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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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ist möglich, daß die Zukunft den Vereinigten Staaten, falls sie einig bleiben, den
Besitz der nördlichen Hälfte des amerikanischen Kontinents und Westindiens, das
Scepter der Meere nud das oberste Schiedsrichteramt über die Völker bringen
wird; aber um heute ihre Hand darnach auszustrecken, sind sie bei all ihrer Macht
noch nicht mächtig genug, und ehe England ihnen heute die Hegemonie unter den
Nationen zugesteht, wird es die Stürme eines Weltkrieges entfesseln, und für die
Behauptung seiner Herrschaft und Ehre die letzte Kraft seiner unbesiegten Waffen
einsetzen. Was würde das Ende eines solchen Kampfes sein? Die Zerstörung
friedlichen Fortschritts sür Generationen und die Verrückung aller politischen Ver¬
hältnisse zum Vortheil des Despotismus. Das Bündniß zwischen England und
den Vereinigten Staaten, ihre friedliche Nebenbuhlerschaft auf deu Meeren inner¬
halb der Grenzen des internationalen Rechtes ist gegenwärtig die nothwendige
Bürgschaft für die Entwickelung der Menschheit. Es mag der Tag kommen, wo
Nordamerika die Führung zu übernehmen im Stande ist, sein Versuch, sie jetzt
schon den Händen Englands zu entwinden, würde zu seinem eigenen und zum
allgemeinen Verderben ausschlagen.

Es trösten sich Einige sogar mit der Hoffnung, falls nur Cuba durch einen
ohne Betheiligung der amerikanischen Negierung, von Privaten ausgeführten
Handstreich über Nacht der Union in den Schooß fiele, würde Spanien sich, für
eine verhältnißmäßige Entschädigung, in den Verlust geben, und England, wie
die übrigen Mächte, das tut aeeomM anerkennen. Abgesehen davon, daß diese
Hoffnung illusorisch erscheint, ist die Voraussetzung, auf die sie fußt, eine
Täuschung. Die spanische Macht auf Cuba ist für die Kräfte einer Privat¬
expedition viel zu stark, und wenn letztere anch einen Conflict zwischen Spanien und
der Union herbeiführen könnte, so dürfte sie doch sicher nicht vermögen, auf eigene
Hand sich der Insel zu bemächtigen. Die Besatzung derselben besteht aus
mindestens 30,000 gedienter und ausgewählter Truppen, und wird unaufhörlich
vom Mutterlande aus verstärkt. Ein Geschwader von Dampf- und Segelschiffen
steht außerdem dem General-Capitain zu Gebot, gegen welches die "Flagge des
einsamen Stern's" das Meer uicht behaupten könnte; die Eindringlinge wären
daher darauf angewiesen, sich aus einzelnen Schiffen durch die spanischen Kreuzer
durchzuschleichen und mit ganz ungenügenden Streitkräften aus der Insel zu landen;
unzweifelhaft ist es, daß Spanien ohne Unterstützung im Kampf mit den Ver¬
einigten Staaten, uicht blos mit einer Partei darin, Cuba verlieren müßte; die
überlegene amerikanische Seemacht würde die Kolonien vom Mutterland" ab¬
schneiden und die isolirte Besatzung schließlich überwältigt werde". Aber selbst
dies würde uicht der Erfolg weniger Wochen sein. Die festen Plätze könnten sich
zum Theil Monate lang vertheidigen, und in dieser Art des Kriegs haben die
Spanier bis auf unsre Tage ihren alten Ruhm behauptet. Endlich würde
Spanien wenigstens nicht ungerächt, sich seine werthvollste Besitzung, die Perle


ist möglich, daß die Zukunft den Vereinigten Staaten, falls sie einig bleiben, den
Besitz der nördlichen Hälfte des amerikanischen Kontinents und Westindiens, das
Scepter der Meere nud das oberste Schiedsrichteramt über die Völker bringen
wird; aber um heute ihre Hand darnach auszustrecken, sind sie bei all ihrer Macht
noch nicht mächtig genug, und ehe England ihnen heute die Hegemonie unter den
Nationen zugesteht, wird es die Stürme eines Weltkrieges entfesseln, und für die
Behauptung seiner Herrschaft und Ehre die letzte Kraft seiner unbesiegten Waffen
einsetzen. Was würde das Ende eines solchen Kampfes sein? Die Zerstörung
friedlichen Fortschritts sür Generationen und die Verrückung aller politischen Ver¬
hältnisse zum Vortheil des Despotismus. Das Bündniß zwischen England und
den Vereinigten Staaten, ihre friedliche Nebenbuhlerschaft auf deu Meeren inner¬
halb der Grenzen des internationalen Rechtes ist gegenwärtig die nothwendige
Bürgschaft für die Entwickelung der Menschheit. Es mag der Tag kommen, wo
Nordamerika die Führung zu übernehmen im Stande ist, sein Versuch, sie jetzt
schon den Händen Englands zu entwinden, würde zu seinem eigenen und zum
allgemeinen Verderben ausschlagen.

Es trösten sich Einige sogar mit der Hoffnung, falls nur Cuba durch einen
ohne Betheiligung der amerikanischen Negierung, von Privaten ausgeführten
Handstreich über Nacht der Union in den Schooß fiele, würde Spanien sich, für
eine verhältnißmäßige Entschädigung, in den Verlust geben, und England, wie
die übrigen Mächte, das tut aeeomM anerkennen. Abgesehen davon, daß diese
Hoffnung illusorisch erscheint, ist die Voraussetzung, auf die sie fußt, eine
Täuschung. Die spanische Macht auf Cuba ist für die Kräfte einer Privat¬
expedition viel zu stark, und wenn letztere anch einen Conflict zwischen Spanien und
der Union herbeiführen könnte, so dürfte sie doch sicher nicht vermögen, auf eigene
Hand sich der Insel zu bemächtigen. Die Besatzung derselben besteht aus
mindestens 30,000 gedienter und ausgewählter Truppen, und wird unaufhörlich
vom Mutterlande aus verstärkt. Ein Geschwader von Dampf- und Segelschiffen
steht außerdem dem General-Capitain zu Gebot, gegen welches die „Flagge des
einsamen Stern's" das Meer uicht behaupten könnte; die Eindringlinge wären
daher darauf angewiesen, sich aus einzelnen Schiffen durch die spanischen Kreuzer
durchzuschleichen und mit ganz ungenügenden Streitkräften aus der Insel zu landen;
unzweifelhaft ist es, daß Spanien ohne Unterstützung im Kampf mit den Ver¬
einigten Staaten, uicht blos mit einer Partei darin, Cuba verlieren müßte; die
überlegene amerikanische Seemacht würde die Kolonien vom Mutterland« ab¬
schneiden und die isolirte Besatzung schließlich überwältigt werde». Aber selbst
dies würde uicht der Erfolg weniger Wochen sein. Die festen Plätze könnten sich
zum Theil Monate lang vertheidigen, und in dieser Art des Kriegs haben die
Spanier bis auf unsre Tage ihren alten Ruhm behauptet. Endlich würde
Spanien wenigstens nicht ungerächt, sich seine werthvollste Besitzung, die Perle


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/70>, abgerufen am 29.06.2024.