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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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auf, um ihm das Kreuz zu geben; allein er versteckte sich und leugnete anfänglich,
bei dieser Affaire gegenwärtig gewesen zu sein, überzeugt, daß nichts schlechter
sei, als bei einer Niederlage bemerkt zu werden. Er glaubte, mau wolle ihn
todtschießen lassen.

Ueber die Liebe war Beyle noch beredter als über den Krieg. Ich habe
ihn nie anders als verliebt gesehen oder indem er glaubte, es zu sei". Aber
er hatte zwei Leidenschaften lamours-passions wie er sich ausdrückte), von
denen er nie geheilt worden. Die eine, die ältere glaube ich, wurde ihm von
Madame ^ eingeflößt, damals im vollen Glänze ihrer Schönheit. Er hatte viel
mächtige Herren zu Nebenbuhlern, uuter andern einen General, der sehr in Gunst
stand und eines Tages seine Stellung benutzte um Beyle zu zwingen, das Feld
zu räumen. Am selbigen Abend wußte Beyle dem General eine Fabel von seiner
Komposition in die Hand zu spielen, in welcher er ihm eine allegorische Heraus¬
forderung zuschickte. Ich weiß nicht ob die Fabel verstanden worden, aber ihre
Moral wurde nicht angenommen und Beyle erhielt einen derben Verweis von
Herrn D., seinem Verwandten und Beschützer. Dies verhinderte ihn aber nicht,
seine Verfolgungen fortzusetzen. Im Jahre 1836 erzählte mir Beyle diese Be¬
gebenheit eines Abends nnter den großen Bäumen der Promenade von Laon.
Er fügte hinzu, daß er soeben von Madame käme, die damals siebenundvierzig
Jahre alt gewesen und daß er sich ebenso verliebt gefühlt wie am ersten Tage.
Beide hatten in der Zwischenzeit manche Leidenschaft gehabt. "Wie können Sie
mich noch in meinem Alter lieben?" fragte sie. Er bewies es ihr sehr wohl und
nie habe ich ihn so bewegt gesehen. Er hatte Thränen im Ange als er mit
mir sprach.

Seine andere "Liebesleidenschaft" wurde ihm durch eine schöne Mailänderin
Madame 1"!"!' eingeflößt. Trotz der Ehrlichkeit der Italienerinnen, welche
Beyle stets der Coquetterie unserer Frauen entgegenhielt, hinterging ihn Ma¬
dame 1"!''I' auf die unwürdigste Weise. Sie wußte ihm einzureden, daß ihr
Gemahl, der gutmüthigste Mensch der Welt, ein Ungeheuer von Eifersucht sei.
Sie zwang ihn sich in Turin zu verstecke", weil seine Gegenwart in Mailand sie
ins Verderben stürzen würde, wie sie sagte. Alle zehn Tage einmal, im strengsten
Winter, kam Beyle ganz incognito nach Mailand, versteckte sich in einer schlechten
Herberge und wurde des Nachts zu seiner Schonen von einer Kammerjungfer
geführt, die er sehr wohl bezahlte. Dies dauerte einige Zeit und stets nnter
Vorsichtsmaßregeln ohne Eude. Die Kammerzofe hatte Gewissensbisse und ge¬
stand ihm, daß man ihn hintergehe und daß man ebenso viele Anbeter habe, als
er Tage im Exile schmachte. Anfangs wollte er nichts glauben, doch endlich
nahm er das Anerbieten eines Versuches an. Man versteckte ihn in ein Cabinet
und von da aus sah er durch ein Schlüsselloch den abscheulichsten Beweis vor
sich. Beyle sagte mir, daß das Eigenthümliche der Sache und die Lächerlichkeit


auf, um ihm das Kreuz zu geben; allein er versteckte sich und leugnete anfänglich,
bei dieser Affaire gegenwärtig gewesen zu sein, überzeugt, daß nichts schlechter
sei, als bei einer Niederlage bemerkt zu werden. Er glaubte, mau wolle ihn
todtschießen lassen.

Ueber die Liebe war Beyle noch beredter als über den Krieg. Ich habe
ihn nie anders als verliebt gesehen oder indem er glaubte, es zu sei». Aber
er hatte zwei Leidenschaften lamours-passions wie er sich ausdrückte), von
denen er nie geheilt worden. Die eine, die ältere glaube ich, wurde ihm von
Madame ^ eingeflößt, damals im vollen Glänze ihrer Schönheit. Er hatte viel
mächtige Herren zu Nebenbuhlern, uuter andern einen General, der sehr in Gunst
stand und eines Tages seine Stellung benutzte um Beyle zu zwingen, das Feld
zu räumen. Am selbigen Abend wußte Beyle dem General eine Fabel von seiner
Komposition in die Hand zu spielen, in welcher er ihm eine allegorische Heraus¬
forderung zuschickte. Ich weiß nicht ob die Fabel verstanden worden, aber ihre
Moral wurde nicht angenommen und Beyle erhielt einen derben Verweis von
Herrn D., seinem Verwandten und Beschützer. Dies verhinderte ihn aber nicht,
seine Verfolgungen fortzusetzen. Im Jahre 1836 erzählte mir Beyle diese Be¬
gebenheit eines Abends nnter den großen Bäumen der Promenade von Laon.
Er fügte hinzu, daß er soeben von Madame käme, die damals siebenundvierzig
Jahre alt gewesen und daß er sich ebenso verliebt gefühlt wie am ersten Tage.
Beide hatten in der Zwischenzeit manche Leidenschaft gehabt. „Wie können Sie
mich noch in meinem Alter lieben?" fragte sie. Er bewies es ihr sehr wohl und
nie habe ich ihn so bewegt gesehen. Er hatte Thränen im Ange als er mit
mir sprach.

Seine andere „Liebesleidenschaft" wurde ihm durch eine schöne Mailänderin
Madame 1"!"!' eingeflößt. Trotz der Ehrlichkeit der Italienerinnen, welche
Beyle stets der Coquetterie unserer Frauen entgegenhielt, hinterging ihn Ma¬
dame 1"!''I' auf die unwürdigste Weise. Sie wußte ihm einzureden, daß ihr
Gemahl, der gutmüthigste Mensch der Welt, ein Ungeheuer von Eifersucht sei.
Sie zwang ihn sich in Turin zu verstecke», weil seine Gegenwart in Mailand sie
ins Verderben stürzen würde, wie sie sagte. Alle zehn Tage einmal, im strengsten
Winter, kam Beyle ganz incognito nach Mailand, versteckte sich in einer schlechten
Herberge und wurde des Nachts zu seiner Schonen von einer Kammerjungfer
geführt, die er sehr wohl bezahlte. Dies dauerte einige Zeit und stets nnter
Vorsichtsmaßregeln ohne Eude. Die Kammerzofe hatte Gewissensbisse und ge¬
stand ihm, daß man ihn hintergehe und daß man ebenso viele Anbeter habe, als
er Tage im Exile schmachte. Anfangs wollte er nichts glauben, doch endlich
nahm er das Anerbieten eines Versuches an. Man versteckte ihn in ein Cabinet
und von da aus sah er durch ein Schlüsselloch den abscheulichsten Beweis vor
sich. Beyle sagte mir, daß das Eigenthümliche der Sache und die Lächerlichkeit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/344>, abgerufen am 23.07.2024.