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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Augenblick entbehre" zu können, und setzt wie ein Held der Bühne alle künstle¬
rischen Mittel in Bewegung, um ihn zu gewinnen. Das ist um se' mehr zu be¬
dauern, als er's gar nicht nothwendig hatte, ein Held braucht niemals deu Helden
zu spielen. -- In seineu frühesten Composttioncn, dem Verbrecher ans verlorener
Ehre, dem Narrenhaus ?c. fesselt er durch fast melodramatische Mittel, es ist
eine Harte, eine Menschenverachtung und Verbitterung, eine Byron'sche Zerfallen-
heit in diesen Productionen, die für mich furchtbar zurückstoßend wirken, da ich
nicht eine Spur vou sittlicher Versöhnung darin zu finden vermag, und diese
Productionen uns demüthigen statt zu erheben. Ein so energischer Hohn konnte
damals nicht verfehlen, die Aufmerksamkeit zu erregen, jetzt findet wohl Jeder das
Carrikirte, Ucbertnebene und Unschöne desselben heraus.--- Ungefähr aus gleicher
Zeit stammen Einige der gelungensten Arbeiten des Künstlers in der Residenz und
anderwärts, eine Figur der Jsaar, die den wilden tückische" Charakter dieses
Gcbirgstrvms ganz vortrefflich wiedergiebt u. A. in. Einige Scenen zu deut¬
scher Dichterei i. d. Residenz ze. verdienen dagegen nnr dürftiges Lob, meines-
theils wüßte ich sie ebenso wie die Egmont und Klärchen, Poesie und Liebe, die
Illustrationen zu Goethe's und Schiller's Werken, die dnrch Kupferstiche auch
größern Kreisen bekannt geworden, nur als höchst unerquicklich zu bezeichnen.
Sie erscheinen bewußt und gesucht, gemacht, uicht gehöre"; nirgends ans einer
freien und freudigen Seele heransgcquollen, entbehren sie aller Unmittelbarkeit und
Frische dieser kostbarsten künstlerischen Eigenschaften. --

Um so glänzender" Erfolg hatte bald nachher die Komposition der Hunnen-
schlacht, die mit Recht den Grundstein zu des Künstlers großem Ruf legte und
auch meines Erachtens bis jetzt seine beste Arbeit geblieben ist, wo er am Reinsten
strebt und empfindet, fo wie sie allerdings allein schon hinreichte, um seinen
Namen der Vergessenheit zu entziehen, -- wenn man auch nicht sagen tan", daß
die Kunst einen eigentliche" Fortschritt dadurch gemacht habe, da der Künstler
keine eigentlich selbstständigen Formen, einen eigenen Styl darin entwickelt, son¬
dern nnr den des Cornelius eleganter, salonfähiger, wenn ich so sagen darf, wieder-
giebt, aber anch die Kühnheit, Stärke und Originalität desselben vermissen läßt.
Immerhin bleibt es ein edles und ergreifend gemaltes Gedicht, um das der
Künstler hier die Nation bereichert, -- es gelang ihm hier, wahr und edel zu
bleiben, weder kokett, noch theatralisch zu werden. Der Hunnenschlacht, die nur
grau in grau ausgeführt wurde, folgte die Zerstörung Jerusalems, von welcher
ich bei weitem kein so günstiges Urtheil zu fällen vermag. Es tritt hier znerst
ein Fehler entschieden hervor, der allen später" Compositionen zum Cyclus der
Weltgeschichte am Berliner Museum anklebt, die UeberMnng mit Motiven, die
Manier, Alles Mögliche in ein Bild zu packen, so daß man um jede Spontanei¬
tät des Eindruckes kommt, da mau el" paar Seiten lesen muß, ehe man recht
verstehen kann, was der Künstler sagen will. UeberMnng ist aber uicht Neich-


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Augenblick entbehre» zu können, und setzt wie ein Held der Bühne alle künstle¬
rischen Mittel in Bewegung, um ihn zu gewinnen. Das ist um se' mehr zu be¬
dauern, als er's gar nicht nothwendig hatte, ein Held braucht niemals deu Helden
zu spielen. — In seineu frühesten Composttioncn, dem Verbrecher ans verlorener
Ehre, dem Narrenhaus ?c. fesselt er durch fast melodramatische Mittel, es ist
eine Harte, eine Menschenverachtung und Verbitterung, eine Byron'sche Zerfallen-
heit in diesen Productionen, die für mich furchtbar zurückstoßend wirken, da ich
nicht eine Spur vou sittlicher Versöhnung darin zu finden vermag, und diese
Productionen uns demüthigen statt zu erheben. Ein so energischer Hohn konnte
damals nicht verfehlen, die Aufmerksamkeit zu erregen, jetzt findet wohl Jeder das
Carrikirte, Ucbertnebene und Unschöne desselben heraus.—- Ungefähr aus gleicher
Zeit stammen Einige der gelungensten Arbeiten des Künstlers in der Residenz und
anderwärts, eine Figur der Jsaar, die den wilden tückische» Charakter dieses
Gcbirgstrvms ganz vortrefflich wiedergiebt u. A. in. Einige Scenen zu deut¬
scher Dichterei i. d. Residenz ze. verdienen dagegen nnr dürftiges Lob, meines-
theils wüßte ich sie ebenso wie die Egmont und Klärchen, Poesie und Liebe, die
Illustrationen zu Goethe's und Schiller's Werken, die dnrch Kupferstiche auch
größern Kreisen bekannt geworden, nur als höchst unerquicklich zu bezeichnen.
Sie erscheinen bewußt und gesucht, gemacht, uicht gehöre»; nirgends ans einer
freien und freudigen Seele heransgcquollen, entbehren sie aller Unmittelbarkeit und
Frische dieser kostbarsten künstlerischen Eigenschaften. —

Um so glänzender» Erfolg hatte bald nachher die Komposition der Hunnen-
schlacht, die mit Recht den Grundstein zu des Künstlers großem Ruf legte und
auch meines Erachtens bis jetzt seine beste Arbeit geblieben ist, wo er am Reinsten
strebt und empfindet, fo wie sie allerdings allein schon hinreichte, um seinen
Namen der Vergessenheit zu entziehen, — wenn man auch nicht sagen tan», daß
die Kunst einen eigentliche» Fortschritt dadurch gemacht habe, da der Künstler
keine eigentlich selbstständigen Formen, einen eigenen Styl darin entwickelt, son¬
dern nnr den des Cornelius eleganter, salonfähiger, wenn ich so sagen darf, wieder-
giebt, aber anch die Kühnheit, Stärke und Originalität desselben vermissen läßt.
Immerhin bleibt es ein edles und ergreifend gemaltes Gedicht, um das der
Künstler hier die Nation bereichert, — es gelang ihm hier, wahr und edel zu
bleiben, weder kokett, noch theatralisch zu werden. Der Hunnenschlacht, die nur
grau in grau ausgeführt wurde, folgte die Zerstörung Jerusalems, von welcher
ich bei weitem kein so günstiges Urtheil zu fällen vermag. Es tritt hier znerst
ein Fehler entschieden hervor, der allen später» Compositionen zum Cyclus der
Weltgeschichte am Berliner Museum anklebt, die UeberMnng mit Motiven, die
Manier, Alles Mögliche in ein Bild zu packen, so daß man um jede Spontanei¬
tät des Eindruckes kommt, da mau el» paar Seiten lesen muß, ehe man recht
verstehen kann, was der Künstler sagen will. UeberMnng ist aber uicht Neich-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/465>, abgerufen am 27.12.2024.