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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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aueh seiner Erscheinung, das Ebenmaß der Glieder, die glänzende, freie Stirn,
das lichtbraune Haar, das in sanften Weitungen dem edelgeformten Kopfe sich
anschmiegt. Man sieht es dem Manne an, daß es die schöne, liebenswürdige
Welt von Hellas ist, die ihn durch eine geistige Wahlverwandtschaft in ihre
lichten, hehren Räume geladen hat, und daß er die Darstellung hellenischen
Maßes und hellenischer Schönheit in der Wissenschaft, wie im Knustgebilde des
eignen Lebens sich zur Aufgabe gemacht, jener Kalokagathie, der wir in weißer
Binde und modernem Frack nnr allzuselten begegnen. Mit wohllautender Stimme,
in schlichten, aber wohlgewählten und wohlgesetzten, von dem Hauche einer milde"
Begeisterung getragenen Worten schildert Ernst Curtius die Aufgabe der Alter¬
thumsforschung als eindringendes und durchdringendes Erfassen des Geistes der
Culturvölker nach allen ihren Lebensbeziehungen, eine Aufgabe, die keineswegs
gelöst sei. Selbst die Freunde dieser Studie", ihrer Feinde ganz zu geschweige",
seien oft deBMeinnug, daß a"f diesem Gebiete, so hoch es a" sich zu stellen,
die wesentliche Arbeit gethan sei, daß man jüngere Kräfte vielmehr zur Forschung
ans dem Felde der Naturwissenschaften anreizen müsse, wo ergiebigere Thätigkeit
sich ihnen eröffne -- an dem Beispiel seines eignen Lebens weiß er es geschickt
und einleuchtend darzustellen, daß jedem, der mit frischer Kraft und mit Begeiste¬
rung a" das Alterthum Herautritt, große und des Schweißes der Edeln würdige
Aufgabe" sich aufdrängen, daß es hier vielmehr an Kräften für die Arbeit, als
an Arbeit für die vorhandenen Kräfte fehle. Unmittelbar, nachdem er die Hör¬
säle verlassen, hat sein glücklicher Stern ihn unter den günstigsten Bedingungen
als Genossen des Brandisschen Hauses uach Griechenland geführt. Nach allen
Richtungen hat er das Land durchforscht, das deu Mittelpunkt seiner Studien
bildet, an der Hand seiner großen Lehrer, Carl Ritter und Otfried Müller, hat
er es durchwandert. Zwar vielfach war es von ihm bereist, beschrieben, aber
noch war die Ausgabe nicht gelöst, auf der wissenschaftlichen Grundlage der all¬
gemeinen Erdkunde, wie Ritter sie ins Lebe" gerufen, ein Bild der Oertlichkeit
des gesammten Landes in gleichmäßiger Durchdringung der natürlichen und der
geschichtlichen Verhältnisse darzustellen, das, alle Seiten hellenische" Lebens und
hellenischer Kunst zusammenfassend, das alte Griechenland vor unserm Blicke aus
verfallenen Trümmern zu frischem, jungem Leben hervorzauberte. Dieser Aufgabe
hat er sich geweiht: ein Stück derselben liegt in seinem Peloponnes vollendet
vor. Aber damit im Zusammenhange steht die Erforschung der Geschichte, der
Kunst von Hellas und ihrer Denkmäler. Seine Beschäftigung mit denselben weiß
der Redner zu einem anziehenden Bilde abzurunden, in welchem er vor allem es
hervorhebt, wie nach Müllers vielbeklagtem Tode die Bearbeitung des letzten,
gemeinsam mit jenem gehobenen Schatzes Delphischer Inschriften ihm zugefallen,
wie infolge dessen der ehrenwerthe Auftrag ihm geworden sei, die unter deu
Auspicien der Akademie von dem großen Meister Böckh begründete, später nach


aueh seiner Erscheinung, das Ebenmaß der Glieder, die glänzende, freie Stirn,
das lichtbraune Haar, das in sanften Weitungen dem edelgeformten Kopfe sich
anschmiegt. Man sieht es dem Manne an, daß es die schöne, liebenswürdige
Welt von Hellas ist, die ihn durch eine geistige Wahlverwandtschaft in ihre
lichten, hehren Räume geladen hat, und daß er die Darstellung hellenischen
Maßes und hellenischer Schönheit in der Wissenschaft, wie im Knustgebilde des
eignen Lebens sich zur Aufgabe gemacht, jener Kalokagathie, der wir in weißer
Binde und modernem Frack nnr allzuselten begegnen. Mit wohllautender Stimme,
in schlichten, aber wohlgewählten und wohlgesetzten, von dem Hauche einer milde»
Begeisterung getragenen Worten schildert Ernst Curtius die Aufgabe der Alter¬
thumsforschung als eindringendes und durchdringendes Erfassen des Geistes der
Culturvölker nach allen ihren Lebensbeziehungen, eine Aufgabe, die keineswegs
gelöst sei. Selbst die Freunde dieser Studie», ihrer Feinde ganz zu geschweige»,
seien oft deBMeinnug, daß a»f diesem Gebiete, so hoch es a» sich zu stellen,
die wesentliche Arbeit gethan sei, daß man jüngere Kräfte vielmehr zur Forschung
ans dem Felde der Naturwissenschaften anreizen müsse, wo ergiebigere Thätigkeit
sich ihnen eröffne — an dem Beispiel seines eignen Lebens weiß er es geschickt
und einleuchtend darzustellen, daß jedem, der mit frischer Kraft und mit Begeiste¬
rung a» das Alterthum Herautritt, große und des Schweißes der Edeln würdige
Aufgabe» sich aufdrängen, daß es hier vielmehr an Kräften für die Arbeit, als
