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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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so schnell wie möglich wiederherstellen. Der Ausfall der maßlos beeinflußten und
terrvrisirten Wahlen hat das Ministerium Noncali sehr ermuthigt, wenn auch
noch nicht völlig sicher gemacht. Es rechnet jedenfalls aus eine gefällige Kammer,
scheint aber nicht unbedingt ans die unbegrenzte Nachgiebigkeit derselben zu
vertrauen; deshalb hält es immer noch mit dem Umfang seiner Revisionsforderun-
geu zurück, und maßregelt unterdessen nach Kräften, um der Opposition Lust und
Sonne abzuschneiden. So hat es, den letzten Nachrichten zufolge, ein Decret
erlassen, das den Zeitungen untersagt, andere Mittheilungen über die Cortes-
fitznngen, als die stenographischen Berichte der ,,Gaceta" (des Regierungsblattes)
oder den von dem Bureau jeder Kammer abgefaßten Auszug zu geben. Auch
darf keine einzelne Rede stenographisch abgedruckt werden, ja es ist deu Zeitun¬
gen verboten, den stenographischen Bericht einer Sitzung in einer Nummer ab¬
zubrechen und in der nächsten fortzusetzen. Jede Sitzung muß ans einmal voll-
ständig gegeben werden, oder gar nicht. Da der uugeschmälerte Abdruck der
stenographischen Berichte sowol die Mittel der Blätter, als ihre Lectüre die Zeit
und Geduld des Publicums übersteigt, und da die ministerielle Mehrheit durch
die aus ihrer Mitte gewählten Bureaus die Auszüge daraus ihrem Interesse nach
zurechtstutzen kann, so ist hienach eine unparteiische und wahrhaftige Veröffentlichung
der Cortessitzuugeu so gut wie unterdrückt. Dies Decret, zu dessen Erlaß Herr Noncali
und seine Collegen nicht mehr gesetzliche Befugniß, als zur Aufhebung der ganzen Con-
stitutwn durch einen Federzug haben, ist der ziemlich getreue Abklatsch der Borschriften,
wodurch die hohe Fürsorge für das Wohl und die Ruhe Fraukreich's die Ver¬
öffentlichung der Debatten des französischen Corps legislativ beschränkt hat, De¬
batten, um die sich übrigens wol der Zusammensetzung und Berechtigung
dieser höchst schätzenswerthen Körperschaft zufolge auch dann fast Niemand be¬
kümmern würde, wenn sie unbehindert veröffentlicht werden dürften. In den
spanischen Cortes sitzen aber noch Männer, die, obwol in der Minderzahl, ihre
letzte Kraft für die bedrohten Freiheiten ihres Landes anstrengen werden, und des¬
halb ist eS für das Ministerium von Wichtigkeit, den Wiederhall der voraussichtlich
stürmischen Kämpfe des Parlaments im Volke zu verhüten. Zur Bekräftigung
dieses Decrets ließ die Negierung am folgenden Tage diejenigen Blätter der
Hauptstadt, die es ihrer Kritik unterwarfen, cvnfisciren, wie denn die Beschlag¬
nahme gewissermaßen das tägliche Brod der spanischen OppositivnSpresse geworden
ist, und die Beharrlichkeit, womit dieselbe fortfährt, die Verfassung gegen eine
Gewalt zu vertheidigen, die sich über jede Vorschrift des Gesetzes hinwegsetzt, die
höchste Anerkennung verdient. Es ist nur zu sehr zu befürchten, daß die Mehr¬
heit der Cortes willen- und würdelos genug sein wird, um sich dieser Maßregel,
welche das Lebensprincip der parlamentarischen Institutionen, die Oeffentlichkeit,
fast vernichtet, zu unterwerfen. Staunen aber muß die Nachricht erregen, daß
auch noch nach diesem Willküract Martinez de la Rosa die ministerielle Can-


