Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Landestheile die Unveränderlichkeit der Grundsteuer durch landesherrliche Erlasse
ausdrücklich anerkannt und dadurch die Ueberzeugung von ihrer Nentcnnatnr
gewährt worden. Die ans der Gesetzgebung hergeleiteten Gründe ziru und
enntiÄ scheinen uns übrigens nur in zweiter Linie zulässig zu sein, als eine frei¬
lich überflüssige, aber doch annehmbare Unterstützung der ans der Natur der
Sache hergeleiteten Gründe. Und in dieser Beziehung ist es "usre persönliche
Ausicht, daß eine auf Grund und Boden gelegte Steuer immer die Tendenz
haben wird, sofort die Natur eiuer Rente anzunehmen, wie sehr auch die Gesetz¬
gebung in entgegengesetzter Richtung arbeiten mag. Soll die Grundsteuer den
Charakter eiuer wirklichen, je nach dem wechselnden Ertrage des Guts abgemesse¬
nen Steuer erhalten, so ist dieses nur dnrch eine perpetuirliche Regulirung, durch
eine ununterbrochene Rectification des Katasters je nach der zeitweiligen Melio¬
ration oder Deterivration des Guts zu ermöglichen. Eine solche Rectification
kann aber bei dem Umfang und den großen Kosten des Geschäfts nnr selten, nur
in beträchtlichen Zwischenräumen unternommen werden; und in ruhigen Zeiten
wird man voraussichtlich Anstand nehmen, sür ein derartiges Geschäft ungeheure
Summen in ganz uuproductiver Weise zu verwenden, um die Ungleichheiten zu
ermitteln, die sich durch den mehr oder minder raschen Fortschritt oder den
Rückschritt in der Cultur im Laufe der Zeit herausgestellt habe" konnten. Sicher
aber werden diese Zwischenräume groß genug sei", daß die Grundsteuer, unmittel¬
bar nach ihrer Regulirung, mit aller Behaglichkeit wieder in die Rentennatnr
zurückfällt, und daß der neue Käufer an den Vortheilen oder Nachtheilen, die
mit der letzten Regulirung sür den damaligen Besitzer verknüpft waren, nicht mehr
participirt. Hat.uram vxxvUus Ku-<:a, l.amon usquv revM'el..'*)

Die Regierung hat sich für keine dieser entgegengesetzten Anffaßuugcn
oder, wenn sie wollen, für beide entschieden. In dem Gesetzentwurf, der die
Beseitigung der Er,cationem ausspricht, hält sie an der Ansicht fest, daß die
Grundsteuer eine Steuer sei, und vindicirt der Negierung das Recht, sie modi-
ficiren zu können, wie jede andre Steuer. Wie verträgt sich aber damit das
Princip der Entschädigung, welches dem zweiten Gesetzentwurf zum Grunde liegt?
Seit wann und wo betrachtet man eine neu auferlegte wirkliche Steuer als einen
Zins, sür dessen künftige Entrichtung man den eben Belasteten eine baare Summe
im Betrage des Capitals als Entschädigung zukommen lassen müsse? Was ist
überhaupt der Zweck dieser ganzen Manipulation, daß der Staat gewissen Per¬
sonen Capitalien schenkt, um sich dafür Zinsen entrichten zu lassen und mit diesen
Zinsen vorlieb zu nehmen? Wenn die Steuerfreiheit gewisser Grundstücke wirklich
ein ungerechter Zustand ist, dessen Beseitigung nothwendig erscheint, wird dann



") Dieselbe Ueberzeugung ist in diesem Blatt bei Anzeige der vortreffliche" Schrift
Koppe's über Grundsteuer ausgesprochen worden. --

Landestheile die Unveränderlichkeit der Grundsteuer durch landesherrliche Erlasse
ausdrücklich anerkannt und dadurch die Ueberzeugung von ihrer Nentcnnatnr
gewährt worden. Die ans der Gesetzgebung hergeleiteten Gründe ziru und
enntiÄ scheinen uns übrigens nur in zweiter Linie zulässig zu sein, als eine frei¬
lich überflüssige, aber doch annehmbare Unterstützung der ans der Natur der
Sache hergeleiteten Gründe. Und in dieser Beziehung ist es »usre persönliche
Ausicht, daß eine auf Grund und Boden gelegte Steuer immer die Tendenz
haben wird, sofort die Natur eiuer Rente anzunehmen, wie sehr auch die Gesetz¬
gebung in entgegengesetzter Richtung arbeiten mag. Soll die Grundsteuer den
Charakter eiuer wirklichen, je nach dem wechselnden Ertrage des Guts abgemesse¬
nen Steuer erhalten, so ist dieses nur dnrch eine perpetuirliche Regulirung, durch
eine ununterbrochene Rectification des Katasters je nach der zeitweiligen Melio¬
ration oder Deterivration des Guts zu ermöglichen. Eine solche Rectification
kann aber bei dem Umfang und den großen Kosten des Geschäfts nnr selten, nur
in beträchtlichen Zwischenräumen unternommen werden; und in ruhigen Zeiten
wird man voraussichtlich Anstand nehmen, sür ein derartiges Geschäft ungeheure
Summen in ganz uuproductiver Weise zu verwenden, um die Ungleichheiten zu
ermitteln, die sich durch den mehr oder minder raschen Fortschritt oder den
Rückschritt in der Cultur im Laufe der Zeit herausgestellt habe» konnten. Sicher
aber werden diese Zwischenräume groß genug sei», daß die Grundsteuer, unmittel¬
bar nach ihrer Regulirung, mit aller Behaglichkeit wieder in die Rentennatnr
zurückfällt, und daß der neue Käufer an den Vortheilen oder Nachtheilen, die
mit der letzten Regulirung sür den damaligen Besitzer verknüpft waren, nicht mehr
participirt. Hat.uram vxxvUus Ku-<:a, l.amon usquv revM'el..'*)

