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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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rien, oder Adligen, die ihre Besitzungen als Lehm von den Fürsten oder Sjogun
besitzen, und dafür militärische Dienste leisten. Alle hohem Aemter, welche nicht
Fürsten zugetheilt sind, werden aus dieser Klasse besetzt, welche dadurch sehr
abhängig vom Hofe ist. Außerdem müssen die Adligen einen beträchtlichen Theil
des Jahres in Jeddo zubringen, was sie nicht allein zu beträchtlichen und
ihre Finanzen zu Grunde richtenden Ausgaben zwingt, sondern sie auch verlockt,
so wenig Truppen als möglich zu halten, um das Deficit einigermaßen zu decken.
So wirkt der Aufenthalt in Jeddo in doppelter Weise auf die Schwächung ihrer
Macht. Die dritte Klasse umfaßt die Priesterschaft der japanischen Siren- und
buddhistischen Religionen, und werden wir derselben bei einer spätern Gelegenheit
ausführlicher gedenken. Die vierte Klasse bilden die Scnnlai, oder Krieger, die
Vasallen des Adels. Da Japan sich seit 200 Jahren eines ziemlich ungestörten
Friedens erfreut, so ist ihr Dienst sehr leicht, und sie haben nur die nöthige
Mannschaft zu Wachen für deu Hof des Mikado, des Sjoguu und der Fürsten zu
stellen, die innere Ruhe aufrecht zu erhalten, und die Küste zu bewachen. Vor
der Absperrung von dem Auslande waren die Japanesen im übrigen Asten, wo
sie auf den Neislanf gingen, als Soldaten sehr geschätzt, jetzt ist diese Sitte
streng untersagt, und wir werden vielleicht von den Amerikanern erst erfahren,
inwiefern die lange Ruhe der Japanesen angeborne Tapferkeit beeinträchtigt hat.
Die Bewaffnung besteht ans Säbeln, Spießen, Pfeil und Bogen und Lunten¬
flinten. Einige Geschütze sind noch von den Portugiesen vorhanden, doch weiß
man nicht, ob die Japanesen von denselben Gebrauch mache". Diese vier Klassen
bilden den vornehmer" Theil der Bevölkerung, der berechtigt ist, zwei Säbel
und die Nakama, oder Uuterrockbeiukleider zu tragen. Die fünfte Klasse, niedere
Beamte und Aerzte, bildet ein Mittelglied, und darf ein Schwert und die Bein¬
kleider tragen. Die sechste Klasse begreift die Handels- und Kaufleute in sich,
und hier findet man den meisten Reichthum, obgleich die hohem Klassen auf
diese mit der größten Verachtung herabsehen, etwa wie der Edle des Mittelalters
auf den "schlechten Mann", oder den handeltreibenden Krämer. Die siebente
Klasse sind die Handwerker, die achte die Bauern und Taglöhner aller Art.
Die Bauern sind meistens Leibeigene, besitzen aber anch zum Theil ihr Land in
MetaPacht, d. h. sie genießen die Hälfte des Ertrags. Sie sollen dnrch
Steuern schwer bedrückt sein, und dnrch ihre Armuth in der tiefsten Erniedri-
gung erhalten werde".

Außer diesen acht Klassen giebt es noch eine quasi ""ehrliche Klasse, die
Gerber und alle Lederarbeiter, die Parias von Japan. Sie dürfen nicht mit
der übrigen Bevölkerung zusammen wohne", so"dem sind i" beso"dere Flecken
und Dörfer verwiesen, und kommen nur in die Stadt, um Hcukerdieuste zu
leisten. Spreche" sie auf einer Reise bei einem Gasthaus an, so dürfen sie nicht
über die Schwelle, sondern man setzt ihnen das Verlangte ans die Straße hinaus,


rien, oder Adligen, die ihre Besitzungen als Lehm von den Fürsten oder Sjogun
besitzen, und dafür militärische Dienste leisten. Alle hohem Aemter, welche nicht
Fürsten zugetheilt sind, werden aus dieser Klasse besetzt, welche dadurch sehr
abhängig vom Hofe ist. Außerdem müssen die Adligen einen beträchtlichen Theil
des Jahres in Jeddo zubringen, was sie nicht allein zu beträchtlichen und
ihre Finanzen zu Grunde richtenden Ausgaben zwingt, sondern sie auch verlockt,
so wenig Truppen als möglich zu halten, um das Deficit einigermaßen zu decken.
So wirkt der Aufenthalt in Jeddo in doppelter Weise auf die Schwächung ihrer
Macht. Die dritte Klasse umfaßt die Priesterschaft der japanischen Siren- und
buddhistischen Religionen, und werden wir derselben bei einer spätern Gelegenheit
ausführlicher gedenken. Die vierte Klasse bilden die Scnnlai, oder Krieger, die
Vasallen des Adels. Da Japan sich seit 200 Jahren eines ziemlich ungestörten
Friedens erfreut, so ist ihr Dienst sehr leicht, und sie haben nur die nöthige
Mannschaft zu Wachen für deu Hof des Mikado, des Sjoguu und der Fürsten zu
stellen, die innere Ruhe aufrecht zu erhalten, und die Küste zu bewachen. Vor
der Absperrung von dem Auslande waren die Japanesen im übrigen Asten, wo
sie auf den Neislanf gingen, als Soldaten sehr geschätzt, jetzt ist diese Sitte
streng untersagt, und wir werden vielleicht von den Amerikanern erst erfahren,
inwiefern die lange Ruhe der Japanesen angeborne Tapferkeit beeinträchtigt hat.
Die Bewaffnung besteht ans Säbeln, Spießen, Pfeil und Bogen und Lunten¬
flinten. Einige Geschütze sind noch von den Portugiesen vorhanden, doch weiß
man nicht, ob die Japanesen von denselben Gebrauch mache». Diese vier Klassen
bilden den vornehmer» Theil der Bevölkerung, der berechtigt ist, zwei Säbel
und die Nakama, oder Uuterrockbeiukleider zu tragen. Die fünfte Klasse, niedere
Beamte und Aerzte, bildet ein Mittelglied, und darf ein Schwert und die Bein¬
kleider tragen. Die sechste Klasse begreift die Handels- und Kaufleute in sich,
und hier findet man den meisten Reichthum, obgleich die hohem Klassen auf
diese mit der größten Verachtung herabsehen, etwa wie der Edle des Mittelalters
auf den „schlechten Mann", oder den handeltreibenden Krämer. Die siebente
Klasse sind die Handwerker, die achte die Bauern und Taglöhner aller Art.
Die Bauern sind meistens Leibeigene, besitzen aber anch zum Theil ihr Land in
MetaPacht, d. h. sie genießen die Hälfte des Ertrags. Sie sollen dnrch
Steuern schwer bedrückt sein, und dnrch ihre Armuth in der tiefsten Erniedri-
gung erhalten werde».

