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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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revolutionären Uebergewichte der thierischen Masse .... Sie sind die wahren
Vertreter des überall die Welt in Besitz nehmenden Lebens, der frischen Lebens¬
lust, der heitern Bewegung. Ohne sie wäre das Gebirg todeStraurig und fast
reizlos. Dachten wir uns ans unsern Wäldern und Feldern, aus den Wiesen
und Weiden, von den Felsen und Bächen das lustige Volk der Vögel weg, so
würde uns eins der wichtigsten Bindeglieder fehlen, das unser Leben mit dem
der untern organischen und mit der unorganischen Natur vermittelt." -- Acrmer
als die Vögelwelt ist aber die der Säugcihiere in der mondänen Region; schon
hier beginnt langsam jenes Absterben, welches sich stetig fortsetzt bis in die Firn¬
meere und Gletschergipfcl, wo außer der Schneemaus wol kein einziger Vierfüßler
sein ganzes Leben ständig zubringt.

Wir sind den formellen Eintheilungen der Darstellungen der mondänen Zone
genauer gefolgt, um daran den Gang zu zeigen, welchen der Verf. gleicherweise
zur Schilderung der Alpen- --7000' ü. M.) und Schneeregion (7---14,000')
einschlägt. Jeder dieser allgemeineren Charakteristiken folgen aber als treffliche
Genre- und Lebensbilder einzelne Biographien und Zeichnungen der hervorragen¬
deren Thiere der verschiedenen Kreise. Nur mit Mühe unterdrücken wir einzelne
Proben. Wer aber das Buch zur Hand nimmt, der lese: die Bachforelle, das
Auerwild, die Dachse, die Steinhühner, die Lämmergeier, Gemsen- und Gemsen¬
jagd, die Bären, die Alpenmurmelthierc oder die Steinböcke der Centralalpcn--
und er wird bei dem flüchtigen Blicke nicht stehen bleiben können, er wird die
Naturwanderung mit dem Verfasser beginnen, um ihm zu den obersten Firngipfeln
zu folgen und dann niedersteigend am Leben der "zahmen Thiere der Alpen " ' sich
wieder in den Cultnrfrieden behaglich einzuspiunen.

Eine Welt sind diese Alpen, kein bloßes Gewirr grüner Thäler, grauer
Fellen und silberner Gletscherstrnen. Wie viele fliegen oberflächlich hindurch! Aber
man kann sie auch durchklettert, in ihnen gelebt haben, sogar wol selbstständigen
Forschungen nachgegangen sein -- und, gestehen wir es offen, wie viele sind
unter uns, die es thaten, und denen der volle Umfang ihrer kosmischen Bedeu¬
tung, die ganze Nothwendigkeit ihrer eigenthümlichen Lebensentwickeluugcn, ihre
Verflechtungen und Verkettungen, das gegenseitige Erzeugen und Vernichten ihrer
organischen und unorganischen Schöpfungen, die physiologische Vegetation und
der Athemzug ihrer Gesammtheit kein bloßer Begriff geblieben? In Friedrich
v. Tschudis Thierleben wirds Mark und Blut, Pulsschlag und Geisteswehen,
ein voller, ganzer, schöner Organismus.




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revolutionären Uebergewichte der thierischen Masse .... Sie sind die wahren
Vertreter des überall die Welt in Besitz nehmenden Lebens, der frischen Lebens¬
lust, der heitern Bewegung. Ohne sie wäre das Gebirg todeStraurig und fast
reizlos. Dachten wir uns ans unsern Wäldern und Feldern, aus den Wiesen
und Weiden, von den Felsen und Bächen das lustige Volk der Vögel weg, so
würde uns eins der wichtigsten Bindeglieder fehlen, das unser Leben mit dem
der untern organischen und mit der unorganischen Natur vermittelt." — Acrmer
als die Vögelwelt ist aber die der Säugcihiere in der mondänen Region; schon
hier beginnt langsam jenes Absterben, welches sich stetig fortsetzt bis in die Firn¬
meere und Gletschergipfcl, wo außer der Schneemaus wol kein einziger Vierfüßler
sein ganzes Leben ständig zubringt.

Wir sind den formellen Eintheilungen der Darstellungen der mondänen Zone
genauer gefolgt, um daran den Gang zu zeigen, welchen der Verf. gleicherweise
zur Schilderung der Alpen- —7000' ü. M.) und Schneeregion (7-—14,000')
einschlägt. Jeder dieser allgemeineren Charakteristiken folgen aber als treffliche
Genre- und Lebensbilder einzelne Biographien und Zeichnungen der hervorragen¬
deren Thiere der verschiedenen Kreise. Nur mit Mühe unterdrücken wir einzelne
Proben. Wer aber das Buch zur Hand nimmt, der lese: die Bachforelle, das
Auerwild, die Dachse, die Steinhühner, die Lämmergeier, Gemsen- und Gemsen¬
jagd, die Bären, die Alpenmurmelthierc oder die Steinböcke der Centralalpcn—
und er wird bei dem flüchtigen Blicke nicht stehen bleiben können, er wird die
Naturwanderung mit dem Verfasser beginnen, um ihm zu den obersten Firngipfeln
zu folgen und dann niedersteigend am Leben der „zahmen Thiere der Alpen " ' sich
wieder in den Cultnrfrieden behaglich einzuspiunen.

