Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.Musik durch die Straßen der Stadt und diejenige Marietta's gab noch auf dem Luxemburg zeichnet sich durch keine merkwürdigen Bauten aus -- wenn man Der französische Firniß, der hier gewissermaßen die Cultur repräsentirt, offen¬ Ich hatte während meiner ersten Anwesenheit in Luxemburg keine Gelegen¬ Musik durch die Straßen der Stadt und diejenige Marietta's gab noch auf dem Luxemburg zeichnet sich durch keine merkwürdigen Bauten aus — wenn man Der französische Firniß, der hier gewissermaßen die Cultur repräsentirt, offen¬ Ich hatte während meiner ersten Anwesenheit in Luxemburg keine Gelegen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0414" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186290"/> <p xml:id="ID_1268" prev="#ID_1267"> Musik durch die Straßen der Stadt und diejenige Marietta's gab noch auf dem<lb/> Hauptplatze eine Vorstellung auf einem Seile, das von einem hohen Gerüst nach<lb/> dem Dachfenster eines Hauses gezogen war. Zwei Leinen an dem Gürtel des¬<lb/> jenigen befestigt, der diese schmale und schwindelnde Straße betrat, und von<lb/> Nebenstehenden gehalten, entfernten allerdings die sonst halsbrechenden Gefahren<lb/> dieser Künste, denen, da die hübsche Marietta nach zuvor glücklich vollführter<lb/> Beschreidung des Seiles selbst unter dein Publicum sammeln ging, und sehr ge¬<lb/> schickt ihre Auswahl zu treffen wußte, eine ziemlich reichliche Belohnung ward.</p><lb/> <p xml:id="ID_1269"> Luxemburg zeichnet sich durch keine merkwürdigen Bauten aus — wenn man<lb/> nicht die Festungswerke darunter begreifen will — und auch seine allgemeine<lb/> Banart ist ohne prägnanten Charakter. Die innere Stadt ist jedoch von ge¬<lb/> fälligem Anblick und ohne schöner Straßen oder imposanter Plätze sich rühmen<lb/> zu können, fehlt es ihr nicht ganz an einem gewissen hauptstädtischen Aussehn.<lb/> Jedenfalls verspricht sie, wenn man sich ihr von der Tner'schen Straße her nähert<lb/> bei weitem mehr, als man späterhin vorfindet. Die landschaftliche Partie, welche<lb/> das schon erwähnte Thal der Alsette, die darin liegenden Vorstädte, die Festungs¬<lb/> werke und die schroffen Felseubildungen darbieten, ist in hohem Grade anziehend;<lb/> hat man aber das Innere betreten, so Hort jede interessantere Eigenthümlich¬<lb/> keit auf.</p><lb/> <p xml:id="ID_1270"> Der französische Firniß, der hier gewissermaßen die Cultur repräsentirt, offen¬<lb/> bart sich auch in dem officiellen Staatswesen. Die Erlasse der Behörde» und<lb/> öffentliche Anschläge sind durchgängig in ihrem Hanpttext französisch, und nicht<lb/> immer ist eine deutsche Uebersetzung beigefügt. Das cvursircnde Geld ist nicht<lb/> nur zum großen Theil französisch oder belgisch, sondern auch die Berechnung<lb/> wird uach französischem Münzfuß gemacht. Da in Folge der zahlreichen preu¬<lb/> ßischen Garnison auch viel preußisches Geld circulirt, so verliert man in den<lb/> kleineren Stücken desselben stets Etwas dnrch ihre Uebertragung in Franks und<lb/> Sons. Eigne Münze schlägt Luxemburg gar nicht und könnte man diese Ent¬<lb/> haltsamkeit unseren kleineren deutscheu Staaten nnr sehr empfehlen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1271"> Ich hatte während meiner ersten Anwesenheit in Luxemburg keine Gelegen¬<lb/> heit, mit der eigentlichen Gesellschaft zusammenzukommen. Mein Umgang be¬<lb/> schränkte sich auf einige mir bekannte Officiere der dortstehenden preußische»<lb/> Artillerie, die mich in den Kreis ihrer Kameraden einführte», bei denen ich,<lb/> wie es bei dem Officiercorps