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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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vorfällt, sind die Besitzer verantwortlich, und jede Vernachlässigung wird mit
Geldstrafe", Schläge", Einsperrung oder Hausarrest bestraft. Letzterer ist eine
sehr eruste Sache. Nicht nur der Schuldige, sondern anch seine ganze Familie
werden von allem Verkehr mit der Außenwelt abgesperrt, und zu diesem Zwecke
Fenster und Thüren vernagelt; der Beamte wird von Amt und Gehalt suspen-
dirt, der Arbeitsmann darf nicht arbeiten. Wie sich die Familie bei dieser
Entziehung aller Subsistenzmittcl ernährt, geht aus unsern Quellen nicht hervor.

Die japanischen Gesetze sind mit blutiger Strenge geschrieben, und nkenncn
nur sehr selten verschiedene Grade der Schuld an. Geldbußen werden nur bej
unbedeutenden Pvlizeivcrgchcn auferlegt, da nach der Meinung der japanischen
Gesetzgeber ihre allgemeinere Anwendung dem Reichen einen ""billige" Vorzug
vor den: Armen geben würde. Die Justizverwaltung wird als sehr unparteiisch
gerühmt, und wenn Staatsverbrechen strenger als andere bestraft werden, so liegt
dies daran, daß die Regierungsbeamten durch die geringste Nachsicht gegen
Staatsverbrechen ihren Kopf wagen würden, während Vergehen gegen Privat¬
personen nnr anf Antrag des Verletzten bestraft werden.

Die Todesstrafe, und selbst das Todesurtheil ziehen unfehlbar Vcnnögens-
Confiscativn für den Verbrecher, und Entehrung für seine Familie nach sich.
Aus diesem Grunde ziehen vornehmere Japanese", wenn sie eines Verbrechens
angeklagt, und sich der Schuld bewußt sind, die freiwillige Tödtung d"res Auf-
schlitze" des Bauches vor, da dadurch allem ferner" Verfahren ein Ende gemacht
wird. Kommt die Verhaftung dem Verbrecher zu unerwartet, und hat die Fa¬
milie Einfluß genug, um die Behörden zu bewegen, sich ihretwegen einiger Ge¬
fahr auszusetzen, so steckt man dem Gefangenen vor ergangenen Urtheil entweder
ein Messer zu, daß er sich nachträglich im Gefängnisse den Bauch aufschlitzen kann,
oder, da dies für die Beamten ziemlich gefährlich ist, man unterwirft den Gefangenen,
angeblich "in el" Bekenntniß zu erlangen, der Folter, und giebt dem Scharf¬
richter einen Wink, daß man die Sache vertuschen werde, wenn der Gefolterte
bei der Operation sterben sollte. Der Oberbchvrde wird in diesen" Falle gemeldet,
der Gefangene sei an einer Krankheit gestorben, und da er nicht überführt ist,
gilt er für nicht schuldig, und die Familie hat keine weiter" nachtheiligen Folgen
von seinem Tode zu befürchten. Die gelindeste Todesstrafe des überführten Ver¬
brechers ist die Enthauptung; außerdem kommen noch Kreuzigung, Verbrennung
und andere martervvlle Todesarten vor.

Wir haben zum Schluß nur uoch Ciuigcs über die Standesunterschiede unter
den Japanese" zu sagen. Die ganze Bevölkerung zerfällt in acht Klassen, die
zwar nicht so geschlossen wie Kasten, aber doch fast erblich sind, indem el" Ueber-
gang aus der eine" i" die andere dieser Klassen nnr unter sehr ""gewöhnlichen
Umständen vorkommt. Die erste Klasse sind die Koksin, oder Reichsfürsten,
von denen schon die Rede gewesen ist. Die zweite Klasse besteht aus den Kie-


vorfällt, sind die Besitzer verantwortlich, und jede Vernachlässigung wird mit
Geldstrafe», Schläge», Einsperrung oder Hausarrest bestraft. Letzterer ist eine
sehr eruste Sache. Nicht nur der Schuldige, sondern anch seine ganze Familie
werden von allem Verkehr mit der Außenwelt abgesperrt, und zu diesem Zwecke
Fenster und Thüren vernagelt; der Beamte wird von Amt und Gehalt suspen-
dirt, der Arbeitsmann darf nicht arbeiten. Wie sich die Familie bei dieser
Entziehung aller Subsistenzmittcl ernährt, geht aus unsern Quellen nicht hervor.

Die japanischen Gesetze sind mit blutiger Strenge geschrieben, und nkenncn
nur sehr selten verschiedene Grade der Schuld an. Geldbußen werden nur bej
unbedeutenden Pvlizeivcrgchcn auferlegt, da nach der Meinung der japanischen
Gesetzgeber ihre allgemeinere Anwendung dem Reichen einen »»billige» Vorzug
vor den: Armen geben würde. Die Justizverwaltung wird als sehr unparteiisch
gerühmt, und wenn Staatsverbrechen strenger als andere bestraft werden, so liegt
dies daran, daß die Regierungsbeamten durch die geringste Nachsicht gegen
Staatsverbrechen ihren Kopf wagen würden, während Vergehen gegen Privat¬
personen nnr anf Antrag des Verletzten bestraft werden.