Die Regierung hat sich für keine dieser entgegengesetzten Anffaßuugcn
oder, wenn sie wollen, für beide entschieden. In dem Gesetzentwurf, der die
Beseitigung der Er,cationem ausspricht, hält sie an der Ansicht fest, daß die
Grundsteuer eine Steuer sei, und vindicirt der Negierung das Recht, sie modi-
ficiren zu können, wie jede andre Steuer. Wie verträgt sich aber damit das
Princip der Entschädigung, welches dem zweiten Gesetzentwurf zum Grunde liegt?
Seit wann und wo betrachtet man eine neu auferlegte wirkliche Steuer als einen
Zins, sür dessen künftige Entrichtung man den eben Belasteten eine baare Summe
im Betrage des Capitals als Entschädigung zukommen lassen müsse? Was ist
überhaupt der Zweck dieser ganzen Manipulation, daß der Staat gewissen Per¬
sonen Capitalien schenkt, um sich dafür Zinsen entrichten zu lassen und mit diesen
Zinsen vorlieb zu nehmen? Wenn die Steuerfreiheit gewisser Grundstücke wirklich
ein ungerechter Zustand ist, dessen Beseitigung nothwendig erscheint, wird dann



") Dieselbe Ueberzeugung ist in diesem Blatt bei Anzeige der vortreffliche» Schrift
Koppe's über Grundsteuer ausgesprochen worden. —
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0436" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186312"/>
            <p xml:id="ID_1360" prev="#ID_1359"> Landestheile die Unveränderlichkeit der Grundsteuer durch landesherrliche Erlasse<lb/>
ausdrücklich anerkannt und dadurch die Ueberzeugung von ihrer Nentcnnatnr<lb/>
gewährt worden. Die ans der Gesetzgebung hergeleiteten Gründe ziru und<lb/>
enntiÄ scheinen uns übrigens nur in zweiter Linie zulässig zu sein, als eine frei¬<lb/>
lich überflüssige, aber doch annehmbare Unterstützung der ans der Natur der<lb/>
Sache hergeleiteten Gründe. Und in dieser Beziehung ist es »usre persönliche<lb/>
Ausicht, daß eine auf Grund und Boden gelegte Steuer immer die Tendenz<lb/>
haben wird, sofort die Natur eiuer Rente anzunehmen, wie sehr auch die Gesetz¬<lb/>
gebung in entgegengesetzter Richtung arbeiten mag. Soll die Grundsteuer den<lb/>
Charakter eiuer wirklichen, je nach dem wechselnden Ertrage des Guts abgemesse¬<lb/>
nen Steuer erhalten, so ist dieses nur dnrch eine perpetuirliche Regulirung, durch<lb/>
eine ununterbrochene Rectification des Katasters je nach der zeitweiligen Melio¬<lb/>
ration oder Deterivration des Guts zu ermöglichen. Eine solche Rectification<lb/>
kann aber bei dem Umfang und den großen Kosten des Geschäfts nnr selten, nur<lb/>
in beträchtlichen Zwischenräumen unternommen werden; und in ruhigen Zeiten<lb/>
wird man voraussichtlich Anstand nehmen, sür ein derartiges Geschäft ungeheure<lb/>
Summen in ganz uuproductiver Weise zu verwenden, um die Ungleichheiten zu<lb/>
ermitteln, die sich durch den mehr oder minder raschen Fortschritt oder den<lb/>
Rückschritt in der Cultur im Laufe der Zeit herausgestellt habe» konnten. Sicher<lb/>
aber werden diese Zwischenräume groß genug sei», daß die Grundsteuer, unmittel¬<lb/>
bar nach ihrer Regulirung, mit aller Behaglichkeit wieder in die Rentennatnr<lb/>
zurückfällt, und daß der neue Käufer an den Vortheilen oder Nachtheilen, die<lb/>
mit der letzten Regulirung sür den damaligen Besitzer verknüpft waren, nicht mehr<lb/>
participirt.  Hat.uram vxxvUus Ku-&lt;:a, l.amon usquv revM'el..'*)</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1361" next="#ID_1362"> Die Regierung hat sich für keine dieser entgegengesetzten Anffaßuugcn<lb/>
oder, wenn sie wollen, für beide entschieden. In dem Gesetzentwurf, der die<lb/>
Beseitigung der Er,cationem ausspricht, hält sie an der Ansicht fest, daß die<lb/>
Grundsteuer eine Steuer sei, und vindicirt der Negierung das Recht, sie modi-<lb/>
ficiren zu können, wie jede andre Steuer. Wie verträgt sich aber damit das<lb/>
Princip der Entschädigung, welches dem zweiten Gesetzentwurf zum Grunde liegt?<lb/>
Seit wann und wo betrachtet man eine neu auferlegte wirkliche Steuer als einen<lb/>