dieser Waffe vorwiegend der Fall ist, eine eben<lb/> so liebenswürdige, als gebildete Geselligkeit traf. Obwol zwischen dem preußischen<lb/> Officiercorps und den gebildeten Ständen der Einwohnerschaft natürlich vielfache<lb/> Berührungen stattfinden, so herrscht doch eine merkbare Scheidung zwischen diesen<lb/> beide» Theilen der Gesellschaft. Man sieht sich dritten Ortes in Concerten<lb/> oder auf Bällen, im engern Familienkreise sind jedoch mit wenigen Ausnahmen<lb/> nähere Beziehungen selten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0414]
Musik durch die Straßen der Stadt und diejenige Marietta's gab noch auf dem
Hauptplatze eine Vorstellung auf einem Seile, das von einem hohen Gerüst nach
dem Dachfenster eines Hauses gezogen war. Zwei Leinen an dem Gürtel des¬
jenigen befestigt, der diese schmale und schwindelnde Straße betrat, und von
Nebenstehenden gehalten, entfernten allerdings die sonst halsbrechenden Gefahren
dieser Künste, denen, da die hübsche Marietta nach zuvor glücklich vollführter
Beschreidung des Seiles selbst unter dein Publicum sammeln ging, und sehr ge¬
schickt ihre Auswahl zu treffen wußte, eine ziemlich reichliche Belohnung ward.
Luxemburg zeichnet sich durch keine merkwürdigen Bauten aus — wenn man
nicht die Festungswerke darunter begreifen will — und auch seine allgemeine
Banart ist ohne prägnanten Charakter. Die innere Stadt ist jedoch von ge¬
fälligem Anblick und ohne schöner Straßen oder imposanter Plätze sich rühmen
zu können, fehlt es ihr nicht ganz an einem gewissen hauptstädtischen Aussehn.
Jedenfalls verspricht sie, wenn man sich ihr von der Tner'schen Straße her nähert
bei weitem mehr, als man späterhin vorfindet. Die landschaftliche Partie, welche
das schon erwähnte Thal der Alsette, die darin liegenden Vorstädte, die Festungs¬
werke und die schroffen Felseubildungen darbieten, ist in hohem Grade anziehend;
hat man aber das Innere betreten, so Hort jede interessantere Eigenthümlich¬
keit auf.
Der französische Firniß, der hier gewissermaßen die Cultur repräsentirt, offen¬
bart sich auch in dem officiellen Staatswesen. Die Erlasse der Behörde» und
öffentliche Anschläge sind durchgängig in ihrem Hanpttext französisch, und nicht
immer ist eine deutsche Uebersetzung beigefügt. Das cvursircnde Geld ist nicht
nur zum großen Theil französisch oder belgisch, sondern auch die Berechnung
wird uach französischem Münzfuß gemacht. Da in Folge der zahlreichen preu¬
ßischen Garnison auch viel preußisches Geld circulirt, so verliert man in den
kleineren Stücken desselben stets Etwas dnrch ihre Uebertragung in Franks und
Sons. Eigne Münze schlägt Luxemburg gar nicht und könnte man diese Ent¬
haltsamkeit unseren kleineren deutscheu Staaten nnr sehr empfehlen.
Ich hatte während meiner ersten Anwesenheit in Luxemburg keine Gelegen¬
heit, mit der eigentlichen Gesellschaft zusammenzukommen. Mein Umgang be¬
schränkte sich auf einige mir bekannte Officiere der dortstehenden preußische»
Artillerie, die mich in den Kreis ihrer Kameraden einführte», bei denen ich,
wie es bei dem Officiercorps dieser Waffe vorwiegend der Fall ist, eine eben
so liebenswürdige, als gebildete Geselligkeit traf. Obwol zwischen dem preußischen
Officiercorps und den gebildeten Ständen der Einwohnerschaft natürlich vielfache
Berührungen stattfinden, so herrscht doch eine merkbare Scheidung zwischen diesen
beide» Theilen der Gesellschaft. Man sieht sich dritten Ortes in Concerten
oder auf Bällen, im engern Familienkreise sind jedoch mit wenigen Ausnahmen
nähere Beziehungen selten.
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