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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Schranken umgeben, die schwer zu durchbrechen sind und die Nationalrepräsentation
gibt absolut dieselbe Theilung wieder. -- Der Adel ist erblich und kann vom
König verliehen werden. Die Häupter aller adligen Familien des Königreichs
sitzen in der Ständeversammlung durch das Recht der Erblichkeit mit ihrem
SS. Jahre. Der Stand der Geistlichkeit mit dem Erzbischof von Upsala, dem
Primas Schwedens an der Spitze, besteht aus allen Bischöfen, aus Predigern,
die von ihren Collegen erwählt sind, und aus mehren Deputirten, welche von
den Universitäten Upsala und Lund und von der Akademie der Wissenschaften
gesendet werden. Um zu dem Bürgerstande zu gehören, muß man im Weichbilde
einer Stadt wohnen, und während einer gewissen Zeit eine bestimmte Steuer
entrichtet oder drei Jahre lang das Amt eines Bürgermeisters oder Gemeinde¬
rathes bekleidet, jedenfalls drei Jahre lang wenigstens gewerblichen oder Handels-
corporationen angehört haben. Man kann in keine Corporation aufgenommen
werde", wenn mau nicht derselben vorgeschlagen ist und ein von einer speciellen
Commission approbirtes Meisterstück eingereicht hat. Die Wahl der Deputirten
aus dem Bürgerstande ist direct und indirect, je nach deu Lokalitäten.-- Endlich
der sehr zahlreiche Bauernstand, der alle Einwohner des platten Laudes begreift,
die Ackerbau treiben, kann in der Ständeversammlung nur durch wirkliche Bauern
repräsentirt werden, die zwar Eigenthümer sind, aber mit eigener Hand ihr Land
bauen, in dem Bezirk, wo sie gewählt sind, wohnen und niemals einen Handel
betrieben oder ein Staatsamt bekleidet haben. Die Wahl dieser Bauerndeputirten
ist eine indirecte. Alle Deputirten der drei nicht adligen Stände erhalten von
ihren Committenten während der Dauer der Session eine Entschädigung.

Die so gebildete Ständeversammlung tritt alle drei Jahre, gewöhnlich zu
Stockholm zusammen. Die drei letzten Stände sitzen in drei großen Sälen eines
sehr einfachen Gebäudes, das in einiger Entfernung vom Schlosse ans der Ritter¬
insel liegt. Der Adel- oder Ritterstand hat zum Versammlungsort einen
prächtigen Palast, in demselben Stadttheil. Der Sitznngssal macht einen ernsten
und imposanten Eindruck. Obgleich die Avclsversammlnng oft zahlreich ist, so
verursacht die Abwesenheit der Deputirten der andern Stände, verbunden mit
dem ernsten und friedlichen nordischen Charakter, mehr Ruhe und Schweigen, als
in den französischen und englischen Parlamenten. Man findet anch in den
schwedischen Kammern weder Rechte noch Linke; jeder Saal enthält eine" einzigen
Stand, dessen Mitglieder ans einander parallelen Bänken oder Sesseln sitzen, und
in der Regel über ihre gemeinsamen Interessen einverstanden sind. Keine Tribüne,
keine langen Reden, sondern einfache, motivirte Gutachten, über die rasch mit
Ja oder Nein abgestimmt wird. Diese Abstimmungen, wie die öffentlichen Dis-
cusstonen, finden übrigens erst nach Verlesung der Berichte statt, welche die acht
Ausschüsse der Verfassung, der Finanzen, der Bank ze. abfassen; im Schoße dieser
Ausschüsse vollzieht sich die eigentliche Arbeit der Ständeversammlung. Das


Schranken umgeben, die schwer zu durchbrechen sind und die Nationalrepräsentation
gibt absolut dieselbe Theilung wieder. — Der Adel ist erblich und kann vom
König verliehen werden. Die Häupter aller adligen Familien des Königreichs
sitzen in der Ständeversammlung durch das Recht der Erblichkeit mit ihrem
SS. Jahre. Der Stand der Geistlichkeit mit dem Erzbischof von Upsala, dem
Primas Schwedens an der Spitze, besteht aus allen Bischöfen, aus Predigern,
die von ihren Collegen erwählt sind, und aus mehren Deputirten, welche von
den Universitäten Upsala und Lund und von der Akademie der Wissenschaften
gesendet werden. Um zu dem Bürgerstande zu gehören, muß man im Weichbilde
einer Stadt wohnen, und während einer gewissen Zeit eine bestimmte Steuer
entrichtet oder drei Jahre lang das Amt eines Bürgermeisters oder Gemeinde¬
rathes bekleidet, jedenfalls drei Jahre lang wenigstens gewerblichen oder Handels-
corporationen angehört haben. Man kann in keine Corporation aufgenommen
werde», wenn mau nicht derselben vorgeschlagen ist und ein von einer speciellen
Commission approbirtes Meisterstück eingereicht hat. Die Wahl der Deputirten
aus dem Bürgerstande ist direct und indirect, je nach deu Lokalitäten.— Endlich
der sehr zahlreiche Bauernstand, der alle Einwohner des platten Laudes begreift,
die Ackerbau treiben, kann in der Ständeversammlung nur durch wirkliche Bauern
repräsentirt werden, die zwar Eigenthümer sind, aber mit eigener Hand ihr Land
bauen, in dem Bezirk, wo sie gewählt sind, wohnen und niemals einen Handel
betrieben oder ein Staatsamt bekleidet haben. Die Wahl dieser Bauerndeputirten
ist eine indirecte. Alle Deputirten der drei nicht adligen Stände erhalten von
ihren Committenten während der Dauer der Session eine Entschädigung.

Die so gebildete Ständeversammlung tritt alle drei Jahre, gewöhnlich zu
Stockholm zusammen. Die drei letzten Stände sitzen in drei großen Sälen eines
sehr einfachen Gebäudes, das in einiger Entfernung vom Schlosse ans der Ritter¬
insel liegt. Der Adel- oder Ritterstand hat zum Versammlungsort einen
prächtigen Palast, in demselben Stadttheil. Der Sitznngssal macht einen ernsten
und imposanten Eindruck. Obgleich die Avclsversammlnng oft zahlreich ist, so
verursacht die Abwesenheit der Deputirten der andern Stände, verbunden mit
dem ernsten und friedlichen nordischen Charakter, mehr Ruhe und Schweigen, als
in den französischen und englischen Parlamenten. Man findet anch in den
schwedischen Kammern weder Rechte noch Linke; jeder Saal enthält eine» einzigen
Stand, dessen Mitglieder ans einander parallelen Bänken oder Sesseln sitzen, und
in der Regel über ihre gemeinsamen Interessen einverstanden sind. Keine Tribüne,
keine langen Reden, sondern einfache, motivirte Gutachten, über die rasch mit
Ja oder Nein abgestimmt wird. Diese Abstimmungen, wie die öffentlichen Dis-
cusstonen, finden übrigens erst nach Verlesung der Berichte statt, welche die acht
Ausschüsse der Verfassung, der Finanzen, der Bank ze. abfassen; im Schoße dieser
Ausschüsse vollzieht sich die eigentliche Arbeit der Ständeversammlung. Das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/10>, abgerufen am 05.02.2025.