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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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seit den Zeiten des großen Kurfürsten fortdauernd begünstigt, und wenn auch
diese Begünstigung ihren wahren Aufschwung um nichts förderte, wenigstens nicht
so bedrückt wurden, wie einzelne Zweige der Landwirthschaft, habe" die Vortheile,
welche die Natur des Landes denselben bietet, schon viel mehr erschöpft, als die
Landwirthschaft. Die Geschichte unserer Schafzucht liefert dafür das schlagendste
Beispiel. Der Landwirthschaft ist erst seit den ersten Jahrzehnten des laufenden
Jahrhunderts eine größere Sorgfalt zugewandt worden. Seit dieser Zeit datirt
der Aufschwung der Merino- und Pferdezucht in Preußen. Die kleinlichen Be¬
strebungen, von denen man früher noch mehr als jetzt geleitet wurde, als man
Tabaksbau, Seidenzucht u. dergl. durch Prämien und Unterstützungen zu fördern
suchte, konnten die Landwirthschaft im Ganzen und Großen nicht weiter bringen.
Während man Seidenhaspeln anlegte und Arbeiter zur Zubereitung des Tabaks
aus den Niederlanden kommen ließ, wurde völlig übersehen, daß es dem Land-
mann vielfach an Gespann und Dünger fehlte, und daß mercantilistische Be¬
schränkungen und fiscalische Finanzmaßregeln den Getreidebau und die Viehzucht
nicht emporkommen ließen. "

Will der Staat übrigens etwas für die Landwirthschaft thun, so gibt es
nichts besseres, als das, was zugleich allen andern Gewerben nützlich ist, Ver¬
besserung der Communicationsmittel, namentlich Erweiterung des Chanssee¬
baues. Damit ist es denn im Osten der Monarchie uoch sehr schwach bestellt.....

Demgemäß darf es nicht Wunder nehmen, wenn die reichen Körnerernten
Litthauens in guten Jahren großentheils für das Vieh verfuttert werden, und
nnr bei hohen Gctreidepreiscn den Weg nach den Seehäfen finden, wenn die
große Güterwirthschaft in der baltischen Ebene sich noch immer wesentlich auf die
Brauntweinblase stützt. Unter diesen Umständen kann der Boden nicht die höchst¬
möglichen Reinertrage liefern, und Verbesserungen, die beim Maugel an lohnen¬
dem Absatz nur geringen Vortheil bringen würden, werden, wo die Bevölkerung
nicht sehr regsam und thätig ist, unterlassen.

Das Bedürfniß eines erweiterten Chausseewesens ist von der Regierung
wiederholt anerkannt worden. Doch das gegenwärtige System der Volkswirth-
schastspolitik läßt die Staatscassen fortdauernd leer, und so fehlt es, selbst wenn
der gute Wille vorhanden ist, an den Mitteln.......

Ein noch energischeres Mittel zur Beförderung des Verkehrs ist das Eisenbahn¬
wesen. Die östlichen Provinzen Preußens sind bis jetzt der Wohlthaten desselben
nnr in geringem Maße theilhaftig geworden. Von den S00 Meilen Bahnlänge,
welche jetzt in Preußen in Betrieb sind, fallen auf die vier Eisenbahnen der balti¬
schen Provinzen, Berlin-Stettiner 17,"--. .>., Stettin-Stargarder i,-,?", Stargard-
Posener 2Z,<,,z", Ostbahn 62,oso, zusammen 107,n? Meilen. Solange diese
Provinzen übrigens nicht mit einem engeren Chausseenetz überzogen sind, werden
die Vortheile der Ostbahn nnr für die nächstliegenden Gegenden bedeutend werden.


seit den Zeiten des großen Kurfürsten fortdauernd begünstigt, und wenn auch
diese Begünstigung ihren wahren Aufschwung um nichts förderte, wenigstens nicht
so bedrückt wurden, wie einzelne Zweige der Landwirthschaft, habe» die Vortheile,
welche die Natur des Landes denselben bietet, schon viel mehr erschöpft, als die
Landwirthschaft. Die Geschichte unserer Schafzucht liefert dafür das schlagendste
Beispiel. Der Landwirthschaft ist erst seit den ersten Jahrzehnten des laufenden
Jahrhunderts eine größere Sorgfalt zugewandt worden. Seit dieser Zeit datirt
der Aufschwung der Merino- und Pferdezucht in Preußen. Die kleinlichen Be¬
strebungen, von denen man früher noch mehr als jetzt geleitet wurde, als man
Tabaksbau, Seidenzucht u. dergl. durch Prämien und Unterstützungen zu fördern
suchte, konnten die Landwirthschaft im Ganzen und Großen nicht weiter bringen.
Während man Seidenhaspeln anlegte und Arbeiter zur Zubereitung des Tabaks
aus den Niederlanden kommen ließ, wurde völlig übersehen, daß es dem Land-
mann vielfach an Gespann und Dünger fehlte, und daß mercantilistische Be¬
schränkungen und fiscalische Finanzmaßregeln den Getreidebau und die Viehzucht
nicht emporkommen ließen. "

Will der Staat übrigens etwas für die Landwirthschaft thun, so gibt es
nichts besseres, als das, was zugleich allen andern Gewerben nützlich ist, Ver¬
besserung der Communicationsmittel, namentlich Erweiterung des Chanssee¬
baues. Damit ist es denn im Osten der Monarchie uoch sehr schwach bestellt.....

Demgemäß darf es nicht Wunder nehmen, wenn die reichen Körnerernten
Litthauens in guten Jahren großentheils für das Vieh verfuttert werden, und
nnr bei hohen Gctreidepreiscn den Weg nach den Seehäfen finden, wenn die
große Güterwirthschaft in der baltischen Ebene sich noch immer wesentlich auf die
Brauntweinblase stützt. Unter diesen Umständen kann der Boden nicht die höchst¬
möglichen Reinertrage liefern, und Verbesserungen, die beim Maugel an lohnen¬
dem Absatz nur geringen Vortheil bringen würden, werden, wo die Bevölkerung
nicht sehr regsam und thätig ist, unterlassen.

Das Bedürfniß eines erweiterten Chausseewesens ist von der Regierung
wiederholt anerkannt worden. Doch das gegenwärtige System der Volkswirth-
schastspolitik läßt die Staatscassen fortdauernd leer, und so fehlt es, selbst wenn
der gute Wille vorhanden ist, an den Mitteln.......

Ein noch energischeres Mittel zur Beförderung des Verkehrs ist das Eisenbahn¬
wesen. Die östlichen Provinzen Preußens sind bis jetzt der Wohlthaten desselben
nnr in geringem Maße theilhaftig geworden. Von den S00 Meilen Bahnlänge,
welche jetzt in Preußen in Betrieb sind, fallen auf die vier Eisenbahnen der balti¬
schen Provinzen, Berlin-Stettiner 17,»--. .>., Stettin-Stargarder i,-,?», Stargard-
Posener 2Z,<,,z„, Ostbahn 62,oso, zusammen 107,n? Meilen. Solange diese
Provinzen übrigens nicht mit einem engeren Chausseenetz überzogen sind, werden
die Vortheile der Ostbahn nnr für die nächstliegenden Gegenden bedeutend werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/109>, abgerufen am 03.07.2024.