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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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stand den Ständen ein mehr "der weniger entscheidendes Wort zu. Schon -1815-,
eilf die allgemeine Versammlung für das Königreich zum ersten Male berufen
und in allen wesentlichen Stucken mit den bisherigen Befugnissen der Provinzial-
landschaften bekleidet worden war, hatten die damaligen Stände "in dankbarer
Rührung über das Entgegenkommen der Negierung" den gar nicht wieder gut¬
zumachenden Fehler begangen, daß sie das Domanium -- das sogenannte
Krongut -- seiner im alten Recht begründeten Verpflichtung enthoben, zunächst
und vorzugsweise für den Bedarf des Staats zu sorgen. Sie übernahmen aus
die Steuerkraft des Landes, was dem Herkommen und der Verfassung gemäß
auf den: Grundbesitz der Krone lastete, und zogen diesen nur snbstdiarisch herbei,
wo er als erste Hilfsquelle hätte eintreten sollen. Indessen schien es, daß zwan¬
zig Jahre der Praxis eine Erfahrung gebracht hätten, welche die immer drohenden
Gefahren dieser Rechtsverwirrung beseitigen würde, als das Staatsgrundgesetz
von 1833 die Vereinigung beider Kassen zu einer einzigen Generalkasse
aussprach. Damit war vereinigt, was ohne die schlimmste Gefahr für beide
Theile ungetrennt sein kann, das Interesse des Königs und dasjenige des Landes.
Was konnte einleuchtender scheinen? Dennoch besann sich der Fürst, welcher 1837
den hannöverschen Thron bestieg, nicht einen Augenblick, den alten Zustand wieder
heraufzubeschwören. Von despotischer Sinnesart wie er damals war, wollte er
nicht über alle und jede Ausgabe des öffentlichen Schatzes der lästigen Controle
der Kammern unterworfen sein, und in einer sehr unbestimmten und in der That
durchaus irrigen Vorstellung von den Folgen seines Schrittes riß er die beiden
Kassen von neuem aus ihrer kaum vollzogenen Verschmelzung. Aber nie hat sich
eine Laune ärger gerächt. Denn da der König nicht ohne weiteres den
Absolutismus, sondern die Herstellung der Verfassung von 1819 verkündet hatte,
so, wurde auch das damals eingesetzte Schatzcolleginm neu in's Leben gerufen.
Ernst August meinte wol, da er besser commandiren als rechnen gelernt hatte,
mit der Ernennung einiger ständischer Perücken zu Schatzräthen einen sehr un¬
verfänglichen Act königlicher Gnade zu üben. Allein der Erfolg zeigte ihm .in
kürzester Frist, daß mit der unschuldigen kleinen Einrichtung des Schatzcollegs,
die Kassentrennung zu einer weit ärgeren Ruthe des monarchischen Princips
geworden sei, als- die Kassenvcreiniguug jemals Hu sein vermochte. Von 1841
bis 1848 sind die Schatzräthe in Hannover nichts Geringeres als ein collectiver
Finanzminister gewesen. Und die Sache ging sehr natürlich zu. Denn da die
Ausgaben der Generalsteuerkasse der ständischen Bewilligung unterlagen -- eine
Bewilligung, die natürlich nnn um so zurückhaltender geübt wurde, weil sie
gewaltsam auf diese Hälfte der öffentlichen Einnahmen beschränkt worden war
so hütete sich der Finanzminister des Königs wol, einen irgend verfänglichen Posten ans
jene Kasse zu schieben. Die Folge war, daß die königliche Generalkasse beständig und
in steigenden Graden außer Verhältniß stark belastet wurde, und sodann auch bei


stand den Ständen ein mehr »der weniger entscheidendes Wort zu. Schon -1815-,
eilf die allgemeine Versammlung für das Königreich zum ersten Male berufen
und in allen wesentlichen Stucken mit den bisherigen Befugnissen der Provinzial-
landschaften bekleidet worden war, hatten die damaligen Stände „in dankbarer
Rührung über das Entgegenkommen der Negierung" den gar nicht wieder gut¬
zumachenden Fehler begangen, daß sie das Domanium — das sogenannte
Krongut — seiner im alten Recht begründeten Verpflichtung enthoben, zunächst
und vorzugsweise für den Bedarf des Staats zu sorgen. Sie übernahmen aus
die Steuerkraft des Landes, was dem Herkommen und der Verfassung gemäß
auf den: Grundbesitz der Krone lastete, und zogen diesen nur snbstdiarisch herbei,
wo er als erste Hilfsquelle hätte eintreten sollen. Indessen schien es, daß zwan¬
zig Jahre der Praxis eine Erfahrung gebracht hätten, welche die immer drohenden
Gefahren dieser Rechtsverwirrung beseitigen würde, als das Staatsgrundgesetz
von 1833 die Vereinigung beider Kassen zu einer einzigen Generalkasse
aussprach. Damit war vereinigt, was ohne die schlimmste Gefahr für beide
Theile ungetrennt sein kann, das Interesse des Königs und dasjenige des Landes.
Was konnte einleuchtender scheinen? Dennoch besann sich der Fürst, welcher 1837
den hannöverschen Thron bestieg, nicht einen Augenblick, den alten Zustand wieder
heraufzubeschwören. Von despotischer Sinnesart wie er damals war, wollte er
nicht über alle und jede Ausgabe des öffentlichen Schatzes der lästigen Controle
der Kammern unterworfen sein, und in einer sehr unbestimmten und in der That
durchaus irrigen Vorstellung von den Folgen seines Schrittes riß er die beiden
Kassen von neuem aus ihrer kaum vollzogenen Verschmelzung. Aber nie hat sich
eine Laune ärger gerächt. Denn da der König nicht ohne weiteres den
Absolutismus, sondern die Herstellung der Verfassung von 1819 verkündet hatte,
so, wurde auch das damals eingesetzte Schatzcolleginm neu in's Leben gerufen.
Ernst August meinte wol, da er besser commandiren als rechnen gelernt hatte,
mit der Ernennung einiger ständischer Perücken zu Schatzräthen einen sehr un¬
verfänglichen Act königlicher Gnade zu üben. Allein der Erfolg zeigte ihm .in
kürzester Frist, daß mit der unschuldigen kleinen Einrichtung des Schatzcollegs,
die Kassentrennung zu einer weit ärgeren Ruthe des monarchischen Princips
geworden sei, als- die Kassenvcreiniguug jemals Hu sein vermochte. Von 1841
bis 1848 sind die Schatzräthe in Hannover nichts Geringeres als ein collectiver
Finanzminister gewesen. Und die Sache ging sehr natürlich zu. Denn da die
Ausgaben der Generalsteuerkasse der ständischen Bewilligung unterlagen — eine
Bewilligung, die natürlich nnn um so zurückhaltender geübt wurde, weil sie
gewaltsam auf diese Hälfte der öffentlichen Einnahmen beschränkt worden war
so hütete sich der Finanzminister des Königs wol, einen irgend verfänglichen Posten ans
jene Kasse zu schieben. Die Folge war, daß die königliche Generalkasse beständig und
in steigenden Graden außer Verhältniß stark belastet wurde, und sodann auch bei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/28>, abgerufen am 26.06.2024.