Grenzboteu, I. -I88Z. 69

so schnell wie möglich wiederherstellen. Der Ausfall der maßlos beeinflußten und
terrvrisirten Wahlen hat das Ministerium Noncali sehr ermuthigt, wenn auch
noch nicht völlig sicher gemacht. Es rechnet jedenfalls aus eine gefällige Kammer,
scheint aber nicht unbedingt ans die unbegrenzte Nachgiebigkeit derselben zu
vertrauen; deshalb hält es immer noch mit dem Umfang seiner Revisionsforderun-
geu zurück, und maßregelt unterdessen nach Kräften, um der Opposition Lust und
Sonne abzuschneiden. So hat es, den letzten Nachrichten zufolge, ein Decret
erlassen, das den Zeitungen untersagt, andere Mittheilungen über die Cortes-
fitznngen, als die stenographischen Berichte der ,,Gaceta" (des Regierungsblattes)
oder den von dem Bureau jeder Kammer abgefaßten Auszug zu geben. Auch
darf keine einzelne Rede stenographisch abgedruckt werden, ja es ist deu Zeitun¬
gen verboten, den stenographischen Bericht einer Sitzung in einer Nummer ab¬
zubrechen und in der nächsten fortzusetzen. Jede Sitzung muß ans einmal voll-
ständig gegeben werden, oder gar nicht. Da der uugeschmälerte Abdruck der
stenographischen Berichte sowol die Mittel der Blätter, als ihre Lectüre die Zeit
und Geduld des Publicums übersteigt, und da die ministerielle Mehrheit durch
die aus ihrer Mitte gewählten Bureaus die Auszüge daraus ihrem Interesse nach
zurechtstutzen kann, so ist hienach eine unparteiische und wahrhaftige Veröffentlichung
der Cortessitzuugeu so gut wie unterdrückt. Dies Decret, zu dessen Erlaß Herr Noncali
und seine Collegen nicht mehr gesetzliche Befugniß, als zur Aufhebung der ganzen Con-
stitutwn durch einen Federzug haben, ist der ziemlich getreue Abklatsch der Borschriften,
wodurch die hohe Fürsorge für das Wohl und die Ruhe Fraukreich's die Ver¬
öffentlichung der Debatten des französischen Corps legislativ beschränkt hat, De¬
batten, um die sich übrigens wol der Zusammensetzung und Berechtigung
dieser höchst schätzenswerthen Körperschaft zufolge auch dann fast Niemand be¬
kümmern würde, wenn sie unbehindert veröffentlicht werden dürften. In den
spanischen Cortes sitzen aber noch Männer, die, obwol in der Minderzahl, ihre
letzte Kraft für die bedrohten Freiheiten ihres Landes anstrengen werden, und des¬
halb ist eS für das Ministerium von Wichtigkeit, den Wiederhall der voraussichtlich
stürmischen Kämpfe des Parlaments im Volke zu verhüten. Zur Bekräftigung
dieses Decrets ließ die Negierung am folgenden Tage diejenigen Blätter der
Hauptstadt, die es ihrer Kritik unterwarfen, cvnfisciren, wie denn die Beschlag¬
nahme gewissermaßen das tägliche Brod der spanischen OppositivnSpresse geworden
ist, und die Beharrlichkeit, womit dieselbe fortfährt, die Verfassung gegen eine
Gewalt zu vertheidigen, die sich über jede Vorschrift des Gesetzes hinwegsetzt, die
höchste Anerkennung verdient. Es ist nur zu sehr zu befürchten, daß die Mehr¬
heit der Cortes willen- und würdelos genug sein wird, um sich dieser Maßregel,
welche das Lebensprincip der parlamentarischen Institutionen, die Oeffentlichkeit,
fast vernichtet, zu unterwerfen. Staunen aber muß die Nachricht erregen, daß
auch noch nach diesem Willküract Martinez de la Rosa die ministerielle Can-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/481>, abgerufen am 04.07.2024.