Die Todesstrafe, und selbst das Todesurtheil ziehen unfehlbar Vcnnögens-
Confiscativn für den Verbrecher, und Entehrung für seine Familie nach sich.
Aus diesem Grunde ziehen vornehmere Japanese», wenn sie eines Verbrechens
angeklagt, und sich der Schuld bewußt sind, die freiwillige Tödtung d»res Auf-
schlitze» des Bauches vor, da dadurch allem ferner» Verfahren ein Ende gemacht
wird. Kommt die Verhaftung dem Verbrecher zu unerwartet, und hat die Fa¬
milie Einfluß genug, um die Behörden zu bewegen, sich ihretwegen einiger Ge¬
fahr auszusetzen, so steckt man dem Gefangenen vor ergangenen Urtheil entweder
ein Messer zu, daß er sich nachträglich im Gefängnisse den Bauch aufschlitzen kann,
oder, da dies für die Beamten ziemlich gefährlich ist, man unterwirft den Gefangenen,
angeblich »in el» Bekenntniß zu erlangen, der Folter, und giebt dem Scharf¬
richter einen Wink, daß man die Sache vertuschen werde, wenn der Gefolterte
bei der Operation sterben sollte. Der Oberbchvrde wird in diesen« Falle gemeldet,
der Gefangene sei an einer Krankheit gestorben, und da er nicht überführt ist,
gilt er für nicht schuldig, und die Familie hat keine weiter« nachtheiligen Folgen
von seinem Tode zu befürchten. Die gelindeste Todesstrafe des überführten Ver¬
brechers ist die Enthauptung; außerdem kommen noch Kreuzigung, Verbrennung
und andere martervvlle Todesarten vor.

Wir haben zum Schluß nur uoch Ciuigcs über die Standesunterschiede unter
den Japanese» zu sagen. Die ganze Bevölkerung zerfällt in acht Klassen, die
zwar nicht so geschlossen wie Kasten, aber doch fast erblich sind, indem el» Ueber-
gang aus der eine» i» die andere dieser Klassen nnr unter sehr »»gewöhnlichen
Umständen vorkommt. Die erste Klasse sind die Koksin, oder Reichsfürsten,
von denen schon die Rede gewesen ist. Die zweite Klasse besteht aus den Kie-


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[0462] vorfällt, sind die Besitzer verantwortlich, und jede Vernachlässigung wird mit Geldstrafe», Schläge», Einsperrung oder Hausarrest bestraft. Letzterer ist eine sehr eruste Sache. Nicht nur der Schuldige, sondern anch seine ganze Familie werden von allem Verkehr mit der Außenwelt abgesperrt, und zu diesem Zwecke Fenster und Thüren vernagelt; der Beamte wird von Amt und Gehalt suspen- dirt, der Arbeitsmann darf nicht arbeiten. Wie sich die Familie bei dieser Entziehung aller Subsistenzmittcl ernährt, geht aus unsern Quellen nicht hervor. Die japanischen Gesetze sind mit blutiger Strenge geschrieben, und nkenncn nur sehr selten verschiedene Grade der Schuld an. Geldbußen werden nur bej unbedeutenden Pvlizeivcrgchcn auferlegt, da nach der Meinung der japanischen Gesetzgeber ihre allgemeinere Anwendung dem Reichen einen »»billige» Vorzug vor den: Armen geben würde. Die Justizverwaltung wird als sehr unparteiisch gerühmt, und wenn Staatsverbrechen strenger als andere bestraft werden, so liegt dies daran, daß die Regierungsbeamten durch die geringste Nachsicht gegen Staatsverbrechen ihren Kopf wagen würden, während Vergehen gegen Privat¬ personen nnr anf Antrag des Verletzten bestraft werden. Die Todesstrafe, und selbst das Todesurtheil ziehen unfehlbar Vcnnögens- Confiscativn für den Verbrecher, und Entehrung für seine Familie nach sich. Aus diesem Grunde ziehen vornehmere Japanese», wenn sie eines Verbrechens angeklagt, und sich der Schuld bewußt sind, die freiwillige Tödtung d»res Auf- schlitze» des Bauches vor, da dadurch allem ferner» Verfahren ein Ende gemacht wird. Kommt die Verhaftung dem Verbrecher zu unerwartet, und hat die Fa¬ milie Einfluß genug, um die Behörden zu bewegen, sich ihretwegen einiger Ge¬ fahr auszusetzen, so steckt man dem Gefangenen vor ergangenen Urtheil entweder ein Messer zu, daß er sich nachträglich im Gefängnisse den Bauch aufschlitzen kann, oder, da dies für die Beamten ziemlich gefährlich ist, man unterwirft den Gefangenen, angeblich »in el» Bekenntniß zu erlangen, der Folter, und giebt dem Scharf¬ richter einen Wink, daß man die Sache vertuschen werde, wenn der Gefolterte bei der Operation sterben sollte. Der Oberbchvrde wird in diesen« Falle gemeldet, der Gefangene sei an einer Krankheit gestorben, und da er nicht überführt ist, gilt er für nicht schuldig, und die Familie hat keine weiter« nachtheiligen Folgen von seinem Tode zu befürchten. Die gelindeste Todesstrafe des überführten Ver¬ brechers ist die Enthauptung; außerdem kommen noch Kreuzigung, Verbrennung und andere martervvlle Todesarten vor. Wir haben zum Schluß nur uoch Ciuigcs über die Standesunterschiede unter den Japanese» zu sagen. Die ganze Bevölkerung zerfällt in acht Klassen, die zwar nicht so geschlossen wie Kasten, aber doch fast erblich sind, indem el» Ueber- gang aus der eine» i» die andere dieser Klassen nnr unter sehr »»gewöhnlichen Umständen vorkommt. Die erste Klasse sind die Koksin, oder Reichsfürsten, von denen schon die Rede gewesen ist. Die zweite Klasse besteht aus den Kie-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/462>, abgerufen am 28.12.2024.