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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Eine lange Reihe von unmündigen Mikados kräftigte die Macht der Sjoguns,
und ihr Amt wurde bald so entschieden erblich, daß die Annalen des Reichs von
abdankenden Sjvgunö, und von Prätendenten der Sjognnswnrde sprechen. Das
Verhältnis; zwischen dein Neichsfeldherrn und dem Mikado gestaltete sich ungefähr
eben so, wie das der fränkischen Hausmeier zu den Merovingern -- legitimer
Fürst war der Mikado, der anch noch das Schciurecht besaß, den Sjogun zu er¬
nennen, im Besitz aller nützlichem Regierungsgewalt waren die Sjoguns, die
Nachkomme" Noritomo'ö. Gegen Mitte des 16. Jahrhunderts kämpften zwei
Brüder ans V^'domo'S Geschlecht um die Würde; die Fürsten des Reichs nahmen
Partei, oder benutzten die Verwirrung, um sich unabhängig zu machen, und ein
verheerender Bürgerkrieg wüthete durch ganz Japan. Im Verlaufe des Krieges
kamen beide Brüder um's Leben, und die Reichsfürsten stritten sich jetzt unterein¬
ander um die erledigte Würde. Der mächtigste und fähigste von ihnen, Nobu-
uaga, Fürst von Owari, trug, unterstützt von einem tapfern Krieger niederer Her-
kunft, Hidejosi, den Sieg über alte Mitbewerber davon, und der Mikado mußte
ihn in einer Würde bestätigen, die er ihm zu versagen zu ohnmächtig war.
Hidejosi'6 Dienste wurden durch eine hohe Militairwnrde belohnt. Nach einige"
Jahren' fiel Nobnnaga durch die Hand eines ehrgeizigen Nebenbuhlers, der da¬
durch in den Besitz der Sjegunwürde gelangte. Aber auch er kam zu einem gewalt¬
samen Eude, und in der nnn folgenden allgemeinen Verwirrung bemächtigte sich
Hidejosi später Taiko sana genannt) der Macht, die er bis zu einer, bis dahin
beispiellosen Unbeschränktheit ausdehnte. Er raubte dem Mikado die wenigen ihm
noch übrigen Reste von Rcgiernngsbesugnissen, "ut machte ihn zu einem bloßen
Schaltenkaiscr; er unterjochte die einheimischen Fürsten; er machte Korea zinsbar,
und bereitete einen Kriegszug gegen China vor, als er 1398 starb. Zu
seinein Nachfolger hatte er seinen dreijährigen Sohn Hidejvri bestimmt, und
glaubte ihm fein Erbe am besten zu sicherm, wenn er ihm den mächtigen
Fürsten von Mstava, Jejassama, seinen vertrauten Freund "ut Rathgeber, zum
Vormund, und dessen Enkelin zur Gemahlin gab. Aber anstatt wie er dem ver¬
storbenen Sjognn geschworen, den Gemahl seiner Enkelin im Besitz des Thrones
zu erhalten, strebte der ehrgeizige und ränkevolle Jejassama selbst nach der
Sjogunwürde, und überzog den Sohn seines Wohlthäters mit Krieg. Er endigte
mit einer vollständigen Umwälzung, in der zum erstem Mal auch europäische In¬
teressen mit ins Spiel kamen. Als nämlich die Portugiesen 1563 Japan entdeckte",
wurden sie freundlich aufgenommen, und durste" sich im Lande niederlassen. In
ihrem Gefolge stellten sich bald die Jesuiten ein, deren Missionsbemühnugeu von
Seiten der Behörden nicht die mindeste Behinderung, und bei dem Volke so
großen Anklang fanden, daß man zu Anfang deö 17. Jahrhunderts 200,000
Christen, darunter selbst hohe Würdenträger, in Japan zählte. Selbst der all¬
mächtige Sjogun Hidegosi war den Jesuiten nicht abhold, und vo" seinem Sohne


