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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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das Reich aufreibe" und namentlich die Hauptstadt, welche ihren Vorrat!) aus
den südlichen Provinzen bezieht."

Wenn nun auch eine chinesische Armee nicht so gefährlich sein mag, wie eine
europäische -- so ist doch wahrscheinlich, daß die Insurgenten ihren Siegeslauf
bis nach Peking fortsetzen werden.

Unter den Nachrichten, die über die Ereignisse der jüngsten Monate bekannt
geworden, befindet sich auch die vom Tode des Si-wang, des Königs des Westen.
Hier-fung ruft den Himmel um seinen Schutz an und legt eine öffentliche Beichte
seiner Sünden ab. Hier-fung begreift endlich auch, daß sein tartarischer Ur¬
sprung ihn verhaßt gemacht und er sucht diesen Eindruck zu mildern, indem er den
tartarischen Truppen die größte Schonung befiehlt, sowie sie den chinesischen
Boden betreten. Aber im Schoße seiner Höflinge und Frauen gefangen, kann
der junge Monarch über der Absetzung und Hinrichtung seiner Generale zu keinem
rechten politischen Acte kommen, während die Jnsurgenten durch wohlbedachte
Manifeste sich den Anhang der Bevölkerung zu verschaffe" suchen. Die Häuser
aller, die auf ihre Thüren "Gehorsam" schreiben, sind geschützt und Tieu-te weiß
überall die Frauen vor deu Beleidigungen seiner siegestrunkenen Scharen
zu schütze".

Aus den Berichten der Missionen von Nanking, welche als bekannt vor¬
ausgesetzt werden können, da sie die meisten Journale mitgetheilt, geht hervor,
daß das Christenthum von den Rebellen Vorschub zu erwarten habe und die
Residenten der europäischen Mächte in Schang-Hai scheinen dies begriffen zu
haben und lassen sich durch die heuchlerischen Vorspiegelungen der schlauen Man¬
darine nicht täusche". ES ist nach allem, was bisher bekannt geworden, anzu¬
nehmen , daß die Insurgenten noch in diesem Jahre die Hauptstadt des Nordens
in ihre Gewalt bekommen werden.

Die gegenwärtige Revolution verdankt ihren Ursprung vorzüglich zwei Um¬
standen. Als der englische Krieg mit den Chinesen begann, suchte der damalige
Herrscher deu Fanatismus seines Volkes z" erwecken und aus deu damals er¬
laubte" bewaffneten Clubs gingen später die ersten Kontingente der Revolution
hervor. Die größere Berührung mit dem Westen war eine Folge des englisch¬
chinesischen Krieges gewesen. Die gelehrten Classen machten sich bekannter mit dem
Wesen europäischer Bildung und um diese Zeit gründete auch Gützlaff seine chinesische
Union. Es ist aber schon bemerkt worden, daß die geheimen Propaganda-Ver¬
eine, und vorzüglich drei derselben, den größten Einfluß auf die Bewegung der
Jnsurrection gewinnen. So vereinigt sich der Haß gegen die Dynastie mit dem
Geiste der christlichen Civilisation und dies ist es, was der jetzigen Bewegung,
dem wahrscheinlichen Sturze der Mandschu, eine so große Bedeutung gibt.

Die Herren Callery und Ivan schließen ihr interessantes Werk mit einem
Schreiben des Dr. Upar von einem Literaten ans Macao. Dasselbe ist vom


Grenzboten. III. 18S3. 33

das Reich aufreibe» und namentlich die Hauptstadt, welche ihren Vorrat!) aus
den südlichen Provinzen bezieht."

Wenn nun auch eine chinesische Armee nicht so gefährlich sein mag, wie eine
europäische — so ist doch wahrscheinlich, daß die Insurgenten ihren Siegeslauf
bis nach Peking fortsetzen werden.

Unter den Nachrichten, die über die Ereignisse der jüngsten Monate bekannt
geworden, befindet sich auch die vom Tode des Si-wang, des Königs des Westen.
Hier-fung ruft den Himmel um seinen Schutz an und legt eine öffentliche Beichte
seiner Sünden ab. Hier-fung begreift endlich auch, daß sein tartarischer Ur¬
sprung ihn verhaßt gemacht und er sucht diesen Eindruck zu mildern, indem er den
tartarischen Truppen die größte Schonung befiehlt, sowie sie den chinesischen
Boden betreten. Aber im Schoße seiner Höflinge und Frauen gefangen, kann
der junge Monarch über der Absetzung und Hinrichtung seiner Generale zu keinem
rechten politischen Acte kommen, während die Jnsurgenten durch wohlbedachte
Manifeste sich den Anhang der Bevölkerung zu verschaffe» suchen. Die Häuser
aller, die auf ihre Thüren „Gehorsam" schreiben, sind geschützt und Tieu-te weiß
überall die Frauen vor deu Beleidigungen seiner siegestrunkenen Scharen
zu schütze».