Zins, sür dessen künftige Entrichtung man den eben Belasteten eine baare Summe<lb/>
im Betrage des Capitals als Entschädigung zukommen lassen müsse? Was ist<lb/>
überhaupt der Zweck dieser ganzen Manipulation, daß der Staat gewissen Per¬<lb/>
sonen Capitalien schenkt, um sich dafür Zinsen entrichten zu lassen und mit diesen<lb/>
Zinsen vorlieb zu nehmen? Wenn die Steuerfreiheit gewisser Grundstücke wirklich<lb/>
ein ungerechter Zustand ist, dessen Beseitigung nothwendig erscheint, wird dann</p><lb/>
            <note xml:id="FID_25" place="foot"> ") Dieselbe Ueberzeugung ist in diesem Blatt bei Anzeige der vortreffliche» Schrift<lb/>
Koppe's über Grundsteuer ausgesprochen worden. &#x2014;</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0436] Landestheile die Unveränderlichkeit der Grundsteuer durch landesherrliche Erlasse ausdrücklich anerkannt und dadurch die Ueberzeugung von ihrer Nentcnnatnr gewährt worden. Die ans der Gesetzgebung hergeleiteten Gründe ziru und enntiÄ scheinen uns übrigens nur in zweiter Linie zulässig zu sein, als eine frei¬ lich überflüssige, aber doch annehmbare Unterstützung der ans der Natur der Sache hergeleiteten Gründe. Und in dieser Beziehung ist es »usre persönliche Ausicht, daß eine auf Grund und Boden gelegte Steuer immer die Tendenz haben wird, sofort die Natur eiuer Rente anzunehmen, wie sehr auch die Gesetz¬ gebung in entgegengesetzter Richtung arbeiten mag. Soll die Grundsteuer den Charakter eiuer wirklichen, je nach dem wechselnden Ertrage des Guts abgemesse¬ nen Steuer erhalten, so ist dieses nur dnrch eine perpetuirliche Regulirung, durch eine ununterbrochene Rectification des Katasters je nach der zeitweiligen Melio¬ ration oder Deterivration des Guts zu ermöglichen. Eine solche Rectification kann aber bei dem Umfang und den großen Kosten des Geschäfts nnr selten, nur in beträchtlichen Zwischenräumen unternommen werden; und in ruhigen Zeiten wird man voraussichtlich Anstand nehmen, sür ein derartiges Geschäft ungeheure Summen in ganz uuproductiver Weise zu verwenden, um die Ungleichheiten zu ermitteln, die sich durch den mehr oder minder raschen Fortschritt oder den Rückschritt in der Cultur im Laufe der Zeit herausgestellt habe» konnten. Sicher aber werden diese Zwischenräume groß genug sei», daß die Grundsteuer, unmittel¬ bar nach ihrer Regulirung, mit aller Behaglichkeit wieder in die Rentennatnr zurückfällt, und daß der neue Käufer an den Vortheilen oder Nachtheilen, die mit der letzten Regulirung sür den damaligen Besitzer verknüpft waren, nicht mehr participirt. Hat.uram vxxvUus Ku-<:a, l.amon usquv revM'el..'*) Die Regierung hat sich für keine dieser entgegengesetzten Anffaßuugcn oder, wenn sie wollen, für beide entschieden. In dem Gesetzentwurf, der die Beseitigung der Er,cationem ausspricht, hält sie an der Ansicht fest, daß die Grundsteuer eine Steuer sei, und vindicirt der Negierung das Recht, sie modi- ficiren zu können, wie jede andre Steuer. Wie verträgt sich aber damit das Princip der Entschädigung, welches dem zweiten Gesetzentwurf zum Grunde liegt? Seit wann und wo betrachtet man eine neu auferlegte wirkliche Steuer als einen Zins, sür dessen künftige Entrichtung man den eben Belasteten eine baare Summe im Betrage des Capitals als Entschädigung zukommen lassen müsse? Was ist überhaupt der Zweck dieser ganzen Manipulation, daß der Staat gewissen Per¬ sonen Capitalien schenkt, um sich dafür Zinsen entrichten zu lassen und mit diesen Zinsen vorlieb zu nehmen? Wenn die Steuerfreiheit gewisser Grundstücke wirklich ein ungerechter Zustand ist, dessen Beseitigung nothwendig erscheint, wird dann ") Dieselbe Ueberzeugung ist in diesem Blatt bei Anzeige der vortreffliche» Schrift Koppe's über Grundsteuer ausgesprochen worden. —

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/436
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/436>, abgerufen am 28.12.2024.