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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Handels kann nur hervortreten, wenn die Eisenbahn auf der Landenge hergestellt
ist; die Culturausbreitung auf dem europäisch-asiatischen Continent würde auch
dann noch nicht erheblich gewinnen. Es würden bisher unberührte Territorien nicht
in den Welthandel hineingezogen, und der Kolonisation und Civilisation erschlossen
werden. >

Die indische Route hat jetzt zwei große Stationen, deren eine von London
bis Alexandria, die andere von hier bis Bombay reicht. Alle Abkürzungen des
Weges wurden bis jetzt ans der erstgenannten Strecke gesucht. Was hier über¬
haupt zu erreichen war, solange die andere Strecke unverändert bleibt, ist jetzt
erreicht. Wenn das Eisenbahnnetz zwischen Ostende und Trieft geschlossen ist, so
wird die Route auf diesem Wege nach dem adriatischen Meere die kürzeste sein,
d. h. fast eine gerade Linie bilden und die Strecke bis Alexandria wird sich dann
überhaupt nicht weiter abkürzen lassen.

Das neueste Project, auf welches die Times schon vor einiger Zeit aufmerksam
machte, ist bekanntlich darauf gerichtet, die zweite große Strecke der indischen
Route, die Fahrt um die Südspitze von Arabien bei Aden vorüber durch eine
möglichst gerade Linie zu ersetzen. Für die Verbindung Großbritanniens mit seinen
indischen Besitzungen bietet die vorgeschlagene Route nicht blos den Vortheil der
geringeren Entfernung, sondern anch den zweiten fast noch wichtigeren, daß
nämlich die Landverbindnng an die Stelle der Wasserverbindung ans der weitesten
Seestrccke der gegenwärtigen indischen Route treten, die Schnelligkeit der
Communication ungemein steigen würde. Es ist eine jetzt wol kaum uoch
bezweifelte Thatsache, daß seit der Erfindung der Locomotive der Verkehr zu
Lande mehr und mehr den Vorsprung vor dem Seeverkehr gewinnt. In fast
allen Fällen, wo die Locomotive mit dem Dampfschiff in Concurrenz tritt, gewinnt
jene das Uebergewicht, obwol das letztere wegen der Verschiedenheit der zu
transportirendcn Gegenstände und der nicht immer obwaltenden Nothwendigkeit
eines möglichst raschen Transports nicht ganz entbehrlich gemacht wird. Weniger
klar scheint es vielen zu sein, welch einen bedeutenden Einfluß die Revolution,
welche dadurch im CommunicativnSwcsen herbeigeführt wird, früher oder später
ans den Handelsverkehr, auf die Richtungen des Welthandels der Natur der
Dinge nach ausüben muß, einen Einfluß, vielleicht großartiger wie derjenige war,
den einst die Erfindung des Kompasses, die den Seeverkehr zur Regel, den
Landhandel zur Ausnahme und zum Nothbehelf machte, auf den Zug des Welt¬
handels und der Civiüsatiousbeweguug ausübte. Die Entdeckung Amerikas war
nicht blos unmöglich ohne den Compaß, es war die directe und nothwendige
Folge seiner Erfindung. Wenn wir hören, wieweit sich die Portugiesen bei
ihren Fahrten nach der afrikanischen Westküste auf die hohe See hinauswagten,
und doch keine andre Richtschnur als die Sonne und die Sterne zur Verfügung
hatten, so erscheint es als eine Nothwendigkeit, die auch eingetreten wäre, wenn


Handels kann nur hervortreten, wenn die Eisenbahn auf der Landenge hergestellt
ist; die Culturausbreitung auf dem europäisch-asiatischen Continent würde auch
dann noch nicht erheblich gewinnen. Es würden bisher unberührte Territorien nicht
in den Welthandel hineingezogen, und der Kolonisation und Civilisation erschlossen
werden. >

Die indische Route hat jetzt zwei große Stationen, deren eine von London
bis Alexandria, die andere von hier bis Bombay reicht. Alle Abkürzungen des
Weges wurden bis jetzt ans der erstgenannten Strecke gesucht. Was hier über¬
haupt zu erreichen war, solange die andere Strecke unverändert bleibt, ist jetzt
erreicht. Wenn das Eisenbahnnetz zwischen Ostende und Trieft geschlossen ist, so
wird die Route auf diesem Wege nach dem adriatischen Meere die kürzeste sein,
d. h. fast eine gerade Linie bilden und die Strecke bis Alexandria wird sich dann
überhaupt nicht weiter abkürzen lassen.

Das neueste Project, auf welches die Times schon vor einiger Zeit aufmerksam
machte, ist bekanntlich darauf gerichtet, die zweite große Strecke der indischen
Route, die Fahrt um die Südspitze von Arabien bei Aden vorüber durch eine
möglichst gerade Linie zu ersetzen. Für die Verbindung Großbritanniens mit seinen
indischen Besitzungen bietet die vorgeschlagene Route nicht blos den Vortheil der
geringeren Entfernung, sondern anch den zweiten fast noch wichtigeren, daß
nämlich die Landverbindnng an die Stelle der Wasserverbindung ans der weitesten
Seestrccke der gegenwärtigen indischen Route treten, die Schnelligkeit der
Communication ungemein steigen würde. Es ist eine jetzt wol kaum uoch
bezweifelte Thatsache, daß seit der Erfindung der Locomotive der Verkehr zu
Lande mehr und mehr den Vorsprung vor dem Seeverkehr gewinnt. In fast
allen Fällen, wo die Locomotive mit dem Dampfschiff in Concurrenz tritt, gewinnt
jene das Uebergewicht, obwol das letztere wegen der Verschiedenheit der zu
transportirendcn Gegenstände und der nicht immer obwaltenden Nothwendigkeit
eines möglichst raschen Transports nicht ganz entbehrlich gemacht wird. Weniger
klar scheint es vielen zu sein, welch einen bedeutenden Einfluß die Revolution,
welche dadurch im CommunicativnSwcsen herbeigeführt wird, früher oder später
ans den Handelsverkehr, auf die Richtungen des Welthandels der Natur der
Dinge nach ausüben muß, einen Einfluß, vielleicht großartiger wie derjenige war,
den einst die Erfindung des Kompasses, die den Seeverkehr zur Regel, den
Landhandel zur Ausnahme und zum Nothbehelf machte, auf den Zug des Welt¬
handels und der Civiüsatiousbeweguug ausübte. Die Entdeckung Amerikas war
nicht blos unmöglich ohne den Compaß, es war die directe und nothwendige
Folge seiner Erfindung. Wenn wir hören, wieweit sich die Portugiesen bei
ihren Fahrten nach der afrikanischen Westküste auf die hohe See hinauswagten,
und doch keine andre Richtschnur als die Sonne und die Sterne zur Verfügung
hatten, so erscheint es als eine Nothwendigkeit, die auch eingetreten wäre, wenn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/90>, abgerufen am 26.06.2024.