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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Hoflivree entschließen wollte, und die, "in ihre Neugierde zu befriedigen, einen
jungen Mann, den sie früher einige Mal gesehen hatte, zu ihren, Begleiter machte.
Weder das Anstandsgefühl der Frau, noch die l^npfindlichkcit des Mannes hat¬
ten etwas an diesem Auskunftsmittel auSznstjzcn. Das; selbst die Fastenzeit und
gerade heim Hofe und hei uuserer bigott gewordenen Aristokratie deu Tanzunter-
haltungen kein Eude macht, ist bezeichnend für die Pariser Gesellschaft, wie für
den französischen Clerus. Dieser kümmert sich um -solche Kleinigkeiten wenig,
wenn nur sein Hauptzweck nicht darunter leidet. Er'weiß seinen schönen Beicht¬
kinder" den Weg zum Hiwniel so angenehm als möglich zu machen -- und Pascal
könnte heute'sei"e Briefe neu schreiben, ohne ein Wort darau zu andern. Der
Hof seinerseits läßt die Geistlichkeit schalte", alwr auch er will die gute" Gelegen¬
heiten für de" Pariser LuxnShandel nicht vermindern, und die einzige Buße, die
er seineu Gäste" auferlegt, ist ihre Wadenlvfigkeit unverhüllt nmherzntragen.
Vielleicht ist das eine Art zu zeigen, 'daß unsere, gegenwärtige Generation eben
keines andern Regimes windig sei, als jenes der eisernen Bevormundung. Diese
prachtvollen Hoftrachten haben zwar die Autorität oder deu Glauben an dieselbe
keineswegs gehoben, und sie haben bisher blos do Folge gehal't, daß die Frauen,
"in uicht von der gold- und, sammtstrahlendcn männliche" Hälfte der Gesellschaft
verdunkelt z" werden, einen L".r"S an den Tag legen, welcher uusern Ehemännern
uicht wenig Schreck einjagt. Glücklicherweise hat die Kunst de" Nachahmung
echter Edelsteine so große Fortschritte gemacht, daß man sich einigermaßen aus
der Verlegenheit hilft, ohne das eheliche Budget allzusehr erschüttern zu müsse".
Die Diamanten und Perlen spielen darum doch eine große Rolle in der Toilette
der Damenwelt, und wenn das Kaiserthum seinen Anhänger" den Sold nicht
kärglich zumißt, so wird dieser wieder mit einer Schnelligkeit in Umlauf gesetzt,
welche an die lustigste" Zeiten des Directoriums und des ersten Kaiserreichs er¬
innert. Daß diese tägliche Steigerung der Bedürfnisse und des Luxus auch den
rege gewordenen Hang zum Bvrscnspicle nicht vermindern, ist selbstverständlich.
Wir habe" erst vor wenigen Tagen ein Opfer der Spielwnth zu beklagen ge¬
hal't, und dieser Selbstmord, welche eine Mutter um ihr einziges Kind "ud de"
einzige" Erbe" eines ""geheuern Vermögens gebracht, hat im Selbstmord einer
hiesigen Schauspielerin ein tragisches Postscriptum erhalten. Man kann die
Familien, welche an drr Börse während des kehlen Jahres zu Grunde gegangen,
nicht mehr an den Fingern herzählen, und doch ist der Zudrang in jene Hallen
heute wieder el'en so groß als zur Zeit, wo die ersten Illusionen noch durch keine
Krise erschüttert waren. Die Börscwnth ist in Zunahme begriffen und doch
scheinen die Comlnuativuen mit unserem papiernen Reichthume der Habgier und
Kmotivnssncht unserer herabgekommenen Gesellschaft noch nicht zu genügen, und
die Regierung wird von vielen Seiten darum angegangen, die Errichtung öffent¬
licher Spielhäuser zu gestatten. Mau glanl't, die Gebrüder Blaue Homburger


Grenzbeten. I. ,,Lü3. 66

Hoflivree entschließen wollte, und die, »in ihre Neugierde zu befriedigen, einen
jungen Mann, den sie früher einige Mal gesehen hatte, zu ihren, Begleiter machte.
