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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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französischen Politik in der orientalischen Frage stieß, jene Vorgänge hätten be¬
wiesen, daß fortan die Principien der Moral, welche das Privatleben regelten,
anch das öffentliche Leben beherrschen müßten. Wie verträgt sich dies mit Herrn
Nouland, der zu Gunsten seines Herrn den aävoo-Aus ain,do1i machte?
Es scheint, der Bonapartismus kaun beide Methoden der Vertheidigung brau¬
chen. Den" Herr Roulaud soll befördert werden und Herr Granier schwelgt
nach wie vor im Genusse der Subventionen und in Anpreisung der öffentlichen
Tugend.

Bekannntlich hat der Cassationshos den Urtheilsspruch des Pariser Gerichts¬
hofs mit Rücksicht ans die illegale Briefcrbrechung cassirt, der Gerichtshof von
Rouen aber wiederum im Sinne des cassirteu Urtheils entschieden. Die ver¬
einigten Kammern des Cassationshofes haben jetzt das Schlußnrtheil zu fallen.
Es fragt sich, ob sie mit Herrn Ronland sagen werden: Was bedeutet eine Brief-
erbrechuug? Alle Regierungen in Frankreich haben seit 60 Jahren und länger
die Briefe durch die Polizei erbreche" lassen.




Wochenbericht.

-- Meinen Fenstern gegenüber, auf den
blauen Wellen deS Bosporus, flutet in diesem Augenblick ein riesiger Schiffskvloß:
ich zähle drei bedeckte und eine offene Batterie, die eine über der ander"; nnr die
Unter- und Topmasten stehen aufrecht; die Stangen sind "iedcrgebrasst, und über dem
Hinterdeck flattert von der Gaffelraa hernieder die französische Flagge im Winde. Es
ist das Linienschiff "Friedland", von der Escadre des Admirals Hameliu, welches vor
dem kaiserlichen Schlosse von Dolma-Bagdsche Anker geworfen hat, und von dem es
heißt, daß es heute um Mittag in den Hafen bugsirt werden soll. Sie fragen erstaunt:
ob dies Fahrzeug etwa die Avantgarde der combinirten Flotten ist, und letztere auf dem
Wege nach dem Pontus sind. Keineswegs! Der "Friedland" kam lediglich hierher,
um im türkischen Arsenal einen bedeutenden Schaden auszubessern, den er in der Behn'a-
bai, beim Auffahren auf den Strand erlitten. Uebrigens konnte, was die Dimensio¬
nen an sich anlangt, die französische Marine kaum einen imposanteren Repräsentanten
nach der hiesigen Hauptstadt senden, als diesen Drcidecker. Welche gigantischen Ver¬
hältnisse! Der Kiel des ungeheuern Dreideckcrs wurde "och unter der Negierung des
großen Napoleon gelegt, aber erst vor einigen Jahren beendete man den Bau. -- Der
Unfall wird nicht verfehlen Gegenstand vielfacher Redereien zu werde"; Frankreich
kommt er sehr zur unrechten Stunde und wie innig augenblicklich auch immerhin sei" Bündniß
mit England sei" mag, des letzteren Seeleute lache" heimlich dabei i"s Fäustchen.

Wen" die große" Angelegenheiten nach dem Stande der Curse ans der Börse
beurtheilt werden könne", so muß alles gut stehen und Aussicht aus eine friedliche Ans-


französischen Politik in der orientalischen Frage stieß, jene Vorgänge hätten be¬
wiesen, daß fortan die Principien der Moral, welche das Privatleben regelten,
anch das öffentliche Leben beherrschen müßten. Wie verträgt sich dies mit Herrn
Nouland, der zu Gunsten seines Herrn den aävoo-Aus ain,do1i machte?
Es scheint, der Bonapartismus kaun beide Methoden der Vertheidigung brau¬
chen. Den» Herr Roulaud soll befördert werden und Herr Granier schwelgt
nach wie vor im Genusse der Subventionen und in Anpreisung der öffentlichen
Tugend.

Bekannntlich hat der Cassationshos den Urtheilsspruch des Pariser Gerichts¬
hofs mit Rücksicht ans die illegale Briefcrbrechung cassirt, der Gerichtshof von
Rouen aber wiederum im Sinne des cassirteu Urtheils entschieden. Die ver¬
einigten Kammern des Cassationshofes haben jetzt das Schlußnrtheil zu fallen.
Es fragt sich, ob sie mit Herrn Ronland sagen werden: Was bedeutet eine Brief-
erbrechuug? Alle Regierungen in Frankreich haben seit 60 Jahren und länger
die Briefe durch die Polizei erbreche» lassen.




Wochenbericht.