Aus den Berichten der Missionen von Nanking, welche als bekannt vor¬
ausgesetzt werden können, da sie die meisten Journale mitgetheilt, geht hervor,
daß das Christenthum von den Rebellen Vorschub zu erwarten habe und die
Residenten der europäischen Mächte in Schang-Hai scheinen dies begriffen zu
haben und lassen sich durch die heuchlerischen Vorspiegelungen der schlauen Man¬
darine nicht täusche». ES ist nach allem, was bisher bekannt geworden, anzu¬
nehmen , daß die Insurgenten noch in diesem Jahre die Hauptstadt des Nordens
in ihre Gewalt bekommen werden.

Die gegenwärtige Revolution verdankt ihren Ursprung vorzüglich zwei Um¬
standen. Als der englische Krieg mit den Chinesen begann, suchte der damalige
Herrscher deu Fanatismus seines Volkes z» erwecken und aus deu damals er¬
laubte» bewaffneten Clubs gingen später die ersten Kontingente der Revolution
hervor. Die größere Berührung mit dem Westen war eine Folge des englisch¬
chinesischen Krieges gewesen. Die gelehrten Classen machten sich bekannter mit dem
Wesen europäischer Bildung und um diese Zeit gründete auch Gützlaff seine chinesische
Union. Es ist aber schon bemerkt worden, daß die geheimen Propaganda-Ver¬
eine, und vorzüglich drei derselben, den größten Einfluß auf die Bewegung der
Jnsurrection gewinnen. So vereinigt sich der Haß gegen die Dynastie mit dem
Geiste der christlichen Civilisation und dies ist es, was der jetzigen Bewegung,
dem wahrscheinlichen Sturze der Mandschu, eine so große Bedeutung gibt.

Die Herren Callery und Ivan schließen ihr interessantes Werk mit einem
Schreiben des Dr. Upar von einem Literaten ans Macao. Dasselbe ist vom


Grenzboten. III. 18S3. 33
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[0265] das Reich aufreibe» und namentlich die Hauptstadt, welche ihren Vorrat!) aus den südlichen Provinzen bezieht." Wenn nun auch eine chinesische Armee nicht so gefährlich sein mag, wie eine europäische — so ist doch wahrscheinlich, daß die Insurgenten ihren Siegeslauf bis nach Peking fortsetzen werden. Unter den Nachrichten, die über die Ereignisse der jüngsten Monate bekannt geworden, befindet sich auch die vom Tode des Si-wang, des Königs des Westen. Hier-fung ruft den Himmel um seinen Schutz an und legt eine öffentliche Beichte seiner Sünden ab. Hier-fung begreift endlich auch, daß sein tartarischer Ur¬ sprung ihn verhaßt gemacht und er sucht diesen Eindruck zu mildern, indem er den tartarischen Truppen die größte Schonung befiehlt, sowie sie den chinesischen Boden betreten. Aber im Schoße seiner Höflinge und Frauen gefangen, kann der junge Monarch über der Absetzung und Hinrichtung seiner Generale zu keinem rechten politischen Acte kommen, während die Jnsurgenten durch wohlbedachte Manifeste sich den Anhang der Bevölkerung zu verschaffe» suchen. Die Häuser aller, die auf ihre Thüren „Gehorsam" schreiben, sind geschützt und Tieu-te weiß überall die Frauen vor deu Beleidigungen seiner siegestrunkenen Scharen zu schütze». Aus den Berichten der Missionen von Nanking, welche als bekannt vor¬ ausgesetzt werden können, da sie die meisten Journale mitgetheilt, geht hervor, daß das Christenthum von den Rebellen Vorschub zu erwarten habe und die Residenten der europäischen Mächte in Schang-Hai scheinen dies begriffen zu haben und lassen sich durch die heuchlerischen Vorspiegelungen der schlauen Man¬ darine nicht täusche». ES ist nach allem, was bisher bekannt geworden, anzu¬ nehmen , daß die Insurgenten noch in diesem Jahre die Hauptstadt des Nordens in ihre Gewalt bekommen werden. Die gegenwärtige Revolution verdankt ihren Ursprung vorzüglich zwei Um¬ standen. Als der englische Krieg mit den Chinesen begann, suchte der damalige Herrscher deu Fanatismus seines Volkes z» erwecken und aus deu damals er¬ laubte» bewaffneten Clubs gingen später die ersten Kontingente der Revolution hervor. Die größere Berührung mit dem Westen war eine Folge des englisch¬ chinesischen Krieges gewesen. Die gelehrten Classen machten sich bekannter mit dem Wesen europäischer Bildung und um diese Zeit gründete auch Gützlaff seine chinesische Union. Es ist aber schon bemerkt worden, daß die geheimen Propaganda-Ver¬ eine, und vorzüglich drei derselben, den größten Einfluß auf die Bewegung der Jnsurrection gewinnen. So vereinigt sich der Haß gegen die Dynastie mit dem Geiste der christlichen Civilisation und dies ist es, was der jetzigen Bewegung, dem wahrscheinlichen Sturze der Mandschu, eine so große Bedeutung gibt. Die Herren Callery und Ivan schließen ihr interessantes Werk mit einem Schreiben des Dr. Upar von einem Literaten ans Macao. Dasselbe ist vom Grenzboten. III. 18S3. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/265>, abgerufen am 23.07.2024.