Außer diesen acht Klassen giebt es noch eine quasi »»ehrliche Klasse, die
Gerber und alle Lederarbeiter, die Parias von Japan. Sie dürfen nicht mit
der übrigen Bevölkerung zusammen wohne», so»dem sind i» beso»dere Flecken
und Dörfer verwiesen, und kommen nur in die Stadt, um Hcukerdieuste zu
leisten. Spreche» sie auf einer Reise bei einem Gasthaus an, so dürfen sie nicht
über die Schwelle, sondern man setzt ihnen das Verlangte ans die Straße hinaus,


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[0463] rien, oder Adligen, die ihre Besitzungen als Lehm von den Fürsten oder Sjogun besitzen, und dafür militärische Dienste leisten. Alle hohem Aemter, welche nicht Fürsten zugetheilt sind, werden aus dieser Klasse besetzt, welche dadurch sehr abhängig vom Hofe ist. Außerdem müssen die Adligen einen beträchtlichen Theil des Jahres in Jeddo zubringen, was sie nicht allein zu beträchtlichen und ihre Finanzen zu Grunde richtenden Ausgaben zwingt, sondern sie auch verlockt, so wenig Truppen als möglich zu halten, um das Deficit einigermaßen zu decken. So wirkt der Aufenthalt in Jeddo in doppelter Weise auf die Schwächung ihrer Macht. Die dritte Klasse umfaßt die Priesterschaft der japanischen Siren- und buddhistischen Religionen, und werden wir derselben bei einer spätern Gelegenheit ausführlicher gedenken. Die vierte Klasse bilden die Scnnlai, oder Krieger, die Vasallen des Adels. Da Japan sich seit 200 Jahren eines ziemlich ungestörten Friedens erfreut, so ist ihr Dienst sehr leicht, und sie haben nur die nöthige Mannschaft zu Wachen für deu Hof des Mikado, des Sjoguu und der Fürsten zu stellen, die innere Ruhe aufrecht zu erhalten, und die Küste zu bewachen. Vor der Absperrung von dem Auslande waren die Japanesen im übrigen Asten, wo sie auf den Neislanf gingen, als Soldaten sehr geschätzt, jetzt ist diese Sitte streng untersagt, und wir werden vielleicht von den Amerikanern erst erfahren, inwiefern die lange Ruhe der Japanesen angeborne Tapferkeit beeinträchtigt hat. Die Bewaffnung besteht ans Säbeln, Spießen, Pfeil und Bogen und Lunten¬ flinten. Einige Geschütze sind noch von den Portugiesen vorhanden, doch weiß man nicht, ob die Japanesen von denselben Gebrauch mache». Diese vier Klassen bilden den vornehmer» Theil der Bevölkerung, der berechtigt ist, zwei Säbel und die Nakama, oder Uuterrockbeiukleider zu tragen. Die fünfte Klasse, niedere Beamte und Aerzte, bildet ein Mittelglied, und darf ein Schwert und die Bein¬ kleider tragen. Die sechste Klasse begreift die Handels- und Kaufleute in sich, und hier findet man den meisten Reichthum, obgleich die hohem Klassen auf diese mit der größten Verachtung herabsehen, etwa wie der Edle des Mittelalters auf den „schlechten Mann", oder den handeltreibenden Krämer. Die siebente Klasse sind die Handwerker, die achte die Bauern und Taglöhner aller Art. Die Bauern sind meistens Leibeigene, besitzen aber anch zum Theil ihr Land in MetaPacht, d. h. sie genießen die Hälfte des Ertrags. Sie sollen dnrch Steuern schwer bedrückt sein, und dnrch ihre Armuth in der tiefsten Erniedri- gung erhalten werde». Außer diesen acht Klassen giebt es noch eine quasi »»ehrliche Klasse, die Gerber und alle Lederarbeiter, die Parias von Japan. Sie dürfen nicht mit der übrigen Bevölkerung zusammen wohne», so»dem sind i» beso»dere Flecken und Dörfer verwiesen, und kommen nur in die Stadt, um Hcukerdieuste zu leisten. Spreche» sie auf einer Reise bei einem Gasthaus an, so dürfen sie nicht über die Schwelle, sondern man setzt ihnen das Verlangte ans die Straße hinaus,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/463>, abgerufen am 27.12.2024.