— Meinen Fenstern gegenüber, auf den
blauen Wellen deS Bosporus, flutet in diesem Augenblick ein riesiger Schiffskvloß:
ich zähle drei bedeckte und eine offene Batterie, die eine über der ander»; nnr die
Unter- und Topmasten stehen aufrecht; die Stangen sind »iedcrgebrasst, und über dem
Hinterdeck flattert von der Gaffelraa hernieder die französische Flagge im Winde. Es
ist das Linienschiff „Friedland", von der Escadre des Admirals Hameliu, welches vor
dem kaiserlichen Schlosse von Dolma-Bagdsche Anker geworfen hat, und von dem es
heißt, daß es heute um Mittag in den Hafen bugsirt werden soll. Sie fragen erstaunt:
ob dies Fahrzeug etwa die Avantgarde der combinirten Flotten ist, und letztere auf dem
Wege nach dem Pontus sind. Keineswegs! Der „Friedland" kam lediglich hierher,
um im türkischen Arsenal einen bedeutenden Schaden auszubessern, den er in der Behn'a-
bai, beim Auffahren auf den Strand erlitten. Uebrigens konnte, was die Dimensio¬
nen an sich anlangt, die französische Marine kaum einen imposanteren Repräsentanten
nach der hiesigen Hauptstadt senden, als diesen Drcidecker. Welche gigantischen Ver¬
hältnisse! Der Kiel des ungeheuern Dreideckcrs wurde »och unter der Negierung des
großen Napoleon gelegt, aber erst vor einigen Jahren beendete man den Bau. — Der
Unfall wird nicht verfehlen Gegenstand vielfacher Redereien zu werde»; Frankreich
kommt er sehr zur unrechten Stunde und wie innig augenblicklich auch immerhin sei» Bündniß
mit England sei» mag, des letzteren Seeleute lache» heimlich dabei i»s Fäustchen.

Wen» die große» Angelegenheiten nach dem Stande der Curse ans der Börse
beurtheilt werden könne», so muß alles gut stehen und Aussicht aus eine friedliche Ans-


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[0397] französischen Politik in der orientalischen Frage stieß, jene Vorgänge hätten be¬ wiesen, daß fortan die Principien der Moral, welche das Privatleben regelten, anch das öffentliche Leben beherrschen müßten. Wie verträgt sich dies mit Herrn Nouland, der zu Gunsten seines Herrn den aävoo-Aus ain,do1i machte? Es scheint, der Bonapartismus kaun beide Methoden der Vertheidigung brau¬ chen. Den» Herr Roulaud soll befördert werden und Herr Granier schwelgt nach wie vor im Genusse der Subventionen und in Anpreisung der öffentlichen Tugend. Bekannntlich hat der Cassationshos den Urtheilsspruch des Pariser Gerichts¬ hofs mit Rücksicht ans die illegale Briefcrbrechung cassirt, der Gerichtshof von Rouen aber wiederum im Sinne des cassirteu Urtheils entschieden. Die ver¬ einigten Kammern des Cassationshofes haben jetzt das Schlußnrtheil zu fallen. Es fragt sich, ob sie mit Herrn Ronland sagen werden: Was bedeutet eine Brief- erbrechuug? Alle Regierungen in Frankreich haben seit 60 Jahren und länger die Briefe durch die Polizei erbreche» lassen. Wochenbericht. — Meinen Fenstern gegenüber, auf den blauen Wellen deS Bosporus, flutet in diesem Augenblick ein riesiger Schiffskvloß: ich zähle drei bedeckte und eine offene Batterie, die eine über der ander»; nnr die Unter- und Topmasten stehen aufrecht; die Stangen sind »iedcrgebrasst, und über dem Hinterdeck flattert von der Gaffelraa hernieder die französische Flagge im Winde. Es ist das Linienschiff „Friedland", von der Escadre des Admirals Hameliu, welches vor dem kaiserlichen Schlosse von Dolma-Bagdsche Anker geworfen hat, und von dem es heißt, daß es heute um Mittag in den Hafen bugsirt werden soll. Sie fragen erstaunt: ob dies Fahrzeug etwa die Avantgarde der combinirten Flotten ist, und letztere auf dem Wege nach dem Pontus sind. Keineswegs! Der „Friedland" kam lediglich hierher, um im türkischen Arsenal einen bedeutenden Schaden auszubessern, den er in der Behn'a- bai, beim Auffahren auf den Strand erlitten. Uebrigens konnte, was die Dimensio¬ nen an sich anlangt, die französische Marine kaum einen imposanteren Repräsentanten nach der hiesigen Hauptstadt senden, als diesen Drcidecker. Welche gigantischen Ver¬ hältnisse! Der Kiel des ungeheuern Dreideckcrs wurde »och unter der Negierung des großen Napoleon gelegt, aber erst vor einigen Jahren beendete man den Bau. — Der Unfall wird nicht verfehlen Gegenstand vielfacher Redereien zu werde»; Frankreich kommt er sehr zur unrechten Stunde und wie innig augenblicklich auch immerhin sei» Bündniß mit England sei» mag, des letzteren Seeleute lache» heimlich dabei i»s Fäustchen. Wen» die große» Angelegenheiten nach dem Stande der Curse ans der Börse beurtheilt werden könne», so muß alles gut stehen und Aussicht aus eine friedliche Ans-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/397>, abgerufen am 23.07.2024.