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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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wäre, bei einer einzigen mit Liebe zu bleiben, sie ganz gelungen und befriedigend
nennen zu können. --

Ohne Zweifel würde ich diesen Tadel nicht so hart aussprechen, wenn ich
nicht andererseits an Kaulbach wirklich die Fähigkeit entdeckte, den berührten An¬
forderungen zu genügen, und es nur dem Mangel an Liebe bei Durchbildung des
Details, der Tendenz ihrer Schnellmalerei zuschreiben müßte, wenn es nicht
geschieht. --

Dieselben Einwendungen, die das erstürmte Jerusalem treffen, kann man
gegen den babylonischen Thurmbau und den Homer machen, wo uus überall so
Viel geboten wird, daß man nie recht weiß, wo zu greifen, und zuletzt Alles
liegen läßt, da das Bestreben, Jedem Etwas zu bringen, Jedem zu gefallen, zu
deutlich wird, ein Motiv, das andre todtschlägt, selten aber eins so schon und
eigenthümlich ist, daß wir uns recht gefesselt fühlen. --

Gehe ich nun zur technischen Ausführung über, so muß im Allgemeinen der
passende Styl, die correcte Zeichnung der schlanken Figuren, die schöne Bewegung
der Linien durchweg anerkannt werde", die uus überall den höchst bedeutenden
Künstler zeigen, wennauch, wieerwähnt, eigentlich selbständige Formen fehlen, eine
gewisse Magerkeit überall auffällt, und jene Ueberfüllung sich nicht nur in der
Menge der Figuren, sondern auch in der Häufung der Fciltenmvtive ?c. jeder ein¬
zelnen zeigt.

In der Modelliruug ist wenig oder kein Fortschritt gegen Cornelius, anch
Kaulbach's Körper haben im flachen Co.ntonr mehr Leben, als in vollendeter
Ausführung, die immer etwas stumpfes, Flaues bei ihm bekommt. Am Auffallend-
sten ist dies bei seinen Portraits, die häufig an die manierirten Bilder des
vorigen Jahrhunderts ernähren. Zu letzterem, gewiß vom Künstler schwerlich be¬
absichtigten Eindruck tragt wohl am Meisten ihre Farbe bei, die an die Arbeiten
deS Mengs, der Angelica Kauffmann oder des Verlöv durch ihre kokette Vor¬
liebe sür die prismatischen Farben erinnert. Wie überhaupt eine Einwirkung des
von ihm erst in spätern Jahren besuchten Italiens ans den Künstler nicht bemerk¬
bar hervortritt, so hat selbst auf seine Farbe dies Land nicht gewirkt, da er zu¬
rückkehrend das Jerusalem in Oel malte, weiches eher alles Andere, als den
Einfluß italienischer Meister zeigt. Mir wäre das Bild grau in grau tausendmal
lieber, als mit dieser kokettirenden Farbe, die Einem eher den Eindruck eines
Feuerwerks macht, als den einer verhängnißvollen tragischen Scene. Statt des
fürchterlichen Ernstes derselben sehen wir nichts, denn eine Effecthascherei, die
die Figuren wie geschminkte Schauspieler colorire, daß ich sür meinen Theil die
Härte und Kälte des Cornelius bei weitem vorzöge. -- Die Vox pvpM des
Publicums ist allerdings nicht meiner Meinung, sondern hat ihr höchstes Ver¬
gnügen an jenen glänzenden Farben, denn weder Klarheit, noch Brillanz sehlt
ihnen -- aber wer wollte jener verständigen Stimme trauen, die seinerzeit


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wäre, bei einer einzigen mit Liebe zu bleiben, sie ganz gelungen und befriedigend
nennen zu können. —

Ohne Zweifel würde ich diesen Tadel nicht so hart aussprechen, wenn ich
nicht andererseits an Kaulbach wirklich die Fähigkeit entdeckte, den berührten An¬
forderungen zu genügen, und es nur dem Mangel an Liebe bei Durchbildung des
Details, der Tendenz ihrer Schnellmalerei zuschreiben müßte, wenn es nicht
geschieht. —

Dieselben Einwendungen, die das erstürmte Jerusalem treffen, kann man
gegen den babylonischen Thurmbau und den Homer machen, wo uus überall so
Viel geboten wird, daß man nie recht weiß, wo zu greifen, und zuletzt Alles
liegen läßt, da das Bestreben, Jedem Etwas zu bringen, Jedem zu gefallen, zu
deutlich wird, ein Motiv, das andre todtschlägt, selten aber eins so schon und
eigenthümlich ist, daß wir uns recht gefesselt fühlen. —

Gehe ich nun zur technischen Ausführung über, so muß im Allgemeinen der
passende Styl, die correcte Zeichnung der schlanken Figuren, die schöne Bewegung
der Linien durchweg anerkannt werde», die uus überall den höchst bedeutenden
Künstler zeigen, wennauch, wieerwähnt, eigentlich selbständige Formen fehlen, eine
gewisse Magerkeit überall auffällt, und jene Ueberfüllung sich nicht nur in der
Menge der Figuren, sondern auch in der Häufung der Fciltenmvtive ?c. jeder ein¬
zelnen zeigt.

