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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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nicht viel zu thun, und sie können daher ihre Zeit ziemlich gleichmäßig zwischen
den Pflichten ceremouieller Höflichkeit und geselligen Vergnügungen theilen. Erstere
bestehen hauptsächlich in Briefe wechseln und Geschenke machen, worüber, wie
über alles in Japan, die umstäudlichsten Gesetze bestehen. Es giebt besondere
Gelegenheiten, wo die Art der zu machenden Geschenke unabänderlich bestimmt
ist; andere, wo ihre Auswahl dem Geber überlassen ist; doch ist es stets Regel,
daß der Höherstehende nützliche Sachen, der Untergeordnete dagegen Raritäten
und Tändeleien schenkt. Zwischen Gleichstehenden ist der Werth der Gabe gleich-
giltig; ein paar Buch Papier, oder ein Dutzend Eier genügen, wenn sie nur in
einem hübschen, mit Seidenschnnr zugebundenen Kästchen nud auf einem hübschen
Teller präsentirt werde". Jedem Geschenk fügt mau die glückverkündcnde Schleife
von buntem Papier bei, niemals aber darf ein Scheibchen getrockneter Fisch von
der geringsten Sorte fehlen, das als Erinnerung an die frühere frugale Lebens¬
weise der Japanesen, anch ans jede Tafel kommt.

Außer Gastmahlen und Thees, die sich weniger durch Aufwand in den vor¬
gesetzten Gerichten, oder durch besondere Heiterkeit der Unterhaltung, als durch
die Kostbarkeit des auf den Tisch kommenden lackirten nud Pvrzcllangeschirrs
auszeichnen, kennen die Japanesen anch ungezwungenere Gesellschaften, wo
die Hauptunterhaltung in einer dem europäischen Ohre unerträglichen Musik
und in Tanz, oder in Gesellschaftsspielen besteht. Karten und Würfel sind ver¬
boten, dafür spielt man Schach nud Dame und eine Art Mora, mit großer
Leidenschaft. Auch Trink'spiele kommeu vor, bei denen eine lärmende Fröhlichkeit
herrscht, und bei denen sich die jünger" Japanesen abwechselnd i" satt (Ncisbicr)
berauschen, und in Thee wieder ernüchtern, bis sie besinnungslos nach Hause
geschafft werde".

Im Sommer nehmen die gesellschaftliche" Vergnügungen häufig die Form
von Land- und Wasscrparticn an, um die schöne Gegeud zu genieße", und man
wählt meistens die sehr angenehm gelegenen Tempel zu Sammelpunkten. Man
unterhält sich mit Musik und Tanz, nud miethet auch wol, wennn die eigenen
Kräfte nicht ausreichen sollten, Musikanten, Jongleurs, Tänzer ze. von Profession.
Dazu kommeu noch Erzähler, die sich von ihren Kollegen im übrigen Orient sehr
bedeutend unterscheide". Sie erzähle" nicht etwa Märchen, sondern die (Nw-
niMö scimclirleuse der Stadt, die in Erfahrung zu bringen sie große Mühe
aufwenden. Mit der Pflicht, die Gesellschaft zu unterhalten, verbinden sie noch
eine andere; sie müssen nämlich als Muster der Höflichkeit und feinen Erziehung
dienen, um den Ton der ihrer Dienste bedürfenden Gesellschaft zu heben. Beiden
nicht sehr verträglichen Obliegenheiten sollen sie ans wahrhaft bewundernswerthe
Weise nachkommen, und obgleich sie als Spaßmacher sich die rohesten HauS-
wnrstiaden erlauben, vergessen sie sich doch nie, und nehmen im geeigneten Augen-


nicht viel zu thun, und sie können daher ihre Zeit ziemlich gleichmäßig zwischen
den Pflichten ceremouieller Höflichkeit und geselligen Vergnügungen theilen. Erstere
bestehen hauptsächlich in Briefe wechseln und Geschenke machen, worüber, wie
über alles in Japan, die umstäudlichsten Gesetze bestehen. Es giebt besondere
Gelegenheiten, wo die Art der zu machenden Geschenke unabänderlich bestimmt
ist; andere, wo ihre Auswahl dem Geber überlassen ist; doch ist es stets Regel,
daß der Höherstehende nützliche Sachen, der Untergeordnete dagegen Raritäten
und Tändeleien schenkt. Zwischen Gleichstehenden ist der Werth der Gabe gleich-
giltig; ein paar Buch Papier, oder ein Dutzend Eier genügen, wenn sie nur in
einem hübschen, mit Seidenschnnr zugebundenen Kästchen nud auf einem hübschen
Teller präsentirt werde». Jedem Geschenk fügt mau die glückverkündcnde Schleife
von buntem Papier bei, niemals aber darf ein Scheibchen getrockneter Fisch von
der geringsten Sorte fehlen, das als Erinnerung an die frühere frugale Lebens¬
weise der Japanesen, anch ans jede Tafel kommt.

Außer Gastmahlen und Thees, die sich weniger durch Aufwand in den vor¬
gesetzten Gerichten, oder durch besondere Heiterkeit der Unterhaltung, als durch
die Kostbarkeit des auf den Tisch kommenden lackirten nud Pvrzcllangeschirrs
auszeichnen, kennen die Japanesen anch ungezwungenere Gesellschaften, wo
die Hauptunterhaltung in einer dem europäischen Ohre unerträglichen Musik
und in Tanz, oder in Gesellschaftsspielen besteht. Karten und Würfel sind ver¬
boten, dafür spielt man Schach nud Dame und eine Art Mora, mit großer
Leidenschaft. Auch Trink'spiele kommeu vor, bei denen eine lärmende Fröhlichkeit
herrscht, und bei denen sich die jünger» Japanesen abwechselnd i» satt (Ncisbicr)
berauschen, und in Thee wieder ernüchtern, bis sie besinnungslos nach Hause
geschafft werde».