an Arbeit für die vorhandenen Kräfte fehle. Unmittelbar, nachdem er die Hör¬
säle verlassen, hat sein glücklicher Stern ihn unter den günstigsten Bedingungen
als Genossen des Brandisschen Hauses uach Griechenland geführt. Nach allen
Richtungen hat er das Land durchforscht, das deu Mittelpunkt seiner Studien
bildet, an der Hand seiner großen Lehrer, Carl Ritter und Otfried Müller, hat
er es durchwandert. Zwar vielfach war es von ihm bereist, beschrieben, aber
noch war die Ausgabe nicht gelöst, auf der wissenschaftlichen Grundlage der all¬
gemeinen Erdkunde, wie Ritter sie ins Lebe» gerufen, ein Bild der Oertlichkeit
des gesammten Landes in gleichmäßiger Durchdringung der natürlichen und der
geschichtlichen Verhältnisse darzustellen, das, alle Seiten hellenische» Lebens und
hellenischer Kunst zusammenfassend, das alte Griechenland vor unserm Blicke aus
verfallenen Trümmern zu frischem, jungem Leben hervorzauberte. Dieser Aufgabe
hat er sich geweiht: ein Stück derselben liegt in seinem Peloponnes vollendet
vor. Aber damit im Zusammenhange steht die Erforschung der Geschichte, der
Kunst von Hellas und ihrer Denkmäler. Seine Beschäftigung mit denselben weiß
der Redner zu einem anziehenden Bilde abzurunden, in welchem er vor allem es
hervorhebt, wie nach Müllers vielbeklagtem Tode die Bearbeitung des letzten,
gemeinsam mit jenem gehobenen Schatzes Delphischer Inschriften ihm zugefallen,
wie infolge dessen der ehrenwerthe Auftrag ihm geworden sei, die unter deu
Auspicien der Akademie von dem großen Meister Böckh begründete, später nach


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[0133] aueh seiner Erscheinung, das Ebenmaß der Glieder, die glänzende, freie Stirn, das lichtbraune Haar, das in sanften Weitungen dem edelgeformten Kopfe sich anschmiegt. Man sieht es dem Manne an, daß es die schöne, liebenswürdige Welt von Hellas ist, die ihn durch eine geistige Wahlverwandtschaft in ihre lichten, hehren Räume geladen hat, und daß er die Darstellung hellenischen Maßes und hellenischer Schönheit in der Wissenschaft, wie im Knustgebilde des eignen Lebens sich zur Aufgabe gemacht, jener Kalokagathie, der wir in weißer Binde und modernem Frack nnr allzuselten begegnen. Mit wohllautender Stimme, in schlichten, aber wohlgewählten und wohlgesetzten, von dem Hauche einer milde» Begeisterung getragenen Worten schildert Ernst Curtius die Aufgabe der Alter¬ thumsforschung als eindringendes und durchdringendes Erfassen des Geistes der Culturvölker nach allen ihren Lebensbeziehungen, eine Aufgabe, die keineswegs gelöst sei. Selbst die Freunde dieser Studie», ihrer Feinde ganz zu geschweige», seien oft deBMeinnug, daß a»f diesem Gebiete, so hoch es a» sich zu stellen, die wesentliche Arbeit gethan sei, daß man jüngere Kräfte vielmehr zur Forschung ans dem Felde der Naturwissenschaften anreizen müsse, wo ergiebigere Thätigkeit sich ihnen eröffne — an dem Beispiel seines eignen Lebens weiß er es geschickt und einleuchtend darzustellen, daß jedem, der mit frischer Kraft und mit Begeiste¬ rung a» das Alterthum Herautritt, große und des Schweißes der Edeln würdige Aufgabe» sich aufdrängen, daß es hier vielmehr an Kräften für die Arbeit, als an Arbeit für die vorhandenen Kräfte fehle. Unmittelbar, nachdem er die Hör¬ säle verlassen, hat sein glücklicher Stern ihn unter den günstigsten Bedingungen als Genossen des Brandisschen Hauses uach Griechenland geführt. Nach allen Richtungen hat er das Land durchforscht, das deu Mittelpunkt seiner Studien bildet, an der Hand seiner großen Lehrer, Carl Ritter und Otfried Müller, hat er es durchwandert. Zwar vielfach war es von ihm bereist, beschrieben, aber noch war die Ausgabe nicht gelöst, auf der wissenschaftlichen Grundlage der all¬ gemeinen Erdkunde, wie Ritter sie ins Lebe» gerufen, ein Bild der Oertlichkeit des gesammten Landes in gleichmäßiger Durchdringung der natürlichen und der geschichtlichen Verhältnisse darzustellen, das, alle Seiten hellenische» Lebens und hellenischer Kunst zusammenfassend, das alte Griechenland vor unserm Blicke aus verfallenen Trümmern zu frischem, jungem Leben hervorzauberte. Dieser Aufgabe hat er sich geweiht: ein Stück derselben liegt in seinem Peloponnes vollendet vor. Aber damit im Zusammenhange steht die Erforschung der Geschichte, der Kunst von Hellas und ihrer Denkmäler. Seine Beschäftigung mit denselben weiß der Redner zu einem anziehenden Bilde abzurunden, in welchem er vor allem es hervorhebt, wie nach Müllers vielbeklagtem Tode die Bearbeitung des letzten, gemeinsam mit jenem gehobenen Schatzes Delphischer Inschriften ihm zugefallen, wie infolge dessen der ehrenwerthe Auftrag ihm geworden sei, die unter deu Auspicien der Akademie von dem großen Meister Böckh begründete, später nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/133>, abgerufen am 22.07.2024.