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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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von der bedeutendsten Wirkung, die nicht erst wie'im Jahre vorher bei Meister
Jacobys trefflichen Worten gegen Ueberspannung und Abspannung zum Durch¬
bruch zu kommen hatte. Immer aber hatte man mit den Einleitungsworten des
Vorsitzenden "Secretärs" -- so lautet der Titel uach akademischen Brauche --
nud der Verkündigung der Preisurthcile sieben längere oder kürzere Reden ver¬
nehmen müsse". Aber doch welch ein Fortschritt von eilf zu sieben, und was für
ein Vortheil für das akademische Gericht, dem zwar Kraut genug durch die Herren
Braun und Klotzsch beigemischt wurde, aber doch nicht das Kraut des Herrn
Buschmann und die Rüben -- ohne Anspielung auf die ehemals intendirten Be¬
schäftigungen des geehrten Mitgliedes der Akademie der Wissenschaften sei eS
gesagt -- des Herrn Riedel.

Heute konnte man nicht ohne Wehmuth jeuer Feier gedenken. Denn Gott¬
hold Eisenstein, der damals neben jenen Botanikern in die mathematisch-physika¬
lische Classe eintrat, ein Jüngling in die Reihen gereifter Männer, unter denen
er nur an Dubois einen Altersgenossen fand, er war schon wieder dem Kreise
entrückt, dem er kaum angehört hatte, nud die Hoffnung, daß er Jacobys Verlust
einst minder fühlbar machen werde, war schmerzlich getäuscht. Aber neben dem
jüngsten Mitgliede, das noch reiche Frucht verhieß, war es eins der ältesten,
geehrtcsteu, hervorragendsten, war es Leopold von Buch, den inzwischen der Tod
abgefordert hatte. Seinem Andenken, dem heute auch Ehrenberg in seiner Ein¬
leitungsrede einige warme Worte widmete, wird die akademische Ehrenbezeugung
einer Gedächtnißrede schon vorbereitet und seine Büste wird in dem Sitzungssaale
der Akademie eine würdige Stelle finden -- möchte nur über der seinem Andenken
gewidmeten Feier ein so guter Genius walten, als über der heutigen,' die recht
nach dem Sinne des geistreichen "ut originellen alten Herrn gewesen wäre!

Als dieser einst in einer der Gesellschaften, zu welchen neben der höchst
potenzirten Stufe der Bildung auch das vulgäre "jebildete" Berlinertbum sein
Contingent stellt, einen Vortrag gehalten hatte, trat einer jener höheren Philister
an ihn heran, ein gutherziger, braver Mann, der aber durch die endlosen und
trivialen Vorträge über seine ganz gewöhnlichem Land- und Wasserrcisen ein
Schrecken jeuer Kreise ist: schon lauge, im Vorbeigehen sei es bemerkt, bevor
der Witz der Paulskirche den "fortlaufenden Beifall" der Nauwerckscheu Reden
auf Stein verewigt hatte, hatte Buch dasselbe Bonmot aus die vou Schwind¬
sucht der Zuhörer begleiteten Nedeattentatc dieses Herrn gemacht. "Ihr
Vortrag war sehr schön, Herr Kammerherr, aber zu kurz!" -- "Köstlicher
Wein", erwiderte er dem Redseligen "schenkt man uur in kleinen Gläsern."
Das hatte die Akademie diesmal anch gefühlt oder doch war der Zufall ihr
günstig gewesen: es galt nicht fünf, auch nicht drei Mitglieder aufzunehmen,
sondern eins, auch mit einer Gedächtnißrede hatte man sich begnügt, und so war
denn die Zahl der Vortrüge bis auf fünf gefallen. So betrat man trotz der


von der bedeutendsten Wirkung, die nicht erst wie'im Jahre vorher bei Meister
Jacobys trefflichen Worten gegen Ueberspannung und Abspannung zum Durch¬
bruch zu kommen hatte. Immer aber hatte man mit den Einleitungsworten des
Vorsitzenden „Secretärs" — so lautet der Titel uach akademischen Brauche —
nud der Verkündigung der Preisurthcile sieben längere oder kürzere Reden ver¬
nehmen müsse». Aber doch welch ein Fortschritt von eilf zu sieben, und was für
ein Vortheil für das akademische Gericht, dem zwar Kraut genug durch die Herren
Braun und Klotzsch beigemischt wurde, aber doch nicht das Kraut des Herrn
Buschmann und die Rüben — ohne Anspielung auf die ehemals intendirten Be¬
schäftigungen des geehrten Mitgliedes der Akademie der Wissenschaften sei eS
gesagt — des Herrn Riedel.

Heute konnte man nicht ohne Wehmuth jeuer Feier gedenken. Denn Gott¬
hold Eisenstein, der damals neben jenen Botanikern in die mathematisch-physika¬
lische Classe eintrat, ein Jüngling in die Reihen gereifter Männer, unter denen
er nur an Dubois einen Altersgenossen fand, er war schon wieder dem Kreise
entrückt, dem er kaum angehört hatte, nud die Hoffnung, daß er Jacobys Verlust
einst minder fühlbar machen werde, war schmerzlich getäuscht. Aber neben dem
jüngsten Mitgliede, das noch reiche Frucht verhieß, war es eins der ältesten,
geehrtcsteu, hervorragendsten, war es Leopold von Buch, den inzwischen der Tod
abgefordert hatte. Seinem Andenken, dem heute auch Ehrenberg in seiner Ein¬
leitungsrede einige warme Worte widmete, wird die akademische Ehrenbezeugung
einer Gedächtnißrede schon vorbereitet und seine Büste wird in dem Sitzungssaale
der Akademie eine würdige Stelle finden — möchte nur über der seinem Andenken
gewidmeten Feier ein so guter Genius walten, als über der heutigen,' die recht
nach dem Sinne des geistreichen »ut originellen alten Herrn gewesen wäre!

Als dieser einst in einer der Gesellschaften, zu welchen neben der höchst
potenzirten Stufe der Bildung auch das vulgäre „jebildete" Berlinertbum sein
Contingent stellt, einen Vortrag gehalten hatte, trat einer jener höheren Philister
an ihn heran, ein gutherziger, braver Mann, der aber durch die endlosen und
trivialen Vorträge über seine ganz gewöhnlichem Land- und Wasserrcisen ein
Schrecken jeuer Kreise ist: schon lauge, im Vorbeigehen sei es bemerkt, bevor
der Witz der Paulskirche den „fortlaufenden Beifall" der Nauwerckscheu Reden
auf Stein verewigt hatte, hatte Buch dasselbe Bonmot aus die vou Schwind¬
sucht der Zuhörer begleiteten Nedeattentatc dieses Herrn gemacht. „Ihr
Vortrag war sehr schön, Herr Kammerherr, aber zu kurz!" — „Köstlicher
Wein", erwiderte er dem Redseligen „schenkt man uur in kleinen Gläsern."
Das hatte die Akademie diesmal anch gefühlt oder doch war der Zufall ihr
günstig gewesen: es galt nicht fünf, auch nicht drei Mitglieder aufzunehmen,
sondern eins, auch mit einer Gedächtnißrede hatte man sich begnügt, und so war
denn die Zahl der Vortrüge bis auf fünf gefallen. So betrat man trotz der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/130>, abgerufen am 01.07.2024.