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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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W o es e n b e r i es t.

-- Das Bedeutendste, was
ich Ihnen zu melden habe, ist die Aufhebung des Krieges gegen Montenegro,
von der bereits in der vergangenen Woche die Sage ging, "ut die nunmehr
sich als Thatsache herausgestellt hat. Dieser kurze, kaum zehnwöchcntliche Feldzug
wird eine bedeutende Stellung in der Geschichte unserer Tage einnehmen; er
eigentlich war es, der die Unterhandlungen mit Oestreich, die, von dieser Macht,
allem Vermuthen nach, ursprünglich für eine spätere, und vielleicht noch günstigere
Stunde ausgespart gewesen waren, in den Gang gebracht hat. In letzterer Hin¬
sicht knüpfen sich Ereignisse an den Kampf in bei, "schwarzen Bergen", deren
Tragweite vorerst noch nicht zu berechnen, von denen aber zu ahnen ist, daß
sie, möglicher Weise, die bedeutendsten politischen Vvrgä ug e dieser
Epoche herbeiführen werden.

Außer dieser großen politischen Seite hat der in Rede stehende Krieg noch
eine andere von rein militärischem Interesse. Er ist nämlich, außerdem daß er
die Welt in Erregung gesetzt, "och zum Prüfstein sowohl dessen, was die
zähen Stämme des Gebirges vermögen, als anch der, seit dem letzten
Kriege mit Nußland, neu organisirten ottomanischen Armee ge¬
worden. Diese letztere hatte zwar seitdem manche Gelegenheit gehabt, sich dem
Feinde gegenüber zu produziren; (die beiden Kriege gegen Mohammed Ali und
die früheren Kämpfe im Libanon;) aber theils waren damals die Organisationen,
namentlich die bedeutungsvolle der Artillerie, noch nicht so weit vorgeschritten,
theils befanden sich die Truppen der Leitung von Führern übergeben, welche die
man geschaffenen Waffengattungen nicht zu gebrauchen verstanden. Der et'ampf
gegen den ,,Kara-days" ist der erste Krieg gewesen, in welchem türkische, organi-
sirte, mit allem Bedarf reichlich ausgerüstete, namentlich durch eine treffliche Artil¬
lerie unterstützte Truppen, sich, unter einem kriegsverständigen Führer, dem Feinde
gegenüber befanden. Es ist dabei nicht zu vergessen, daß die Operationen,
dnrch die Eigenthümlichkeit "ut die außerordentlichen Schwierigkeiten des Terrains
einen besonderen Charakter ausgedrückt erhielten; desgleichen, daß, in Verbindung
mit den regelmäßigen türkischen Truppen, zugleich unregelmäßige agirten. Wie
dem indeß auch sein möge, keiner der vorhergegangenen Kämpfe hat, wie dieser,
einen Maaßstab für die Kriegsbranchbarkeit der ottomanischen Armee abgegeben.
Man weiß jetzt, baß die Truppen derselben, im Kampfe Maun gegen Manu,
sich nicht schlechter schlagen, wie diejenigen der meisten anderen Heere Europas;
man hat einen Beweis für die strenge Disciplin erhalten, die sie zu bewahren
wissen, wenn ein dem Befehl gewachsener Mann sie führt; endlich hat sich die
praktische Vorzüglichkeit der türkischen Artillerie, von der man vor dem "ur wußte,


W o es e n b e r i es t.

— Das Bedeutendste, was
ich Ihnen zu melden habe, ist die Aufhebung des Krieges gegen Montenegro,
von der bereits in der vergangenen Woche die Sage ging, »ut die nunmehr
sich als Thatsache herausgestellt hat. Dieser kurze, kaum zehnwöchcntliche Feldzug
wird eine bedeutende Stellung in der Geschichte unserer Tage einnehmen; er
eigentlich war es, der die Unterhandlungen mit Oestreich, die, von dieser Macht,
allem Vermuthen nach, ursprünglich für eine spätere, und vielleicht noch günstigere
Stunde ausgespart gewesen waren, in den Gang gebracht hat. In letzterer Hin¬
sicht knüpfen sich Ereignisse an den Kampf in bei, „schwarzen Bergen", deren
Tragweite vorerst noch nicht zu berechnen, von denen aber zu ahnen ist, daß
sie, möglicher Weise, die bedeutendsten politischen Vvrgä ug e dieser
Epoche herbeiführen werden.