Weder das Anstandsgefühl der Frau, noch die l^npfindlichkcit des Mannes hat¬
ten etwas an diesem Auskunftsmittel auSznstjzcn. Das; selbst die Fastenzeit und
gerade heim Hofe und hei uuserer bigott gewordenen Aristokratie deu Tanzunter-
haltungen kein Eude macht, ist bezeichnend für die Pariser Gesellschaft, wie für
den französischen Clerus. Dieser kümmert sich um -solche Kleinigkeiten wenig,
wenn nur sein Hauptzweck nicht darunter leidet. Er'weiß seinen schönen Beicht¬
kinder» den Weg zum Hiwniel so angenehm als möglich zu machen — und Pascal
könnte heute'sei»e Briefe neu schreiben, ohne ein Wort darau zu andern. Der
Hof seinerseits läßt die Geistlichkeit schalte», alwr auch er will die gute» Gelegen¬
heiten für de» Pariser LuxnShandel nicht vermindern, und die einzige Buße, die
er seineu Gäste» auferlegt, ist ihre Wadenlvfigkeit unverhüllt nmherzntragen.
Vielleicht ist das eine Art zu zeigen, 'daß unsere, gegenwärtige Generation eben
keines andern Regimes windig sei, als jenes der eisernen Bevormundung. Diese
prachtvollen Hoftrachten haben zwar die Autorität oder deu Glauben an dieselbe
keineswegs gehoben, und sie haben bisher blos do Folge gehal't, daß die Frauen,
»in uicht von der gold- und, sammtstrahlendcn männliche» Hälfte der Gesellschaft
verdunkelt z» werden, einen L».r»S an den Tag legen, welcher uusern Ehemännern
uicht wenig Schreck einjagt. Glücklicherweise hat die Kunst de» Nachahmung
echter Edelsteine so große Fortschritte gemacht, daß man sich einigermaßen aus
der Verlegenheit hilft, ohne das eheliche Budget allzusehr erschüttern zu müsse».
Die Diamanten und Perlen spielen darum doch eine große Rolle in der Toilette
der Damenwelt, und wenn das Kaiserthum seinen Anhänger» den Sold nicht
kärglich zumißt, so wird dieser wieder mit einer Schnelligkeit in Umlauf gesetzt,
welche an die lustigste» Zeiten des Directoriums und des ersten Kaiserreichs er¬
innert. Daß diese tägliche Steigerung der Bedürfnisse und des Luxus auch den
rege gewordenen Hang zum Bvrscnspicle nicht vermindern, ist selbstverständlich.