Im Sommer nehmen die gesellschaftliche» Vergnügungen häufig die Form
von Land- und Wasscrparticn an, um die schöne Gegeud zu genieße», und man
wählt meistens die sehr angenehm gelegenen Tempel zu Sammelpunkten. Man
unterhält sich mit Musik und Tanz, nud miethet auch wol, wennn die eigenen
Kräfte nicht ausreichen sollten, Musikanten, Jongleurs, Tänzer ze. von Profession.
Dazu kommeu noch Erzähler, die sich von ihren Kollegen im übrigen Orient sehr
bedeutend unterscheide». Sie erzähle» nicht etwa Märchen, sondern die (Nw-
niMö scimclirleuse der Stadt, die in Erfahrung zu bringen sie große Mühe
aufwenden. Mit der Pflicht, die Gesellschaft zu unterhalten, verbinden sie noch
eine andere; sie müssen nämlich als Muster der Höflichkeit und feinen Erziehung
dienen, um den Ton der ihrer Dienste bedürfenden Gesellschaft zu heben. Beiden
nicht sehr verträglichen Obliegenheiten sollen sie ans wahrhaft bewundernswerthe
Weise nachkommen, und obgleich sie als Spaßmacher sich die rohesten HauS-
wnrstiaden erlauben, vergessen sie sich doch nie, und nehmen im geeigneten Augen-


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[0501] nicht viel zu thun, und sie können daher ihre Zeit ziemlich gleichmäßig zwischen den Pflichten ceremouieller Höflichkeit und geselligen Vergnügungen theilen. Erstere bestehen hauptsächlich in Briefe wechseln und Geschenke machen, worüber, wie über alles in Japan, die umstäudlichsten Gesetze bestehen. Es giebt besondere Gelegenheiten, wo die Art der zu machenden Geschenke unabänderlich bestimmt ist; andere, wo ihre Auswahl dem Geber überlassen ist; doch ist es stets Regel, daß der Höherstehende nützliche Sachen, der Untergeordnete dagegen Raritäten und Tändeleien schenkt. Zwischen Gleichstehenden ist der Werth der Gabe gleich- giltig; ein paar Buch Papier, oder ein Dutzend Eier genügen, wenn sie nur in einem hübschen, mit Seidenschnnr zugebundenen Kästchen nud auf einem hübschen Teller präsentirt werde». Jedem Geschenk fügt mau die glückverkündcnde Schleife von buntem Papier bei, niemals aber darf ein Scheibchen getrockneter Fisch von der geringsten Sorte fehlen, das als Erinnerung an die frühere frugale Lebens¬ weise der Japanesen, anch ans jede Tafel kommt. Außer Gastmahlen und Thees, die sich weniger durch Aufwand in den vor¬ gesetzten Gerichten, oder durch besondere Heiterkeit der Unterhaltung, als durch die Kostbarkeit des auf den Tisch kommenden lackirten nud Pvrzcllangeschirrs auszeichnen, kennen die Japanesen anch ungezwungenere Gesellschaften, wo die Hauptunterhaltung in einer dem europäischen Ohre unerträglichen Musik und in Tanz, oder in Gesellschaftsspielen besteht. Karten und Würfel sind ver¬ boten, dafür spielt man Schach nud Dame und eine Art Mora, mit großer Leidenschaft. Auch Trink'spiele kommeu vor, bei denen eine lärmende Fröhlichkeit herrscht, und bei denen sich die jünger» Japanesen abwechselnd i» satt (Ncisbicr) berauschen, und in Thee wieder ernüchtern, bis sie besinnungslos nach Hause geschafft werde». Im Sommer nehmen die gesellschaftliche» Vergnügungen häufig die Form von Land- und Wasscrparticn an, um die schöne Gegeud zu genieße», und man wählt meistens die sehr angenehm gelegenen Tempel zu Sammelpunkten. Man unterhält sich mit Musik und Tanz, nud miethet auch wol, wennn die eigenen Kräfte nicht ausreichen sollten, Musikanten, Jongleurs, Tänzer ze. von Profession. Dazu kommeu noch Erzähler, die sich von ihren Kollegen im übrigen Orient sehr bedeutend unterscheide». Sie erzähle» nicht etwa Märchen, sondern die (Nw- niMö scimclirleuse der Stadt, die in Erfahrung zu bringen sie große Mühe aufwenden. Mit der Pflicht, die Gesellschaft zu unterhalten, verbinden sie noch eine andere; sie müssen nämlich als Muster der Höflichkeit und feinen Erziehung dienen, um den Ton der ihrer Dienste bedürfenden Gesellschaft zu heben. Beiden nicht sehr verträglichen Obliegenheiten sollen sie ans wahrhaft bewundernswerthe Weise nachkommen, und obgleich sie als Spaßmacher sich die rohesten HauS- wnrstiaden erlauben, vergessen sie sich doch nie, und nehmen im geeigneten Augen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/501>, abgerufen am 28.12.2024.