich die gesammte Altersclasse von S bis 16
Jahren mir auf 733,188 belief. Es wurden die Schulen demnach ohne Zweifel
von vielen besucht, die bereits das 16. Jahr überschritten hatten, vernachlässigte
Kinder Europas, die da drüben, von dein allgemeinen Streben uach Bildung
fortgerissen, nachzuholen suchten, was sie hier versäumt, ein Streben, doppelt
ehrenvoll in einem Lande, wo die Arbeit des Erwachsenen so hoch bezahlt wird.
Die wirkliche durchschnittliche Frequenz der Schulen mag freilich von der in den
Listen eingetragenen Schülerzahl sehr abweichen, da, wie bemerkt, viele Schulen
nur sechs Monate hindurch geöffnet sind. Ist es aber ein Nachtheil, wenn die
Jugend nicht das ganze Jahr hindurch in duustgeschwängerten Schulstuben hockt,
wenn ein Theil ihrer Arbeitöüaft bereits frühzeitig verwendet, dagegen der Unter¬
richt bis in die späteren Jahre sortgesetzt und der Uebergang ans der Schule in


der (Zentralbehörde sind demnach, obwol in den einzelnen Staaten mehr oder
weniger begrenzt, im allgemeinen sehr ausgedehnt. Charakteristisch aber ist es
für das amerikanische Staatswesen, daß alle Befugnisse, welche dem Superinten¬
dent zu Gebote stehen, kaum eine größere unmittelbare Einwirkung ausüben, als
die mittelbare Wirksamkeit, welche von jenem Jahresbericht ausgeht, der nur
Empfehlungen und Vorschläge enthält, aber auch jede wichtigere Erfahrung, jede
Einrichtung, die sich bewährt hat, zur allgemeinen Kenntniß bringt und gleichsam
alljährlich das Losungswort für den fernerhin zu befolgenden Weg austheilt. Eine
solche Wirkung ist nur möglichj in einem Staatswesen, wo die Macht der
öffentlichen Meinung so stark ist, wie hier. Leider haben noch nicht alle Staaten
eine Centralbehörde, in deu westlichen Gebieten namentlich nur Michigan und
Ohio. Vou derselben ressortiren in den einzelnen Staaten nicht ganz gleichartig
organisirte Unterbehörden, die Schnlcommissionen der einzelnen Städte, sowie die
Districtscvmmissionen, die in kleineren Städten mit jenen zusammenfallen, in
größeren unter denselben stehen. Die Erhaltung der Schulen wird ans verschie¬
dene Weise, theils durch Localsteneru und locale Schulfonds, theils durch freiwillige
Beiträge und Stiftungen, theils durch jährliche Staatszuschüsse und Staatsschulfonds
oder sonstige vom Staate angewiesene Einnahmequellen, als Verkauf von Ländereien
u. tgi., bestritten.

Betrachten wir nun das nordamerikanische Unterrichtswesen, wie es sich unter
diesen Organisationen im Laufe der letzten Jahrzehnte gestaltet hat, so stellen
sich folgende, für eine so junge, alljährlich aus zum Theil verkommenen und ver¬
nachlässigten Elementen der alten Welt recrulirte Staatsgesellschaft im ganzen
erfreuliche Resultate heraus, wie sich dieselben in deu freilich nur sehr unvollständig
vorliegenden amtlichen Berichten darstellen.

Der größte Staat in den nordwestlichen Gebiete» und in der Union
überhaupt, Neuyork, mit einer Bevölkerung von 3,097,394 Seelen «uach der
Zählung vou 18S0) hatte in diesem Jahre in seinen öffentlichen Schulen durch¬
schnittlich 794,300 Köpfe, während sich die gesammte Altersclasse von S bis 16
Jahren mir auf 733,188 belief. Es wurden die Schulen demnach ohne Zweifel
von vielen besucht, die bereits das 16. Jahr überschritten hatten, vernachlässigte
Kinder Europas, die da drüben, von dein allgemeinen Streben uach Bildung
fortgerissen, nachzuholen suchten, was sie hier versäumt, ein Streben, doppelt
ehrenvoll in einem Lande, wo die Arbeit des Erwachsenen so hoch bezahlt wird.
Die wirkliche durchschnittliche Frequenz der Schulen mag freilich von der in den
Listen eingetragenen Schülerzahl sehr abweichen, da, wie bemerkt, viele Schulen
nur sechs Monate hindurch geöffnet sind. Ist es aber ein Nachtheil, wenn die
Jugend nicht das ganze Jahr hindurch in duustgeschwängerten Schulstuben hockt,
wenn ein Theil ihrer Arbeitöüaft bereits frühzeitig verwendet, dagegen der Unter¬
richt bis in die späteren Jahre sortgesetzt und der Uebergang ans der Schule in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/109>, abgerufen am 06.02.2025.