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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Dies ist das erste Rad der nicht ganz einfachen Regierungsmaschinerie des
ostindischen Reichs. Die Directoren haben alle Anwartschaften auf Stellen des
covLNimtsÄ servie.6 der Compagnie zu vergeben. (Die Beamtenschaft der Com¬
pagnie theilt sich in Als oovönkmööt und elle uneovenantsä service- -- erstere
examinirte, vereidete und unabsetzbare Beamte, letztere nnvereidete und auf
Widerruf angestellte, in Indien geborene Engländer oder Farbige). Die Zahl
der zur Besetzung kommenden Schreiber- und Cadettenstellen (erstere in Civil¬
letztere im Militärdienst) wird jährlich abgeschätzt, und unter die im Amte befind¬
lichen Directoren gleichmäßig vertheilt. Vorsitzender und Vicevorsitzender, sowie
der Präsident des Controlamts erhalten jedoch die doppelte Zahl zur Verfügung.
An wem der betreffende Director die ihm zugefallenen Stellen vergeben will, ist
ihm vollkommen freigestellt, nur hinsichtlich deö Alters "ud der Qualifikation der
Candidaten sind ihm von der Compagnie Vorschriften gemacht. Der Verkauf der
Stellen ist streug verboten und wird als correctionelles Vergehen bestraft. Jedem
Director fällt im Durchschnitt eine Schreibestclle, und nach der wechselnden Sterblich¬
keit unter dem Osstziercorps 6 -- 20 Cadettenstellen jährlich zur Vertheilung zu.
Die erstere schätzt man als eine Lebensversorgung von 3--4000 Pfd., letztere als
6--1200 Pfd. Es macht der politischen Moral der Engländer Ehre, daß dieses
werthvolle Patronat mit äußerst seltenen Ausnahme" -- und selbst da ist es
ungewiß geblieben, ob nicht blos die Mittelspersonen versucht haben, Stellen
um Geld zu erkaufen -- bis jetzt uneigennützig, ehrlich und patriotisch ausgeübt
worden ist. Wir werden später Gelegenheit haben, darauf zurückzukommen,
wie ausgezeichnet im ganzen das Beamtcncorps der ostindischen Compagnie ist.

In einer Hinsicht ist jedoch dieses werthvolle Patronat in den Händen der
Directoren eine der Schwächen des Systems. Es kann nicht verfehlen, seinen
Inhabern eine einflußreiche gesellschaftliche Stellung zu geben, und deshalb sind,
trotzdem daß das Amt des Directors ein sehr mühevolles ist, diese Stellen sehr
gesucht. Die Zahl der Candidaten ist daher sehr groß, und da die Zahl der
Directorenftellen sehr beschränkt, und die wählenden Actionäre ohne alles Interesse
für Ostindiens Wohlergehen und die Tauglichkeit der von ihnen Gewählten sind,
so entscheide" mehr Privatrücksichten als Rücksichten für das öffentliche Wohl bei
der Wahl. Für den Candidaten selbst ist es keine Kleinigkeit, sich bei etwa
2000 Actionären, Herrn und Damen, die nur zu geneigt sei" dürften, sich nur von
persönlicher Laune bestimmen zu lassen, um ihre süßen Stimmen zu bewerben.
Während den neulichen Parlamentsverhandlungen erzählte Mr. Bright, einer seiner
Verwandten, der sich mit fast allen Verhältnissen des Landes vertraut gemacht
habe, sei vor kurzem aus Ostindien zurückgekehrt, um sich um eine Directoreustelle
zu bewerben; als er aber gefunden, was er alles durchmachen, zu welchen
demüthigenden Bitten er sich verstehen, welche Versprechungen er machen müsse,
da habe er erklärt, er wolle lieber den schmutzigsten Straßenübergaug in London


Dies ist das erste Rad der nicht ganz einfachen Regierungsmaschinerie des
ostindischen Reichs. Die Directoren haben alle Anwartschaften auf Stellen des
covLNimtsÄ servie.6 der Compagnie zu vergeben. (Die Beamtenschaft der Com¬
pagnie theilt sich in Als oovönkmööt und elle uneovenantsä service- — erstere
examinirte, vereidete und unabsetzbare Beamte, letztere nnvereidete und auf
Widerruf angestellte, in Indien geborene Engländer oder Farbige). Die Zahl
der zur Besetzung kommenden Schreiber- und Cadettenstellen (erstere in Civil¬
letztere im Militärdienst) wird jährlich abgeschätzt, und unter die im Amte befind¬
lichen Directoren gleichmäßig vertheilt. Vorsitzender und Vicevorsitzender, sowie
der Präsident des Controlamts erhalten jedoch die doppelte Zahl zur Verfügung.
An wem der betreffende Director die ihm zugefallenen Stellen vergeben will, ist
ihm vollkommen freigestellt, nur hinsichtlich deö Alters »ud der Qualifikation der
Candidaten sind ihm von der Compagnie Vorschriften gemacht. Der Verkauf der
Stellen ist streug verboten und wird als correctionelles Vergehen bestraft. Jedem
Director fällt im Durchschnitt eine Schreibestclle, und nach der wechselnden Sterblich¬
keit unter dem Osstziercorps 6 — 20 Cadettenstellen jährlich zur Vertheilung zu.
Die erstere schätzt man als eine Lebensversorgung von 3—4000 Pfd., letztere als
6—1200 Pfd. Es macht der politischen Moral der Engländer Ehre, daß dieses
werthvolle Patronat mit äußerst seltenen Ausnahme» — und selbst da ist es
ungewiß geblieben, ob nicht blos die Mittelspersonen versucht haben, Stellen
um Geld zu erkaufen — bis jetzt uneigennützig, ehrlich und patriotisch ausgeübt
worden ist. Wir werden später Gelegenheit haben, darauf zurückzukommen,
wie ausgezeichnet im ganzen das Beamtcncorps der ostindischen Compagnie ist.

In einer Hinsicht ist jedoch dieses werthvolle Patronat in den Händen der
Directoren eine der Schwächen des Systems. Es kann nicht verfehlen, seinen
Inhabern eine einflußreiche gesellschaftliche Stellung zu geben, und deshalb sind,
trotzdem daß das Amt des Directors ein sehr mühevolles ist, diese Stellen sehr
gesucht. Die Zahl der Candidaten ist daher sehr groß, und da die Zahl der
Directorenftellen sehr beschränkt, und die wählenden Actionäre ohne alles Interesse
für Ostindiens Wohlergehen und die Tauglichkeit der von ihnen Gewählten sind,
so entscheide» mehr Privatrücksichten als Rücksichten für das öffentliche Wohl bei
der Wahl. Für den Candidaten selbst ist es keine Kleinigkeit, sich bei etwa
2000 Actionären, Herrn und Damen, die nur zu geneigt sei» dürften, sich nur von
persönlicher Laune bestimmen zu lassen, um ihre süßen Stimmen zu bewerben.
Während den neulichen Parlamentsverhandlungen erzählte Mr. Bright, einer seiner
Verwandten, der sich mit fast allen Verhältnissen des Landes vertraut gemacht
habe, sei vor kurzem aus Ostindien zurückgekehrt, um sich um eine Directoreustelle
zu bewerben; als er aber gefunden, was er alles durchmachen, zu welchen
demüthigenden Bitten er sich verstehen, welche Versprechungen er machen müsse,
da habe er erklärt, er wolle lieber den schmutzigsten Straßenübergaug in London


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/448>, abgerufen am 01.07.2024.