In der Modelliruug ist wenig oder kein Fortschritt gegen Cornelius, anch
Kaulbach's Körper haben im flachen Co.ntonr mehr Leben, als in vollendeter
Ausführung, die immer etwas stumpfes, Flaues bei ihm bekommt. Am Auffallend-
sten ist dies bei seinen Portraits, die häufig an die manierirten Bilder des
vorigen Jahrhunderts ernähren. Zu letzterem, gewiß vom Künstler schwerlich be¬
absichtigten Eindruck tragt wohl am Meisten ihre Farbe bei, die an die Arbeiten
deS Mengs, der Angelica Kauffmann oder des Verlöv durch ihre kokette Vor¬
liebe sür die prismatischen Farben erinnert. Wie überhaupt eine Einwirkung des
von ihm erst in spätern Jahren besuchten Italiens ans den Künstler nicht bemerk¬
bar hervortritt, so hat selbst auf seine Farbe dies Land nicht gewirkt, da er zu¬
rückkehrend das Jerusalem in Oel malte, weiches eher alles Andere, als den
Einfluß italienischer Meister zeigt. Mir wäre das Bild grau in grau tausendmal
lieber, als mit dieser kokettirenden Farbe, die Einem eher den Eindruck eines
Feuerwerks macht, als den einer verhängnißvollen tragischen Scene. Statt des
fürchterlichen Ernstes derselben sehen wir nichts, denn eine Effecthascherei, die
die Figuren wie geschminkte Schauspieler colorire, daß ich sür meinen Theil die
Härte und Kälte des Cornelius bei weitem vorzöge. — Die Vox pvpM des
Publicums ist allerdings nicht meiner Meinung, sondern hat ihr höchstes Ver¬
gnügen an jenen glänzenden Farben, denn weder Klarheit, noch Brillanz sehlt
ihnen — aber wer wollte jener verständigen Stimme trauen, die seinerzeit


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[0467] wäre, bei einer einzigen mit Liebe zu bleiben, sie ganz gelungen und befriedigend nennen zu können. — Ohne Zweifel würde ich diesen Tadel nicht so hart aussprechen, wenn ich nicht andererseits an Kaulbach wirklich die Fähigkeit entdeckte, den berührten An¬ forderungen zu genügen, und es nur dem Mangel an Liebe bei Durchbildung des Details, der Tendenz ihrer Schnellmalerei zuschreiben müßte, wenn es nicht geschieht. — Dieselben Einwendungen, die das erstürmte Jerusalem treffen, kann man gegen den babylonischen Thurmbau und den Homer machen, wo uus überall so Viel geboten wird, daß man nie recht weiß, wo zu greifen, und zuletzt Alles liegen läßt, da das Bestreben, Jedem Etwas zu bringen, Jedem zu gefallen, zu deutlich wird, ein Motiv, das andre todtschlägt, selten aber eins so schon und eigenthümlich ist, daß wir uns recht gefesselt fühlen. — Gehe ich nun zur technischen Ausführung über, so muß im Allgemeinen der passende Styl, die correcte Zeichnung der schlanken Figuren, die schöne Bewegung der Linien durchweg anerkannt werde», die uus überall den höchst bedeutenden Künstler zeigen, wennauch, wieerwähnt, eigentlich selbständige Formen fehlen, eine gewisse Magerkeit überall auffällt, und jene Ueberfüllung sich nicht nur in der Menge der Figuren, sondern auch in der Häufung der Fciltenmvtive ?c. jeder ein¬ zelnen zeigt. In der Modelliruug ist wenig oder kein Fortschritt gegen Cornelius, anch Kaulbach's Körper haben im flachen Co.ntonr mehr Leben, als in vollendeter Ausführung, die immer etwas stumpfes, Flaues bei ihm bekommt. Am Auffallend- sten ist dies bei seinen Portraits, die häufig an die manierirten Bilder des vorigen Jahrhunderts ernähren. Zu letzterem, gewiß vom Künstler schwerlich be¬ absichtigten Eindruck tragt wohl am Meisten ihre Farbe bei, die an die Arbeiten deS Mengs, der Angelica Kauffmann oder des Verlöv durch ihre kokette Vor¬ liebe sür die prismatischen Farben erinnert. Wie überhaupt eine Einwirkung des von ihm erst in spätern Jahren besuchten Italiens ans den Künstler nicht bemerk¬ bar hervortritt, so hat selbst auf seine Farbe dies Land nicht gewirkt, da er zu¬ rückkehrend das Jerusalem in Oel malte, weiches eher alles Andere, als den Einfluß italienischer Meister zeigt. Mir wäre das Bild grau in grau tausendmal lieber, als mit dieser kokettirenden Farbe, die Einem eher den Eindruck eines Feuerwerks macht, als den einer verhängnißvollen tragischen Scene. Statt des fürchterlichen Ernstes derselben sehen wir nichts, denn eine Effecthascherei, die die Figuren wie geschminkte Schauspieler colorire, daß ich sür meinen Theil die Härte und Kälte des Cornelius bei weitem vorzöge. — Die Vox pvpM des Publicums ist allerdings nicht meiner Meinung, sondern hat ihr höchstes Ver¬ gnügen an jenen glänzenden Farben, denn weder Klarheit, noch Brillanz sehlt ihnen — aber wer wollte jener verständigen Stimme trauen, die seinerzeit ö8*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/467>, abgerufen am 24.07.2024.