Wir habe» erst vor wenigen Tagen ein Opfer der Spielwnth zu beklagen ge¬
hal't, und dieser Selbstmord, welche eine Mutter um ihr einziges Kind »ud de»
einzige» Erbe» eines »»geheuern Vermögens gebracht, hat im Selbstmord einer
hiesigen Schauspielerin ein tragisches Postscriptum erhalten. Man kann die
Familien, welche an drr Börse während des kehlen Jahres zu Grunde gegangen,
nicht mehr an den Fingern herzählen, und doch ist der Zudrang in jene Hallen
heute wieder el'en so groß als zur Zeit, wo die ersten Illusionen noch durch keine
Krise erschüttert waren. Die Börscwnth ist in Zunahme begriffen und doch
scheinen die Comlnuativuen mit unserem papiernen Reichthume der Habgier und
Kmotivnssncht unserer herabgekommenen Gesellschaft noch nicht zu genügen, und
die Regierung wird von vielen Seiten darum angegangen, die Errichtung öffent¬
licher Spielhäuser zu gestatten. Mau glanl't, die Gebrüder Blaue Homburger


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[0521] Hoflivree entschließen wollte, und die, »in ihre Neugierde zu befriedigen, einen jungen Mann, den sie früher einige Mal gesehen hatte, zu ihren, Begleiter machte. Weder das Anstandsgefühl der Frau, noch die l^npfindlichkcit des Mannes hat¬ ten etwas an diesem Auskunftsmittel auSznstjzcn. Das; selbst die Fastenzeit und gerade heim Hofe und hei uuserer bigott gewordenen Aristokratie deu Tanzunter- haltungen kein Eude macht, ist bezeichnend für die Pariser Gesellschaft, wie für den französischen Clerus. Dieser kümmert sich um -solche Kleinigkeiten wenig, wenn nur sein Hauptzweck nicht darunter leidet. Er'weiß seinen schönen Beicht¬ kinder» den Weg zum Hiwniel so angenehm als möglich zu machen — und Pascal könnte heute'sei»e Briefe neu schreiben, ohne ein Wort darau zu andern. Der Hof seinerseits läßt die Geistlichkeit schalte», alwr auch er will die gute» Gelegen¬ heiten für de» Pariser LuxnShandel nicht vermindern, und die einzige Buße, die er seineu Gäste» auferlegt, ist ihre Wadenlvfigkeit unverhüllt nmherzntragen. Vielleicht ist das eine Art zu zeigen, 'daß unsere, gegenwärtige Generation eben keines andern Regimes windig sei, als jenes der eisernen Bevormundung. Diese prachtvollen Hoftrachten haben zwar die Autorität oder deu Glauben an dieselbe keineswegs gehoben, und sie haben bisher blos do Folge gehal't, daß die Frauen, »in uicht von der gold- und, sammtstrahlendcn männliche» Hälfte der Gesellschaft verdunkelt z» werden, einen L».r»S an den Tag legen, welcher uusern Ehemännern uicht wenig Schreck einjagt. Glücklicherweise hat die Kunst de» Nachahmung echter Edelsteine so große Fortschritte gemacht, daß man sich einigermaßen aus der Verlegenheit hilft, ohne das eheliche Budget allzusehr erschüttern zu müsse». Die Diamanten und Perlen spielen darum doch eine große Rolle in der Toilette der Damenwelt, und wenn das Kaiserthum seinen Anhänger» den Sold nicht kärglich zumißt, so wird dieser wieder mit einer Schnelligkeit in Umlauf gesetzt, welche an die lustigste» Zeiten des Directoriums und des ersten Kaiserreichs er¬ innert. Daß diese tägliche Steigerung der Bedürfnisse und des Luxus auch den rege gewordenen Hang zum Bvrscnspicle nicht vermindern, ist selbstverständlich. Wir habe» erst vor wenigen Tagen ein Opfer der Spielwnth zu beklagen ge¬ hal't, und dieser Selbstmord, welche eine Mutter um ihr einziges Kind »ud de» einzige» Erbe» eines »»geheuern Vermögens gebracht, hat im Selbstmord einer hiesigen Schauspielerin ein tragisches Postscriptum erhalten. Man kann die Familien, welche an drr Börse während des kehlen Jahres zu Grunde gegangen, nicht mehr an den Fingern herzählen, und doch ist der Zudrang in jene Hallen heute wieder el'en so groß als zur Zeit, wo die ersten Illusionen noch durch keine Krise erschüttert waren. Die Börscwnth ist in Zunahme begriffen und doch scheinen die Comlnuativuen mit unserem papiernen Reichthume der Habgier und Kmotivnssncht unserer herabgekommenen Gesellschaft noch nicht zu genügen, und die Regierung wird von vielen Seiten darum angegangen, die Errichtung öffent¬ licher Spielhäuser zu gestatten. Mau glanl't, die Gebrüder Blaue Homburger Grenzbeten. I. ,,Lü3. 66

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/521>, abgerufen am 02.10.2024.