Außer dieser großen politischen Seite hat der in Rede stehende Krieg noch
eine andere von rein militärischem Interesse. Er ist nämlich, außerdem daß er
die Welt in Erregung gesetzt, »och zum Prüfstein sowohl dessen, was die
zähen Stämme des Gebirges vermögen, als anch der, seit dem letzten
Kriege mit Nußland, neu organisirten ottomanischen Armee ge¬
worden. Diese letztere hatte zwar seitdem manche Gelegenheit gehabt, sich dem
Feinde gegenüber zu produziren; (die beiden Kriege gegen Mohammed Ali und
die früheren Kämpfe im Libanon;) aber theils waren damals die Organisationen,
namentlich die bedeutungsvolle der Artillerie, noch nicht so weit vorgeschritten,
theils befanden sich die Truppen der Leitung von Führern übergeben, welche die
man geschaffenen Waffengattungen nicht zu gebrauchen verstanden. Der et'ampf
gegen den ,,Kara-days" ist der erste Krieg gewesen, in welchem türkische, organi-
sirte, mit allem Bedarf reichlich ausgerüstete, namentlich durch eine treffliche Artil¬
lerie unterstützte Truppen, sich, unter einem kriegsverständigen Führer, dem Feinde
gegenüber befanden. Es ist dabei nicht zu vergessen, daß die Operationen,
dnrch die Eigenthümlichkeit »ut die außerordentlichen Schwierigkeiten des Terrains
einen besonderen Charakter ausgedrückt erhielten; desgleichen, daß, in Verbindung
mit den regelmäßigen türkischen Truppen, zugleich unregelmäßige agirten. Wie
dem indeß auch sein möge, keiner der vorhergegangenen Kämpfe hat, wie dieser,
einen Maaßstab für die Kriegsbranchbarkeit der ottomanischen Armee abgegeben.
Man weiß jetzt, baß die Truppen derselben, im Kampfe Maun gegen Manu,
sich nicht schlechter schlagen, wie diejenigen der meisten anderen Heere Europas;
man hat einen Beweis für die strenge Disciplin erhalten, die sie zu bewahren
wissen, wenn ein dem Befehl gewachsener Mann sie führt; endlich hat sich die
praktische Vorzüglichkeit der türkischen Artillerie, von der man vor dem »ur wußte,


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[0516] W o es e n b e r i es t. — Das Bedeutendste, was ich Ihnen zu melden habe, ist die Aufhebung des Krieges gegen Montenegro, von der bereits in der vergangenen Woche die Sage ging, »ut die nunmehr sich als Thatsache herausgestellt hat. Dieser kurze, kaum zehnwöchcntliche Feldzug wird eine bedeutende Stellung in der Geschichte unserer Tage einnehmen; er eigentlich war es, der die Unterhandlungen mit Oestreich, die, von dieser Macht, allem Vermuthen nach, ursprünglich für eine spätere, und vielleicht noch günstigere Stunde ausgespart gewesen waren, in den Gang gebracht hat. In letzterer Hin¬ sicht knüpfen sich Ereignisse an den Kampf in bei, „schwarzen Bergen", deren Tragweite vorerst noch nicht zu berechnen, von denen aber zu ahnen ist, daß sie, möglicher Weise, die bedeutendsten politischen Vvrgä ug e dieser Epoche herbeiführen werden. Außer dieser großen politischen Seite hat der in Rede stehende Krieg noch eine andere von rein militärischem Interesse. Er ist nämlich, außerdem daß er die Welt in Erregung gesetzt, »och zum Prüfstein sowohl dessen, was die zähen Stämme des Gebirges vermögen, als anch der, seit dem letzten Kriege mit Nußland, neu organisirten ottomanischen Armee ge¬ worden. Diese letztere hatte zwar seitdem manche Gelegenheit gehabt, sich dem Feinde gegenüber zu produziren; (die beiden Kriege gegen Mohammed Ali und die früheren Kämpfe im Libanon;) aber theils waren damals die Organisationen, namentlich die bedeutungsvolle der Artillerie, noch nicht so weit vorgeschritten, theils befanden sich die Truppen der Leitung von Führern übergeben, welche die man geschaffenen Waffengattungen nicht zu gebrauchen verstanden. Der et'ampf gegen den ,,Kara-days" ist der erste Krieg gewesen, in welchem türkische, organi- sirte, mit allem Bedarf reichlich ausgerüstete, namentlich durch eine treffliche Artil¬ lerie unterstützte Truppen, sich, unter einem kriegsverständigen Führer, dem Feinde gegenüber befanden. Es ist dabei nicht zu vergessen, daß die Operationen, dnrch die Eigenthümlichkeit »ut die außerordentlichen Schwierigkeiten des Terrains einen besonderen Charakter ausgedrückt erhielten; desgleichen, daß, in Verbindung mit den regelmäßigen türkischen Truppen, zugleich unregelmäßige agirten. Wie dem indeß auch sein möge, keiner der vorhergegangenen Kämpfe hat, wie dieser, einen Maaßstab für die Kriegsbranchbarkeit der ottomanischen Armee abgegeben. Man weiß jetzt, baß die Truppen derselben, im Kampfe Maun gegen Manu, sich nicht schlechter schlagen, wie diejenigen der meisten anderen Heere Europas; man hat einen Beweis für die strenge Disciplin erhalten, die sie zu bewahren wissen, wenn ein dem Befehl gewachsener Mann sie führt; endlich hat sich die praktische Vorzüglichkeit der türkischen Artillerie, von der man vor dem »ur wußte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/516>, abgerufen am 27.12.2024.