Eine Welt sind diese Alpen, kein bloßes Gewirr grüner Thäler, grauer
Fellen und silberner Gletscherstrnen. Wie viele fliegen oberflächlich hindurch! Aber
man kann sie auch durchklettert, in ihnen gelebt haben, sogar wol selbstständigen
Forschungen nachgegangen sein — und, gestehen wir es offen, wie viele sind
unter uns, die es thaten, und denen der volle Umfang ihrer kosmischen Bedeu¬
tung, die ganze Nothwendigkeit ihrer eigenthümlichen Lebensentwickeluugcn, ihre
Verflechtungen und Verkettungen, das gegenseitige Erzeugen und Vernichten ihrer
organischen und unorganischen Schöpfungen, die physiologische Vegetation und
der Athemzug ihrer Gesammtheit kein bloßer Begriff geblieben? In Friedrich
v. Tschudis Thierleben wirds Mark und Blut, Pulsschlag und Geisteswehen,
ein voller, ganzer, schöner Organismus.




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[0147] revolutionären Uebergewichte der thierischen Masse .... Sie sind die wahren Vertreter des überall die Welt in Besitz nehmenden Lebens, der frischen Lebens¬ lust, der heitern Bewegung. Ohne sie wäre das Gebirg todeStraurig und fast reizlos. Dachten wir uns ans unsern Wäldern und Feldern, aus den Wiesen und Weiden, von den Felsen und Bächen das lustige Volk der Vögel weg, so würde uns eins der wichtigsten Bindeglieder fehlen, das unser Leben mit dem der untern organischen und mit der unorganischen Natur vermittelt." — Acrmer als die Vögelwelt ist aber die der Säugcihiere in der mondänen Region; schon hier beginnt langsam jenes Absterben, welches sich stetig fortsetzt bis in die Firn¬ meere und Gletschergipfcl, wo außer der Schneemaus wol kein einziger Vierfüßler sein ganzes Leben ständig zubringt. Wir sind den formellen Eintheilungen der Darstellungen der mondänen Zone genauer gefolgt, um daran den Gang zu zeigen, welchen der Verf. gleicherweise zur Schilderung der Alpen- —7000' ü. M.) und Schneeregion (7-—14,000') einschlägt. Jeder dieser allgemeineren Charakteristiken folgen aber als treffliche Genre- und Lebensbilder einzelne Biographien und Zeichnungen der hervorragen¬ deren Thiere der verschiedenen Kreise. Nur mit Mühe unterdrücken wir einzelne Proben. Wer aber das Buch zur Hand nimmt, der lese: die Bachforelle, das Auerwild, die Dachse, die Steinhühner, die Lämmergeier, Gemsen- und Gemsen¬ jagd, die Bären, die Alpenmurmelthierc oder die Steinböcke der Centralalpcn— und er wird bei dem flüchtigen Blicke nicht stehen bleiben können, er wird die Naturwanderung mit dem Verfasser beginnen, um ihm zu den obersten Firngipfeln zu folgen und dann niedersteigend am Leben der „zahmen Thiere der Alpen " ' sich wieder in den Cultnrfrieden behaglich einzuspiunen. Eine Welt sind diese Alpen, kein bloßes Gewirr grüner Thäler, grauer Fellen und silberner Gletscherstrnen. Wie viele fliegen oberflächlich hindurch! Aber man kann sie auch durchklettert, in ihnen gelebt haben, sogar wol selbstständigen Forschungen nachgegangen sein — und, gestehen wir es offen, wie viele sind unter uns, die es thaten, und denen der volle Umfang ihrer kosmischen Bedeu¬ tung, die ganze Nothwendigkeit ihrer eigenthümlichen Lebensentwickeluugcn, ihre Verflechtungen und Verkettungen, das gegenseitige Erzeugen und Vernichten ihrer organischen und unorganischen Schöpfungen, die physiologische Vegetation und der Athemzug ihrer Gesammtheit kein bloßer Begriff geblieben? In Friedrich v. Tschudis Thierleben wirds Mark und Blut, Pulsschlag und Geisteswehen, ein voller, ganzer, schöner Organismus. 18*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/147>, abgerufen am 01.07.2024.