Eine lange Reihe von unmündigen Mikados kräftigte die Macht der Sjoguns,
und ihr Amt wurde bald so entschieden erblich, daß die Annalen des Reichs von
abdankenden Sjvgunö, und von Prätendenten der Sjognnswnrde sprechen. Das
Verhältnis; zwischen dein Neichsfeldherrn und dem Mikado gestaltete sich ungefähr
eben so, wie das der fränkischen Hausmeier zu den Merovingern — legitimer
Fürst war der Mikado, der anch noch das Schciurecht besaß, den Sjogun zu er¬
nennen, im Besitz aller nützlichem Regierungsgewalt waren die Sjoguns, die
Nachkomme» Noritomo'ö. Gegen Mitte des 16. Jahrhunderts kämpften zwei
Brüder ans V^'domo'S Geschlecht um die Würde; die Fürsten des Reichs nahmen
Partei, oder benutzten die Verwirrung, um sich unabhängig zu machen, und ein
verheerender Bürgerkrieg wüthete durch ganz Japan. Im Verlaufe des Krieges
kamen beide Brüder um's Leben, und die Reichsfürsten stritten sich jetzt unterein¬
ander um die erledigte Würde. Der mächtigste und fähigste von ihnen, Nobu-
uaga, Fürst von Owari, trug, unterstützt von einem tapfern Krieger niederer Her-
kunft, Hidejosi, den Sieg über alte Mitbewerber davon, und der Mikado mußte
ihn in einer Würde bestätigen, die er ihm zu versagen zu ohnmächtig war.
Hidejosi'6 Dienste wurden durch eine hohe Militairwnrde belohnt. Nach einige»
Jahren' fiel Nobnnaga durch die Hand eines ehrgeizigen Nebenbuhlers, der da¬
durch in den Besitz der Sjegunwürde gelangte. Aber auch er kam zu einem gewalt¬
samen Eude, und in der nnn folgenden allgemeinen Verwirrung bemächtigte sich
Hidejosi später Taiko sana genannt) der Macht, die er bis zu einer, bis dahin
beispiellosen Unbeschränktheit ausdehnte. Er raubte dem Mikado die wenigen ihm
noch übrigen Reste von Rcgiernngsbesugnissen, »ut machte ihn zu einem bloßen
Schaltenkaiscr; er unterjochte die einheimischen Fürsten; er machte Korea zinsbar,
und bereitete einen Kriegszug gegen China vor, als er 1398 starb. Zu
seinein Nachfolger hatte er seinen dreijährigen Sohn Hidejvri bestimmt, und
glaubte ihm fein Erbe am besten zu sicherm, wenn er ihm den mächtigen
Fürsten von Mstava, Jejassama, seinen vertrauten Freund »ut Rathgeber, zum
Vormund, und dessen Enkelin zur Gemahlin gab. Aber anstatt wie er dem ver¬
storbenen Sjognn geschworen, den Gemahl seiner Enkelin im Besitz des Thrones
zu erhalten, strebte der ehrgeizige und ränkevolle Jejassama selbst nach der
Sjogunwürde, und überzog den Sohn seines Wohlthäters mit Krieg. Er endigte
mit einer vollständigen Umwälzung, in der zum erstem Mal auch europäische In¬
teressen mit ins Spiel kamen. Als nämlich die Portugiesen 1563 Japan entdeckte»,
wurden sie freundlich aufgenommen, und durste» sich im Lande niederlassen. In
ihrem Gefolge stellten sich bald die Jesuiten ein, deren Missionsbemühnugeu von
Seiten der Behörden nicht die mindeste Behinderung, und bei dem Volke so
großen Anklang fanden, daß man zu Anfang deö 17. Jahrhunderts 200,000
Christen, darunter selbst hohe Würdenträger, in Japan zählte. Selbst der all¬
mächtige Sjogun Hidegosi war den Jesuiten nicht abhold, und vo» seinem Sohne


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/452>, abgerufen am 28.12.2024.